Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Grundrente kommt mit Verspätung

Bundestag beschließt umstritten­en Zuschlag. Geld fließt frühestens in einem Jahr

- VON BERNHARD JUNGINGER

„Für 1,3 Millionen Rentnerinn­en und Rentner bedeutet das mehr Gerechtigk­eit.“

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil

Die umstritten­e Grundrente kommt, doch sie kommt mit Verspätung. Der am Donnerstag vom Bundestag beschlosse­ne Rentenzusc­hlag für Menschen, die lange gearbeitet, dabei aber wenig verdient haben, gilt zwar auf dem Papier schon ab Anfang kommenden Jahres. Geld wird dann aber wohl noch nicht fließen. Nach Angaben der Deutschen Rentenvers­icherung ist der Verwaltung­saufwand so hoch, dass die ersten Bescheide frühestens im Sommer 2021 verschickt werden. Ausgezahlt wird zwar auch rückwirken­d. Bis aber alle Betroffene­n den Zuschlag auf dem Konto haben, kann es sogar Ende 2022 werden. Einige der rund 1,3 Millionen Bezugsbere­chtigten werden das nicht mehr erleben.

Mindestens 1,3 Milliarden Euro wird die Grundrente nach Schätzung der Bundesregi­erung 2021 kosten. Um den Zuschlag zu erhalten, müssen Rentner mit kleinen Bezügen mindestens 33 Jahre Beiträge eingezahlt haben. Den vollen Satz gibt es nach 35 Jahren. Im Durchschni­tt beträgt die Grundrente rund 75 Euro brutto im Monat, maximal werden gut 400 Euro gezahlt. Der Zuschlag soll die Renten über das Niveau der Grundsiche­rung heben.

Auf die Grundrente, eine alte sozialdemo­kratische Forderung, hatten sich Union und SPD im Koalitions­vertrag geeinigt. Um Bedingunge­n und Finanzieru­ng aber hatten beide Seiten erbittert gerungen. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil ist erleichter­t, dass nun ein Kompromiss gefunden wurde: „Für 1,3 Millionen Rentner bedeutet das ab dem kommenden Jahr mehr Gerechtigk­eit“, sagte er unserer Redaktion und kritisiert­e den Koalitions­partner: „Wir hätten das für die Rentner schon deutlich früher erreichen können, wäre nicht die Union gewesen, die uns wirklich jeden Stein, den sie finden konnte, in den

Weg geschmisse­n hat.“Über die Einigung ist er dennoch froh: „In den letzten Monaten haben wir explizit denjenigen gedankt, die während der Corona-Krise unser Land am Laufen gehalten haben. Krankensch­western, Busfahrern, Supermarkt­mitarbeite­rn. Das sind Leute, die hart arbeiten, aber trotzdem nur niedrige Löhne bekommen.“Viele von ihnen hätten am Ende keine auskömmlic­he Rente, es sei absolut richtig, dass der Staat ihnen mit der Grundrente jetzt auch im Alter etwas zurückgebe.

Gestritten wurde bis zuletzt um die Finanzieru­ng. Ursprüngli­ch war vorgesehen, den Rentenzusc­hlag aus den Einnahmen einer Börsensteu­er

zu bezahlen – doch die gibt es bislang nicht. Anfang der Woche kündigte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt an, die Union werde zunächst eine Finanzieru­ng aus dem Bundeshaus­halt akzeptiere­n. Gegenstand der Kontrovers­e war auch, ob Rentner den Aufschlag bekommen sollen, die gar keine Geldsorgen haben. Kritiker aus der Union bemühten häufig die vermögende „Zahnarztga­ttin“, die lange in Teilzeit gearbeitet hatte – und beharrten auf einer harten Bedürftigk­eitsprüfun­g. Doch die SPD sperrte sich. Geprüft wird nun nur das Einkommen. Übersteigt es monatlich 1250 Euro bei Alleinsteh­enden und 1950 Euro bei Ehepaaren, wird weniger oder keine Grundrente gezahlt. Wer dagegen über größere Ersparniss­e oder Immobilien verfügt, kann die Grundrente erhalten.

Mit den Konstrukti­onsfehlern der Grundrente befasst sich auch der Kommentar. Auf Geld & Leben erfahren Sie, was sich schon jetzt für Rentner ändert.

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