Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf der Route 66 durch Augsburg

Mojo Six feiern im Annahof die Größen des Blues und das Leben

- VON SEBASTIAN KRAUS

Nach einer guten Stunde war die These widerlegt, der gute alte Blues sei die ehrlichste Form der Musik. „Everyday I have the Blues“singt Adi Weidenbach­er im alten Bluesstand­ard der Sparks Brothers und grinst dabei, als hätte ihn am Morgen die Glücksfee höchstpers­önlich wach geküsst. Beim Flunkern hat man ihn da erwischt, er ist nämlich gar nicht traurig, im Gegenteil. Auch den fünf anderen Musikern der Augsburger Blues- und Boogiederw­ische der Mojo Six kann es so schlecht nicht gehen, sonst würden sie nicht mit so viel Spaß in den Backen Klassiker wie Jimmy Reeds „You got me running“oder „Route 66“von Bobby Troup in den dank der entspannte­ren Auflagen deutlich besser als noch vor einer Woche gefüllten Annahof pusten.

Das überträgt sich auf das Publikum, das aufgrund der Gefahr des erhöhten Aerosolaus­stoßes immer noch auf das Tanzen vor der Bühne verzichten muss. Doch das kann durch begeistert­es Mitsingen kompensier­t werden oder durch die hohe Kunst des Stuhltanze­s, der ungefähr so aussieht, als würde man auf einer heißen Herdplatte sitzen und dabei einem Schwarm Hornissen ausweichen.

„Route 66“ist überhaupt ein

Song, der wie gemacht ist für dieses vom Jazzclub veranstalt­ete Konzert im Rahmen der Sommerbühn­e. Es ist ein gut nach vorne gehender, allseits geschätzte­r Hit, der in der warmen Abendsonne die Sehnsucht nach dem Unterwegss­ein weckt. Angeblich führt dieser Highway von Chicago quer durch die Staaten bis nach Santa Monica, doch da täuschen sich die bekannten Kartendien­ste, denn in Wahrheit geht die Route von Weidenbach­ers Kiez, dem Jakobsvier­tel, bis nach Bergheim.

Dort packte früher am Freitag Josef Holzhauser seine Gitarre aus, um wenige Stunden später dem nach Livemusik lechzenden Publikum vor Augen zu führen, dass auch die Fuggerstad­t einen Eric Clapton hervorbrin­gen kann.

Dessen Spitznamen „Slowhand“machte Holzhauser vor allem bei den lang gehaltenen und sauber gezogenen Tönen in langsamen Bluesstand­ards alle Ehre. Schnell spielen kann er ebenfalls, und selbst während eines Solos kurz eine Saite nachzustim­men, ohne einen schiefen Ton zu produziere­n, ist für das Gitarrenur­gestein ein Leichtes.

Auf dem Weg nach Bergheim läuft die Route 66 noch an vier weiteren neuralgisc­hen Punkten entlang. Aus Oberhausen bringt Stephan Holstein am Altsaxofon seine melancholi­schen „So ist das Leben“-Soli und den warmen Holzklang seiner klagenden und tröstenden Klarinette mit. Und in der Firnhabera­u erlernte in einer verborgene­n Honky-Tonk-Bar Pianist Daniel Eberhard an Jazzpiano und Schweineor­gel das ABC der traditione­llen nordamerik­anischen Musik. Über Schlagzeug­er Walter Bittner muss man keine Worte mehr verlieren, er brachte vor langer Zeit vom Rhein den Beat zum Pfannensti­el und freut sich sichtlich, mit den Mojos einfach mal ganz gerade Grooves zu spielen. Und im Domviertel schenkte Papa Schmid seinem Sohn Daniel vor vielen Jahren mal einen schicken Anzug, um ihn auf seine Bankberate­rkarriere vorzuberei­ten. Den Anzug hat er behalten, doch anstatt Sparkonten zu eröffnen, wurde er lieber überragend­er Frontmann mit Bass.

So kamen die sechs zusammen, um den Größen des Blues zu huldigen und das Leben zu feiern. Der Annahof dankte es ihnen mit ehrlichem Jubel.

 ?? Foto: Mercan Fröhlich ?? Drei von sechs: Stephan Holstein, Adi Weidenbach­er und Daniel Schmid (von links) beim Auftritt von Mojo Six im Annahof.
Foto: Mercan Fröhlich Drei von sechs: Stephan Holstein, Adi Weidenbach­er und Daniel Schmid (von links) beim Auftritt von Mojo Six im Annahof.

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