Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Treue Seele auf drei Beinen
Ein Verein aus dem Illertal setzt sich für Hunde ein. Er sucht Familien für Tiere. Viele der Hunde, die sie vermitteln, kommen aus Osteuropa und sind vom Leben sichtbar gezeichnet. Wie nachhaltig das Engagement ist
Kirchberg Wer nicht genau hinschaut, sieht bloß zwei Kulleraugen, die einen neugierig ansehen. Kräftige Beine und eine Schnauze, die nur darauf wartet, ihre Umwelt zu erschnüffeln. Und zwei Ohren, die aufmerksam alles wahrnehmen, was um sie herum geschieht. Kurz: Wer nicht genau hinschaut, sieht in Raya eine Hündin, die so zu sein scheint, wie ihre Artgenossinnen auch. Doch etwas ist merkwürdig: Raya fehlt etwas. Sie hat nur drei Beine.
Raya lebt in einem Tierheim in Bulgarien. Dort hatte sie einen Autounfall, das ist noch gar nicht so lange her, sie wurde angefahren und verwundet. Weil die Wunde nicht verheilte, musste man ihr das linke Vorderbein amputieren. Seitdem hat Raya eine Behinderung. Jetzt suchen Ehrenamtler nach einer Familie für sie in Deutschland.
Davon erzählen kann Elfriede Mangold. Die 70-Jährige ist Vorsitzende eines Vereins, der sich nicht um Menschen kümmern möchte, die ein Haustier suchen, sondern um Tiere, denen ein Zuhause fehlt. Kurz: Der Verein sucht für Tiere, nicht für Menschen. So steht es auf der Website der Tierhilfe Kirchberg, beheimatet in einer kleinen Gemeinde am württembergischen Ufer der Iller, auf halbem Weg zwischen Memmingen und Illertissen. Warum Hunde in Not geraten, kann viele Gründe haben. Manche wurden ausgesetzt, andere mussten ihre bisherige Familie verlassen. In einigen Fällen starben die Herrchen oder Frauchen der Hunde, diese sind teils selbst schon nicht mehr die Jüngsten. Auch kommt es vor, dass Hunde mit einer Behinderung, die im Ausland leben, dort nicht angemessen versorgt werden. Mangold hofft, dass sie in Deutschland eine Zukunft haben.
Zwölf Jahre besteht die Tierhilfe nun, immer wieder erreichen Mangold Hilferufe aus Rumänien oder Bulgarien. Manchen Tieren geht es so wie Raya: Sie hatten einen Unfall und fortan eine Behinderung. 27 solcher Tiere haben Mangold und ihre Vereinskollegen inzwischen in ein neues Zuhause vermittelt. Bedenkt man, dass der Verein seit 2008 besteht, zeigt sich schnell: Häufig bleibt die Suche ohne Erfolg. Manche hätten Vorbehalte den Tieren gegenüber, sagt Mangold. Sie wollten stattdessen jüngere Hunde. Vor einer Behinderung schreckten sie zurück, da sie befürchteten, dass diese mit größeren Anstrengungen und Ausgaben verbunden sein könnten. Doch das Gegenteil sei der Fall.
„Diese Tiere sind unglaublich dankbar“, erzählt sie. Sie gingen auf Menschen zu, seien oft Mischlingsund von ihrer Behinderung abgesehen deshalb meist sogar gesünder als reinrassige Hunde. In den Tierheimen oder anderen Einrichtungen, in denen sie sich aktuell aufhalten, nehmen andere Tiere im Zusammenleben mit ihnen keine Rücksicht. „Sie bauen schnell wieder ihre Muskulatur auf“, sagt Mangold. „So können sie mit den anderen problemlos mithalten.“Deshalb kämen Raya und andere Dreibeiner für „alle möglichen Personen“infrage, wie Mangold sagt. Sie würden in eine Familie passen genauso wie in Einzelhaushalte. Und weil sie aufgrund ihhunde rer Einschränkung weniger agil sind, falle es auch älteren Menschen leichter, sich um die Hunde zu kümmern.
Der Deutsche Tierschutzbund möchte das Anliegen des Vereins nicht kommentieren, da dieser kein Mitglied im Verband ist. Er teilt jedoch mit, dass er grundsätzlich „den regelmäßigen, massenhaften Import von Auslandstieren“ablehnt. Das helfe nur kurzfristig, wichtiger sei die Hilfe im Ausland, etwa durch den Bau von Tierschutzzentren oder Lobbyarbeit bei Politikern. Von diesem Grundsatz gebe es allerdings Ausnahmen – etwa, wenn ein Tier aus medizinischen Gründen nicht im Ausland bleiben könne oder dort nicht überleben würde. Mangolds Schilderungen zufolge treffen diese Kriterien auch auf die von der Tierhilfe importierten Hunde zu.
Die Vermittlung erfolge gegen eine Spende in Höhe von 280 Euro, erklärt Mangold. Transport und Vermittlung müssen aus rechtlichen Gründen als gewerbliches Handeln betrachtet werden, der Verein sei allerdings gemeinnützig. Nicht jeder Interessent bekomme einen Hund: Wenn die Vermittler der Tierhilfe merkten, dass die Lebensumstände der Menschen nicht zu einem Hund im Haushalt passen, gäben sie das Tier nicht ab. Viele der Hunde, die die Tierhilfe vermittelt, sind noch in Tierheimen im Ausland. Höchstens zehn Hunde leben bei Mangold im Haus, auch andere Vereinsmitglieder nehmen Tiere bei sich auf. Ein eigenes Tierheim gibt es nicht, auch wenn Mangold dies anstrebt.
Der Kontakt ins Ausland besteht über ehrenamtliche Tierfreunde, die dort unter anderem in Tierheimen Ausschau halten nach Hunden, die Hilfe brauchen. Diese berichteten Mangold zudem von dramatischen Zuständen etwa in rumänischen Tierheimen. Dort lebten teils 800 Tiere, die Einrichtungen seien überfüllt. Es mangele an Futter und Heizungen. Wenn zu viele Hunde im Heim seien, brächten die Mitarbeiter die Tiere dort regelmäßig um. Für Raya hofft Mangold deshalb, noch einen Platz in Deutschland zu finden. Sie sei „eine treue Seele von Hund“, berichteten ihr die Ehrenamtler aus Bulgarien. Allerdings mache ihr noch zu schaffen, dass sie seit kurzer Zeit ein Bein weniger hat. Ihr fehle derzeit die Kraft. „Ich hoffe, dass wir sie nach Deutschland bekommen“, sagt Mangold.