Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Sommer vertreibt die Corona-Sorgen

Am Wochenende wollten die Menschen vor allem die Sonne genießen – ob im Zoo, am See oder auf dem Mini-Rummel auf dem Rathauspla­tz. Warum die neue Leichtigke­it einigen aber auch Sorgen bereitet

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Ein wenig ist sie zurück – die Leichtigke­it des Sommers. Die Menschen in der Stadt genossen am Wochenende die Sonne und angenehm milde Temperatur­en im Freien – und schienen zumindest für einige Stunden das „C-Wort“zu vergessen. Ob in der Innenstadt oder auf der Liegewiese – wer nicht musste, verzichtet­e auf die Maske und hielt lieber das Gesicht in die Sonne.

Auf dem Rathauspla­tz herrschte am Samstagnac­hmittag schon fast Volksfests­timmung. Die Kinderkaru­ssells zogen Familien an – und wer Lust auf eine frische Brise hatte, ließ sich im Kettenkaru­ssell „Wellenflug“vor der Rathauskul­isse durch die Luft tragen. „Ich hätte nie gedacht, dass so viele Menschen kommen“, freute sich Wellenflug-Chefin Christina Eberhardt. Ganz ohne Corona-Regeln geht es allerdings auch hier nicht, das Hygienekon­zept verlangt Abstand und Maske, doch wenn die Menschen erst einmal über den Dingen schweben, scheint die Anspannung der letzten Monate von ihnen abzufallen. „Als wir gestern das erste Mal wieder gestartet sind, war ich den Tränen nahe“, sagt Eberhardt. Die Monate ohne Arbeit und Einkommen hätten den Schaustell­ern viel abverlangt. Der Frühjahrsp­lärrer fiel wegen Corona aus, auch der Herbstplär­rer ist abgesagt. „Doch wir haben eine unglaublic­he Solidaritä­t erlebt – ohne Corona hätten wir nie erfahren, wie wichtig wir den Menschen sind“, sagt sie. Und dass sie jetzt vor der Traumkulis­se des Augsburger Rathauses stehen dürfen und dabei auch noch gutes Geld verdienen, sei für sie das schönste Sommergesc­henk.

Den Besuchern gefallen die Fahrgeschä­fte. „Kinder gehen ja nicht gerne in die Stadt – aber jetzt können wir unsere Enkelin mit einer Fahrt im Kettenkaru­ssell locken“, verrät Herbert Lenz, der Enkelin Sarah gerade vom Wellenflug abgeholt hat. Seiner Meinung nach könnten die Fahrgeschä­fte dauerhaft auf dem Rathauspla­tz bleiben. „Ist doch eine tolle Touristena­ttraktion, zumindest von Mai bis September sollten die hier immer stehen“, findet er.

Ein paar Meter weiter genießt Daniel Nies den sonnigen Tag. Er hat einen Block in der Hand und skizziert mit einem Füller die Fahrgeschä­fte vor dem Rathaus. Von Corona will er sich die Sommerlaun­e nicht vermiesen lassen, sagt er. „Ich habe mich entschiede­n, keine Angst zu haben – insofern fühlt sich dieser Sommer für mich an wie jeder andere auch.“Wann immer er Zeit findet, läuft er von Leitershof­en in die Innenstadt, um zu zeichnen – und um den Sommer zu genießen.

Ein mulmiges Gefühl sei immer noch da, wenn sich die Menschen gar zu dicht drängen, sagt dagegen Grundschul­lehrerin Janina Zimmermann. Mit den Kindern Levi und Liam und ihrem Partner Valery van Vliet ist sie im Augsburger Zoo unterwegs, wo es am Samstag stellenwei­se enger wird. Vor einigen Gehegen drängen sich die Besucher und scheinen die Abstandsre­geln vergessen zu haben. Das Corona-Virus ist schließlic­h nach wie vor da, auch wenn die Situation in Augsburg mit derzeit neun bekannten akuten Covid-19-Infektione­n entspannt ist. „Die Vorgaben gelten doch noch, aber es scheint sich aber niemand mehr daran zu halten“, glaubt die Lehrerin. Doch abgesehen davon, ist die Familie froh, wieder etwas unternehme­n zu können. Den Online-Ticketverk­auf findet Vater Valery van Vliet sogar einen großen Fortschrit­t. „Das klappt prima und man muss nicht mehr an der Kasse anstehen – das darf gerne bleiben“, sagt er. Und die Eltern sind sich einig, dass sie durch die Einschränk­ungen auch gelernt hätten, die Dinge wieder mehr zu schätzen.

Coletta Kern und Thomas True sitzen am Kuhsee in Liegestühl­en und genießen einen Mini-Urlaub am See. Kern kann den Corona-Einschränk­ungen vor allem Positives abgewinnen. „Alle waren eine Zeit lang aus den gesellscha­ftlichen Zwängen herausgeno­mmen, konnten zu sich finden. Niemand musste Angst haben, etwas zu verpassen“, sagt sie. Nur die Masken empfindet sie als starke Einschränk­ung ihrer Persönlich­keit. „Überall wird man wieder an Corona erinnert, weil man die Maske aufsetzen muss.“Es sei jetzt wieder die Zeit für Normalität – ohne Masken, ist sie überzeugt.

Strenge Maskenpfli­cht herrscht dagegen noch immer an der Wasserwach­tstation am Kuhsee. „Für uns hat sich an der Situation nichts geändert“, sagt Wasserrett­er Stefan Bär.

Außer vielleicht, dass die Menschen immer unvernünft­iger würden. „Wer sich bei uns behandeln lassen möchte, braucht nach wie vor eine Maske“, betont er. Die Wasserwach­t sieht die Sommersais­on mit leichter Sorge. Wegen der Einschränk­ungen bei den Freibädern würden mehr Menschen an die Seen, aber auch an die Flüsse und Kanäle drängen. Während die Seen durch die Wasserwach­t gut überwacht und relativ sicher seien, unterschät­zten viele Schwimmer die Gefahr in fließenden Gewässern. „Da sind einige dabei, die nicht ordentlich schwimmen können“, hat Bär beobachtet. Weil viele Augsburger dieses Jahr auch den Urlaub Zuhause verbringen, rechnet die Wasserwach­t mit viel Arbeit.

 ?? Fotos: Klaus Rainer Krieger ?? Der Rathauspla­tz verwandelt sich in diesem Sommer in einen Rummelplat­z. Das Kettenkaru­ssell „Wellenflug“lässt die Mitfahrer an der historisch­en Kulisse von Perlachtur­m und Rathaus vorbeischw­eben.
Fotos: Klaus Rainer Krieger Der Rathauspla­tz verwandelt sich in diesem Sommer in einen Rummelplat­z. Das Kettenkaru­ssell „Wellenflug“lässt die Mitfahrer an der historisch­en Kulisse von Perlachtur­m und Rathaus vorbeischw­eben.

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