Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum der Sport Angst hat, übersehen zu werden
Das städtische Doppelreferat aus Sport und Kultur stößt bei den Vereinen auf wenig Gegenliebe. Ein bekannter CSU-Politiker soll in die Bresche springen
Es könnte ein Konkurrenzkampf unter ungleichen Bedingungen werden: Die Zusammenlegung der Themen Sport und Kultur in einem Referat sorgte von Beginn an für Verunsicherung – vor allem bei Augsburgs Sportfunktionären. Seit klar ist, wer das Doppelreferat übernimmt, hat sich dieses Gefühl noch verstärkt. Denn Jürgen Enninger, der ab Oktober als Referent für beide Bereiche zuständig sein wird, gilt zwar als ausgewiesener Kulturfachmann. Im Sport fehlt ihm bislang aber jegliche Expertise. Entsprechend alarmiert sind die Sportfunktionäre: „Aus unserer Sicht wird das so laufen: Hundert Prozent Kultur, Null Prozent Sport“, bringt einer seine Kritik am Doppelreferat auf den Punkt.
Die personelle Entscheidung für einen Referenten ohne einschlägige Erfahrung ist nur eine von vielen, die den Sport aus Sicht seiner Aktiven zur Nebensache in der städtischen Verwaltung degradiert. Eine weitere ist die Besetzung des Sport„KuSpo“ amtes: Als dessen langjähriger Leiter Robert Zenner 2019 in den Ruhestand ging, übernahmen zwei Juristinnen in Teilzeit seine Aufgaben. In Fragen der Verwaltung und Rechtssprechung hätten sie sicherlich Erfahrung, heißt es. Die vielen anderen Probleme, die die Vereine beschäftigen, nähmen die Amtsleiterinnen aber kaum wahr.
Die Vereine vermissen außerdem ein gewisses Engagement: Seit dem Weggang Zenners sei Augsburg bei keiner der bundesweiten Sportamtsleiter-Tagungen mehr vertreten gewesen.
Die Kombination von Sport und Kultur ist nicht neu. Es gibt sie in mehreren Kommunen, auch Augsburg hatte unter der Ära Peter Grab ein entsprechendes Referat. Seine Vorstellung war jedoch eine andere: Grab wollte Kultur und Sport nicht nur organisatorisch vereint wissen, er wollte gemeinsame Projekte von Aktiven beider Seiten etablieren. Sein Plan,
zum Erfolgskonzept zu entwickeln, scheiterte. Der neue Referent, Jürgen Enninger, will solche Versuche erst gar nicht unternehmen: „Wenn Menschen in ihrem Bereich motiviert Dinge tun und man sie dann dazu bewegen will, dies gemeinsam mit anderen zu machen, geht das meist nicht gut“, kommentiert er den Augsburger KuSpo-Versuch.
Enninger ist noch gar nicht im Amt, da fragen sich manche hinter vorgehaltener Hand bereits, warum die schwarz-grüne
Regierung nicht den bisherigen Kulturreferenten Thomas Weitzel im Amt beließ. Auch er hatte keine Expertise im Sport, kannte aber wenigstens die Augsburger Befindlichkeiten, heißt es. Doch die neue Oberbürgermeisterin Eva Weber hatte wohl ihre Gründe. Einer könnte sein, dass Weitzel – wie zuvor fast jeder Kulturreferent der letzten 20 Jahre – den Draht zu großen Teilen der freien Kulturszene verloren hatte. Seit Jahren befürchten hier viele, hinter den Belangen des
Theaters mit knapp 400 Mitarbeitern zurückstehen zu müssen. Die hohen Investitionen in die Sanierung des Theaters hat diese Ängste weiter geschürt. Enninger darf deshalb auch als Versprechen für die freien Kulturschaffenden gesehen werden: Er soll diesen Bereich stärker vertreten. Ein Schwerpunkt der Kulturpolitik bis 2026 wird die Entwicklung des Gaswerk-Areals zum Kreativquartier sein. Die freie Szene spielt in diesem Prozess eine wesentliche Rolle.
Den Sportlern wiederum macht auch das Sorgen. Denn im Vergleich zu vielen ehrenamtlichen Sportvereinsvorsitzenden seien die meisten Kulturschaffenden Profis, da sie von ihrem Engagement in der Kunst leben und sich entsprechend positionieren könnten, heißt es. Den Sportakteuren fehle es teils an Erfahrung, weshalb sie in der Politik für ihre Belange oft nicht so professionell einzutreten vermögen. Als der Sport noch im Ordnungsreferat angesiedelt war, sagen Kenner, habe es kaum Konkurrenz
gegeben. Die Strukturen beider Bereiche waren zu verschieden.
Um die Sportakteure zu beruhigen, will die Stadtregierung neben dem Referenten offenbar eine zweite Person als Ansprechpartner ins Rennen schicken: Es ist der ehemalige CSU-Fraktionsvorsitzende Bernd Kränzle, der seit dieser Amtszeit Augsburgs dritter Bürgermeister ist. Als Vizepräsident des Bayerischen Landessportverbandes ist Kränzle bestens in der Sportwelt vernetzt, die Verbindungen zur bayerischen Staatsregierung sind aufgrund seiner Zeit als Staatssekretär noch immer gut. Kränzle soll Referent Enninger unterstützen und dabei auch Bindeglied zwischen Verwaltung und Sportvereinen sein. Seine Expertise zweifelt in deren Reihen niemand an. Kränzle aber, heißt es, sei eher Einzelkämpfer als einer, der die Menschen an einen Tisch bringt.
Wenn Jürgen Enninger im Oktober sein Amt antritt, wird er seine Kraft zunächst wohl stärker in den Sport als in die Kultur investieren müssen. Nicht nur, weil er hier fachlich aufholen muss, sondern auch, um die Aktiven davon zu überzeugen, dass er es ernst meint mit der Gleichberechtigung beider Themen.
Der neue Referent steht der Kultur fachlich näher