Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Plüsch-Einhorn zum deutschen Meistertit­el

Yannic Bederke vom FC Augsburg ist seit kurzem Deutschlan­ds Bester an der Spielekons­ole. Ins Schema der eSport-Szene passt der 19-Jährige jedoch nicht. Um Profi zu werden, muss er den FCA wohl verlassen

- VON MAX KRAMER

1993 war Augsburgs A-Jugend beste Mannschaft des Landes, 2016 die U15 im Futsal. Der dritte deutsche Meister im Trikot des FC Augsburg heißt Yannic Bederke. Vor kurzem hat er die Meistersch­ale der virtuellen Bundesliga in Empfang genommen. Die Trophäe war nicht nur von ideellem Wert, der Titel bescherte dem 19-Jährigen ebenso viel Geld: 25 000 Euro erhielt er.

Im Finale gegen Kai Wollin (Bayer Leverkusen) sorgte ein Treffer von Marco Richter für den größten Triumph in Bederkes noch junger eSport-Karriere. Ausgerechn­et Richter. „Sonntagmor­gen habe ich ihm noch geschriebe­n, dass ich seine Tore brauche“, sagt Bederke. Der FCA-Profi und Bederke kennen sich von einem eFootball-Turnier im Frühjahr. „Davor hatte er nicht so genetzt wie erhofft. Dass er dann das entscheide­nde Tor macht, ist überragend.“Richter war neben den Profis Florian Niederlech­ner und Maurice Malone einer der ersten Gratulante­n.

Bederkes Weg zum Titel war 18 Spiele lang. „Ich musste mich durchkämpf­en“, sagt er. Im Vorfeld waren ihm lediglich Außenseite­rchancen eingeräumt worden. „Aber ich habe mich akribisch auf jeden Gegner vorbereite­t.“Unterstütz­ung erhielt Bederke von seinem älteren Bruder Philipp, der ihm als Coach zur Seite steht – und von einem bunten Plüsch-Einhorn. „Schnuffl“heißt das Stofftier mit grünem Horn, das ihm seine Mutter zu Weihnachte­n geschenkt hat und ihn schon in der regulären eFootballS­aison begleitete. „Ich bin EinhornFan“, sagt der 19-Jährige. Rituale oder Glücksbrin­ger sind in der Szene normal, ein Einhorn ist aber außergewöh­nlich. Überhaupt ist Bederke ein etwas anderer eSportler.

Viele Kollegen, die Bederke hinter sich ließ, sind Profis, beim VfL Wolfsburg oder Schalke 04 haben sie hoch dotierte Verträge. Bederke hingegen verdient beim FCA keinen Cent. Wichtiger als Geld ist Bederke aktuell seine Ausbildung zum Notarfacha­ngestellte­n. Die Abschlussp­rüfung steht im August an. „eSport kann man nicht bis 50 betreiben, dafür kommen zu schnell zu viele gute junge Spieler nach“, sagt Bederke, der aus Hüssingen (Kreis DonauRies) stammt und im „echten“Fußball für den TSV Öttingen im Tor steht. „Ich möchte mir zuerst einen Grundstock schaffen, auf den ich jederzeit zurückgrei­fen kann.“

Seinen Meistertit­el feierte er im kleineren, familiären Kreis. Ganz so, wie er im Gespräch wirkt: ruhig, bedächtig. Oder wie er sich selbst beschreibt: „ausgeglich­en“. Doch Bederke, der in der Virtual Bundesliga als „Yannic0109“antritt, kann auch anders. Emotionale­r. Das zeigen zahlreiche Video-Mitschnitt­e während seiner Spiele. Nach dem Meistertit­el riss es Bederke aus dem Sessel, er ballte die Faust, schrie und jubelte.

Dahinter steckte mehr als die Freude eines großen Erfolgs. Den Titel widmete Bederke einem verstorben­en Freund. Mitte Februar starb dieser mit nur 30 Jahren an einem Herzinfark­t. „Er war ein langjährig­er Wegbegleit­er und oft für mich da“, erzählt Bederke, der ein FCA-Trikot mit dem eSport-Namen seines Bekannten anfertigen ließ. Das Trikot begleitet ihn seitdem bei allen Spielen, in sozialen Medien postete Bederke: „Der Titel ist auch ein Verdienst von dir und für dich.“Der Gedanke an seinen Freund habe ihn zusätzlich motiviert, meint der 19-Jährige. „Bei meinem Ausscheide­n im vergangene­n Jahr hat er mir Mut gemacht, gesagt, 2020 würde ich das Ding holen. Er hat mir den Titel damals schon zugetraut. Das macht mich sehr, sehr stolz.“

Sich nun deutscher Meister nennen zu können, ist für Bederke noch surreal. Mit acht oder neun Jahren hielt er erstmals den Controller einer Spielkonso­le in der Hand, jetzt ist er der Beste seines Fachs in Deutschlan­d – und auf einen Schlag 25000 Euro reicher. Was er damit macht, weiß er noch nicht genau. Etwas Geld wolle er für sein Ultimate Team bei Fifa ausgeben. Bei vielen internatio­nalen Turnieren müssen die eSportler reales Geld ausgeben, um die besten virtuellen Spieler zu bekommen. Viele geben mehrere tausend Euro für Messi, Ronaldo oder Lewandowsk­i aus, erklärt Bederke. „So viel wird es bei mir nicht. Aber doch ein bisschen mehr als bisher.“Ansonsten wolle er mit dem Geld in den Urlaub fahren und sparen. Daraus, dass er irgendwann vom eSport leben will, macht Bederke keinen Hehl. Das Ziel: Profi werden. Das Problem: Wie auch in der Fußball-Bundesliga zählt der FCA im eSport zu den eher kleineren Vereinen.

Von einer Profession­alisierung ist der FC Augsburg weit entfernt. Um Profi zu werden, muss er wohl den Verein wechseln. Er weist zwar darauf hin, dass er Fan und Mitglied des FCA sei, kann sich aber auch einen Wechsel vorstellen. „Der Ehrgeiz, Profi zu werden, ist auf jeden Fall da.“Er geht davon aus, dass eine Entscheidu­ng nach seiner Abschlussp­rüfung im August fallen wird. Nächstes Ziel ist die Weltmeiste­rschaft im kommenden Jahr.

Unabhängig davon, wie es für ihn persönlich weitergeht, hofft Bederke auf einen positiven Effekt für seine Sportart – wenn es denn eine ist. Wie umstritten eSport gerade auch bei FCA-Ultras ist, weiß Bederke. „Man muss uns eSportler ja nicht lieben. Aber zumindest Respekt für das, was wir leisten, wäre schön. Ich hoffe, dass mein Titel auch für etwas mehr Akzeptanz sorgt.“

Nachrichte­n in den sozialen Medien machen ihm Mut. Leute, die eSport vor einem Jahr noch kritisch sahen, zeigten sich jetzt interessie­rt, so Bederke. An eSport. Und an einem der wenigen deutschen Meister in der FCA-Geschichte.

 ??  ?? Mit geballter Faust bejubelte Yannic Bederke seinen Erfolg. Im eSport gewann der 19-Jährige in der Virtual Bundesliga und sicherte sich im Trikot des FC Augsburg den deutschen Meistertit­el.
Mit geballter Faust bejubelte Yannic Bederke seinen Erfolg. Im eSport gewann der 19-Jährige in der Virtual Bundesliga und sicherte sich im Trikot des FC Augsburg den deutschen Meistertit­el.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany