Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Mann, der uns zum Malen brachte
Bob Ross hatte eine Stimme zum Einschlafen. Und seine kitschigen Ölbilder waren alles andere als große Kunst. Und doch lieben Millionen den TV-Maler, der vor 25 Jahren starb
Berlin Selbst Hypnotiseure könnten bei diesem Mann noch etwas lernen. Akribisch tüncht Bob Ross die Leinwand in Himmelblau ein, während er in amerikanischem Englisch in die Fernsehkamera raunt: „Heute malen wir eine ganz einfache Szene. Ich hoffe, Sie mögen es.“
Auf das Himmelblau pinselt er ein Mitternachtsblau. Dann wieder dieser beruhigende Bass: „Wir beginnen in der Ecke. Vielleicht ist es in unserer Welt eine einfache, fröhliche Wolke, die hier lebt.“Kenner der Materie wissen: Am Ende des halbstündigen Echtzeit-Malens wird dieses Bild richtig, richtig kitschig aussehen. Aber im besten Fall ist man da schon eingeschlafen. Die Sendungen mit dem Mann, der uns zeigte, dass ein kleiner Künstler in jedem von uns steckt, laufen noch immer – in Deutschland auf ARDalpha. Viele seiner Zuschauer wissen gar nicht, dass Bob Ross schon seit 25 Jahren tot ist. Der nette Amerikaner, der am 4. Juli 1995 starb, hinterließ 30 000 Bilder.
Seine dunkle Afrofrisur und ein
Zentimeter breiter Pinsel sind die optischen Markenzeichen von Bob Ross. Allein seiner Stimme aber ist es wohl zu verdanken, dass sein TV-Malkurs „The Joy of Painting“Millionen Fans auf der Welt hat. In Deutschland läuft das Format auf ARD-alpha – eines der bekanntesten Formate des Senders.
1983 begann Bob Ross seine TVKarriere. Zu einer Zeit, in der sich weltweit Künstler anschickten, die Welt zu dekonstruieren. Christo verhüllte damals ganze Inseln. Georg Baselitz stellte in seinen Bildern alles auf den Kopf. Bob Ross hingegen feierte mit einer konsequenten Retrowelle Erfolge. Naive Flusslandschaften, Gebirgspanoramen, Wolken, immer wieder Wolken.
ARD-alpha strahlt Bob Ross oft nachts aus und belässt den Originalton. Seit 2001 liefen 17 Staffeln mit 221 Folgen. Allein die erste im Programm gezeigte Staffel von „Bob Ross – The Joy of Painting“lief bis heute 46 Mal. „Nicht nur die Maltechnik, auch die sanfte Stimme des Malers, die Geräusche des Pinsels und das Kratzen des Spachtels auf der Leinwand tragen zu diesem Erfolg bei. Sie bauen Stress ab und beruhigen“, sagt Andreas Bente, Programmbereichsleiter beim BR Fernsehen für ARD-alpha. „Das ist bestes Slow-TV.“Zum Todestag am Samstag zeigt der Spartensender gleich mehrere Folgen.
Statistiker haben berechnet, dass auf 91 Prozent der Bilder mindestens ein Baum auftaucht, auf 20 Prozent eine Sonne und nur auf zwei Prozent Palmen. In die großen Museen der Welt schaffte es keines von Ross’ Bildern. Im New Yorker Kabelnetz folgte auf sein Format zeitweise die Reihe „Quilts in nur einem Tag steppen“.
Ob es Bob Ross störte? „Wenn ich etwas male, möchte ich nicht erst erklären müssen, was es ist“, ist so ein typisches Zitat des Landschaftsfreunds aus Florida, der mit dichtem Bart und Riesenlocken aussah wie ein verkrachter Kleinstadt-Kunstlehrer. Jedoch schuf der TV-Maler ein Imperium mit Millionen-Umsätzen. Von Büchern bis zu Farbtufünf ben ist alles zu haben. Man muss Ross nicht nur zugutehalten, dass er für ein sehr frohes Menschenbild eintrat. Er sah sich auch selbst nicht als großer Künstler. Als die New York Times ihm 1991 eine Geschichte widmete, hatte er bis dahin trotz gewaltiger Fangemeinde nur ein einziges Mal seine Bilder ausgestellt. Die Zeitung verglich sein Wispern mit Demerol, dem Schlafmittel von Michael Jackson. Ross gab sich bescheiden: „Es gibt Tausende sehr, sehr talentierte Künstler, die nicht mal nach ihrem Tod bekannt werden. Die meisten Künstler wünschen sich Anerkennung, besonders bei der Fachwelt. Ich habe schon so lange meine Sendung. Mehr brauche ich nicht.“
Ross war 52, als der Krebs stärker war als er. Viele machte er noch über seinen Tod hinaus glücklich. Sein Produzent James Needham sagt: „Wir bekommen sogar Briefe von Blinden, die die Sendung einschalten. Sie schreiben, Bob Ross gebe ihnen Hoffnung.“
Christof Bock, dpa