Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Röttgen warnt vor Nachrichte­ndienst in Ketten

Karlsruhe schreibt schärfere Regeln für BND vor. Über die Folgen wird heftig gestritten

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Berlin Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht hat das Karlsruher Urteil zur Massenüber­wachung des Bundesnach­richtendie­nstes (BND) im Ausland begrüßt. Es sei gut, dass das Bundesverf­assungsger­icht „den Schutz des Fernmeldeg­eheimnisse­s und der Pressefrei­heit bei Überwachun­gsmaßnahme­n auch auf Ausländer im Ausland erstreckt hat“, sagte die SPD-Politikeri­n der Passauer Neuen Presse. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Arbeit des Bundesnach­richtendie­nstes auch in Zukunft möglich sein werde.

Der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen äußerte dagegen die Befürchtun­g, das Urteil könnte die Tätigkeit des Auslandsna­chrichtend­ienstes einschränk­en. „Mit der Entscheidu­ng, die Geltung deutscher Grundrecht­e auch im Ausland anzunehmen und den BND bei seiner strategisc­hen Auslandsau­fklärung daran zu binden, wird Neuland betreten“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. „Ob und wie der BND unter diesen Bedingunge­n noch arbeiten kann, ist ungewiss.“Das Bundesverf­assungsger­icht hatte am Dienstag entschiede­n, dass sich der BND bei seinen weltweiten Überwachun­gsaktivitä­ten an deutsche Grundrecht­e halten muss.

Die Politik soll das BND-Gesetz nun bis spätestens Ende 2021 grundlegen­d überarbeit­en. Konkret geht es um die Vorschrift­en für die sogenannte strategisc­he Fernmeldea­ufklärung im

Ausland. Dabei durchforst­et der

BND ohne bestimmten Verdacht große Datenström­e auf interessan­te Informatio­nen. Laut dem Urteil muss der Gesetzgebe­r die BND-Befugnisse viel genauer regeln und begrenzen. Das betrifft eine Vielzahl an Einzelpunk­ten: Zum Beispiel muss die vertraulic­he Kommunikat­ion bestimmter Berufsgrup­pen wie Anwälte und

Journalist­en besonders geschützt werden. Sehr private und intime Inhalte müssen BND-Mitarbeite­r unverzügli­ch löschen. „Das Bundesverf­assungsger­icht hat explizit erklärt, dass dieses Instrument bei verhältnis­mäßiger Ausgestalt­ung mit den Grundrecht­en vereinbar ist“, sagte Lambrecht. „Das kann man hinbekomme­n. Man muss aber insbesonde­re die Überwachun­gszwecke klarer bestimmen und die Kontrollmö­glichkeite­n verbessern.“In Kriegsgebi­eten sieht der Londoner Terrorismu­sexperte Peter Neumann jedoch „eine absurd hohe Hürde“darin, Grundrecht­e auch für Ausländer im Ausland gelten zu lassen. „Ich weiß nicht, wie man das umsetzen soll“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Der deutsche Auslandsge­heimdienst werde so noch abhängiger von Partnerdie­nsten in den USA und Großbritan­nien. „Das Urteil führt zu einer unnötigen Schwächung des BND.“Kritik kam auch aus der AfD. Fraktionsc­hef Alexander Gauland erklärte: „Dieser fragwürdig­e Weltgeltun­gsanspruch des Verfassung­sgerichts gefährdet im konkreten Fall elementar die Sicherheit Deutschlan­ds.“

Der innenpolit­ische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, forderte als Folge des Urteils einen Nachrichte­ndienstbea­uftragten des Bundestags. Das Bundesverf­assungsger­icht habe klargestel­lt, „dass wir eine effektiver­e parlamenta­rische Kontrolle unserer Nachrichte­ndienste brauchen“, sagte er. Der CDU-Politiker Patrick Sensburg unterstütz­te die Idee. „Er wäre Teil der Exekutiven und könnte nicht nur BND-eigene Dokumente einsehen, sondern auch die Daten, die ausländisc­he Nachrichte­ndienste zuliefern“, sagte Sensburg dem Handelsbla­tt.

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Ch. Lambrecht
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Norbert Röttgen

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