Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ende des Immobilienbooms?
Einige Fachleute gehen davon aus, dass durch die Corona-Krise die Preisexplosion vorerst ein Ende hat. Zum Schnäppchenpreis wird es das Einfamilienhaus im Grünen aber wohl nicht geben
Augsburg War das nun die Nadel, die den gut gefüllten Preisballon zum Platzen bringt? So hat kürzlich in einer aufsehenerregenden Studie das Berliner Forschungsinstitut Empirica über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Immobilienpreise getitelt. Kurzfristig war der Markt für Immobilien in den letzten Wochen eingefroren. Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen machten die Besichtigung von Häusern und Wohnungen schwierig. Für die kommenden Monate rechnete Empirica sogar mit einer Delle bei den Kaufpreisen zwischen zehn und 25 Prozent. Dazu passt, dass in Augsburg der Bau von fast 400 Wohnungen nahe des Hauptbahnhofs gestoppt worden ist. Für das Wohnprojekt „Augusta“des Immobilienentwicklers Instone waren Preise bis zu 7000 oder 8000 Euro pro Quadratmeter im Gespräch, was für die Stadt viel ist. Ist der Boom am Immobilienmarkt also zu Ende?
Wenn jemand einen Einblick in die Lage am Bau hat, dann muss es ein Hersteller von Ziegeln sein. Im Ziegelwerk Klosterbeuren im Unterallgäu stellen pro Jahr 85 Mitarbeiter Steine für umgerechnet rund 3500 Einfamilienhäuser her. Dort ist Geschäftsführer Thomas Thater bisher aber zufrieden: Die Bauunternehmen haben derzeit Aufträge und können diese ausführen, berichtet er. Auf den Baustellen lief die Arbeit im März, April und Mai weiter. „Auch wir waren in der glücklichen Lage, die Nachfrage der Bauunternehmen bedienen zu können“, sagt Thater. Nur punktuell spüre er einen Nachfragerückgang nach Ziegelsteinen. „Der eine oder andere private Bauherr könnte angesichts von Kurzarbeit oder Sorgen um den Arbeitsplatz seine Pläne verschieben“, vermutet er. Größere Projekte – also Mehrfamilienhäuser – liefen aber wie geplant weiter. Hier gibt es feste Verträge, die eingehalten werden müssen. „Unsere Auftragslage ist gut bis in den Sommer hinein“, sagt Thater.
Der Bau reagiert normalerweise eher langsam auf konjunkturelle Schwankungen. Was deshalb nach dem Sommer passiert, ist aus Sicht des Ziegelwerk-Chefs zu einem bestimmten Teil Spekulation. „Ich persönlich vermute, dass die Branche einen Rückgang spüren wird, aber keinen gewaltigen Einbruch, denn der Nachholbedarf bei Wohnimmobilien ist enorm“, sagt Thater.
Bei der Sparkassen-Immobilienvermittlung hat man beobachtet, dass der Neubau durch die CoronaKrise etwas gebremst wurde: „Vieles verzögert sich“, sagt Geschäftsführer Paul Fraunholz in München. Neubau-Vorhaben gehen lange Planungsphasen voraus. Hier herrschte in den vergangenen Wochen zeitweise Stillstand. „Wir gehen davon aus, dass die Neubau-Tätigkeit sinkt – und man muss abwarten, wie schnell sie sich erholt“, sagt Fraunholz. „Wir kommen allerdings aus einer Phase sehr reger Bautätigkeit, sodass dies fast eine Normalisierung ist“, ergänzt der Fachmann.
Ein Unternehmen, das Mehrfamilienhäuser baut, ist die KlausGruppe in Augsburg mit 850 Mitarbeitern. Dort ist man bisher zufrieden: „Alle unsere Baustellen und Projekte laufen stabil weiter“, sagt Geschäftsführer Jörg Klaus. Auch der Vertrieb an Wohnungen laufe planmäßig. „Wir haben einen guten Auftragsbestand und sind für dieses Jahr vorsichtig optimistisch“, fügt er an. Mit sinkenden Preisen für neue Immobilien rechnet er nicht: Das Interesse der Menschen an schönen Wohnungen sei weiterhin da, die Baukosten blieben.
Geschäftsführer Manfred Ruhdorfer, ebenfalls von der KlausGruppe, kann sich aber vorstellen, dass es zu einer Verschiebung bei den Kunden kommt: Wenn Arbeitnehmer um ihren Job fürchten, könnten weniger Immobilien zur Eigennutzung gekauft werden. Ruhdorfer sieht dafür stärker Kapitalanleger zum Zuge kommen. „Im Markt ist Geld da“, sagt er. Die Mitarbeiter der Klaus-Gruppe müssten sich keine Sorgen machen. „Wir sind sogar auf der Suche nach Fachkräften“, sagt Jörg Klaus.
Das Baugewerbe befindet sich derzeit in Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaft IG Bau fordert ein Einkommensplus von 6,8 Prozent, der Verhandlungsauftakt diese Woche wurde ergebnislos vertagt. Am 4. Juni geht es weiter. Die Arbeitgeberseite – der Zentralverband Deutsches Baugewerbe – dämpft die Erwartungen: „Wir können uns glücklich schätzen, wenn die Bauwirtschaft am Ende des Jahres denselben Umsatz wie 2019 erwirtschaftet hat“, sagt Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. „Wenn es schlechter läuft, können es auch nominal minus zwei Prozent werden.“Vor allem den gewerblichen Bau sieht man vor Problemen, da Einzelhandel oder der Tourismus in der Corona-Krise schwere Zeiten erleben. Dass es im Gewerbebau starke Rückschläge geben kann, erwarten auch andere Unternehmer und Experten.
Im Wohnungsbau ist dagegen Gelassenheit zu spüren: Das Baugewerbe selbst rechnet in dem Bereich dieses Jahr mit einem Umsatzplus. „Stützend wirkt hier der auch in den letzten Jahren nicht abgebaute Bedarf an Wohnungen“, teilt der Verband mit. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden wohl eher temporär sein.“
Das ist der Neubaubereich, wie aber sieht es bei den Preisen für bestehende Immobilien aus? Bei der Sparkassen-Immobilienvermittlung spürt man, dass der Markt in der Corona-Krise eingefroren war. Im April gab es ein Viertel weniger
Kaufinteressenten als im Vorjahresmonat. „Aber eine aufgeschobene Kaufentscheidung ist nicht aufgehoben“, sagt Geschäftsführer Fraunholz. Die Corona-Krise habe seinen Erkenntnissen nach bisher keine Auswirkungen auf die Preise. „Wir sehen das gleiche Preisniveau wie vor zwei Monaten und gehen davon aus, dass die Preise auf dem jetzigen Niveau stagnieren“, sagt er. Ob in einzelnen stark betroffenen Regionen zum Beispiel rund um die Autowerke von Audi in Ingolstadt oder von BMW in Dingolfing die Preise stärker unter Druck geraten können, sei eher Spekulation.
Langfristig hält Fraunholz den Immobilienmarkt für intakt – gerade in Oberbayern und Schwaben: „Hier haben wir einen extremen Nachfrageüberhang an Immobilien erlebt“, sagt er. Attraktive Arbeitsplätze hätten Menschen nach Bayern gelockt. „Der Zuzug wird sich fortsetzen und weiter die Nachfrage treiben“, sagt der Sparkassen-Geschäftsführer. Und noch ein Trend hält an: Die Zinsen bleiben wohl noch länger niedrig.
„Der Markt für Wohnimmobilien in Deutschland wird auch im Zuge der Corona-Krise stabil und attraktiv bleiben“, prognostiziert der Immobilienverband Deutschland in einer neuen Studie. Dort rechnet man dieses Jahr für bestehende Eigentumswohnungen mit einem durchschnittlichen Preiswachstum von rund vier bis fünf Prozent.
Lag also das Forschungsinstitut Empirica mit der Prognose eines mittelfristigen Preisrückgangs von 10 bis 25 Prozent daneben? Viel hängt davon ab, wie lange die Krise dauert und wie stark sie Selbstständige trifft, erklärt Studienautor Reiner Braun. Selbstständige kaufen Immobilien häufig zur Altersvorsorge. „Wenn jetzt Mieter nicht zahlen können oder das eigene Einkommen der Selbstständigen sinkt, kann Verkaufsdruck entstehen“, sagt Braun. Je länger die Rezession anhalte, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit dafür. Das könne mittelfristig zu sinkenden Immobilienpreisen führen. „Spätestens wenn sich die Wirtschaft erholt, im Jahr 2021 oder 2022, erwarten wir aber wieder steigende Kauf- und Mietpreise“, betont Braun.
Insgesamt könnte durch die Corona-Krise die Kalkulation für manches Luxus-Bauprojekt mit eingebauter Mietpreis-Steigerung nicht mehr aufgehen, sagt er. Auch für Immobilien in „Schrottlagen“kann es eng werden. „Für das normale Einfamilienhaus im Grünen wird der Preis aber sicher nicht einbrechen“, ist sich Braun sicher. Die Corona-Krise verstärke eher die Sehnsucht nach einem eigenen Garten und eigenen Wänden.
Probleme für Luxusprojekte und in „Schrottlagen“