Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gregoritsch ohne Groll
Bis Saisonende hat der FCA den Österreicher an Schalke 04 verliehen. Wo der Angreifer danach spielt, ist offen
Das Wiedersehen mit den ehemaligen Kollegen dürfte ziemlich distanziert ablaufen. Das hat mit den Hygienemaßnahmen der Deutschen Fußball Liga zu tun, das begründet sich aber ebenso in der Vorgeschichte. Wenn Schalke 04 und der FC Augsburg in einem weiteren Bundesliga-Geisterspiel aufeinandertreffen (Sonntag, 13.30 Uhr), begegnen sich Leihspieler Michael Gregoritsch und sein Stammverein. Für den 26-Jährigen nichts Alltägliches, wie er gegenüber Sky Austria erklärte. „Das Spiel ist ganz besonders, weil es meine Teamkollegen sind, mit denen ich lange zusammengespielt habe.“
Der „Gregerl“ist ein netter Kerl. Der oft verschmitzt lächelt. Sympathisch, authentisch, gesprächig und offen. So lernen ihn die Augsburger kennen, als er vor knapp drei Jahren zum FC Augsburg wechselt. Bei den Fans macht er sich sogleich beliebt. Weil es nicht nur menschlich passt, sondern auch sportlich. Der FCA und der Österreicher – es scheint, als hätten sich da zwei gefunden.
Gregoritsch galt bis dahin als talentiert, noch heute ist er der jüngste Torschütze in Österreichs höchster Liga. Beim teils chaotischen, sich selbst überschätzenden Klub aus Hamburg kam er nicht vollends zur Geltung, fühlte sich nicht wertgeschätzt. Der FCA schien zu diesem Zeitpunkt die passende Alternative zu sein. Ein Karrieresprungbrett. Ein Klub, in dem er sich als Bundesligaspieler etablieren konnte.
Für 5,5 Millionen Euro verpflichtet Augsburgs Sportgeschäftsführer Stefan Reuter den schlaksigen Angreifer. Gregoritsch erzielt 13 Treffer in seiner ersten Spielzeit, mehr Tore sind bislang keinem Augsburger Profi in einer Bundesligasaison gelungen. Weil er mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein ausgestattet ist, sagt er vor einem Duell mit dem ehemaligen Verein aus Hamburg: „Ich hätte mich nicht verkauft.“
Gregoritsch fühlt sich in Mannschaft und Verein akzeptiert, zum allgemeinen Wohlbefinden tragen Kumpels aus seiner Heimat bei, die den gebürtigen Grazer besuchen, alternativ fährt er gen Alpen. Ende 2018 hat sich der Markwert von Gregoritsch vervierfacht, das Branchenportal Transfermarkt.de taktiert diesen auf 20 Millionen Euro.
Gregoritsch gilt als einer der technisch stärksten Spieler im FCA-Kader, hinzugesellt sich Torgefahr. Er selbst teilt diese Ansicht, die ihm in schwächeren Phasen als Überheblichkeit ausgelegt wird. Gemeinhin eilt ihm der Ruf voraus, Leistung nur dann zu erbringen, wenn sich eine Mannschaft im Hoch befindet.
Diesen Eindruck bestätigt er in der zweiten Hälfte seines bisherigen Wirkens in Augsburg. Denn nach 2018 verschlechtern sich nicht nur die Auftritte des gesamten Teams, auch Gregoritsch baut ab. Hinzu kommt im Frühjahr 2019 der Trainerwechsel hin zu Martin Schmidt. Der Schweizer will „Rennmaschinen“, die aggressiv verteidigen und rasant kontern. Gregoritsch hingegen will zu Werder Bremen wechseln. Doch die Hanseaten erfüllen Reuters Bedingungen nicht. Zu Gregoritschs Enttäuschung zerschlägt sich der Transfer. Gesprächig ist er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Mit dem Schmidtschen Spielsystem fremdelt der Österreicher und verliert seinen Stammplatz. Während einer Länderspielpause poltert er in einem Interview mit heimischen Journalisten. Seine Situation beschreibt er als „beschissen“, „Hauptsache weg“sagt er damals. Gregoritsch wird erst suspendiert und kommt bis zur Winterpause nicht mehr zum Einsatz. Bei Sky Austria beteuert er, er hege vor dem Wiedersehen keinen Groll, sagt aber auch: „Ich habe in den Jahren davor 21 Tore in Augsburg gemacht, das wurde ein bisschen vergessen.“
Als sich in der Winterpause Schalke für ihn interessiert, ist schnell eine Lösung gefunden. Gregoritsch wird bis zum 30. Juni an den Revierklub ausgeliehen und erlebt einen Traumstart: Im ersten Bundesligaspiel nach der Winterpause erzielt er gegen Mönchengladbach ein Tor und bereitet einen Treffer vor. In der Folge jedoch erinnert Etliches an den Gregoritsch, der nur in einer funktionierenden Mannschaft glänzt.
Doch Schalke glänzt nicht, es kriselt. Nach acht sieglosen Partien und deftigen Klatschen gegen Leipzig, Köln sowie Dortmund steht Trainer David Wagner vor dem Aus. Und Gregoritsch? Der spielt selten und trifft gar nicht mehr. Dass Schalke ihn nach Leihende fest verpflichtet, scheint derzeit ausgeschlossen. Auch wenn der Klub längst nicht mehr so viel bezahlen müsste. Laut Transfermarkt.de sind die fußballerischen Dienste von Gregoritsch inzwischen wieder jene 5,5 Millionen Euro wert, die der FCA vor knapp drei Jahren für ihn bezahlt hat.