Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Krankenpfleger fühlen sich im Stich gelassen
Kein Corona-Bonus für Klinikpersonal: Opposition und SPD beklagen Ungerechtigkeit
Berlin Gut ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Epidemie wächst unter den deutschen Krankenpflegern der Unmut über die Politik. Jüngster Anlass ist der sogenannte Pflegebonus, der nur in wenigen Bundesländern wie Bayern und Schleswig-Holstein auch für Klinikpersonal ausbezahlt wird, bundesweit aber nur für Mitarbeiter der Altenpflege gilt. Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Büchler forderte Bund und Länder daher auf, für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen und in Sozialeinrichtungen wie der Behindertenhilfe den Bonus von bis zu 1500 Euro zu zahlen.
Auch aus der Opposition und der SPD-Fraktion wächst der Druck auf die Bundesregierung. So fordern auch die Grünen, die Corona-Prämie im Gesundheitsbereich auszuzahlen: „Man kann den Menschen nicht erklären, warum die Bundesregierung nur in der Langzeitpflege den sogenannten Pflegebonus zahlen will“, sagt die pflegepolitische Sprecherin Kordula Schulz-Asche. „In der Pandemie sind diese Menschen einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt und riskieren ihre eigene Gesundheit, um die Gesundheit anderer Menschen zu fördern.“
Die Linke warf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor, sie hätten nach Eindämmung der ersten Corona-Welle „ihre vollmundigen Versprechen einer Pflegeprämie für alle Beschäftigten, die mit Kranken und Pflegebedürftigen arbeiten, wieder kassiert“, wie der Pflegeexperte der Fraktion, Harald Weinberg, sagte. „Enttäuschung und Ärger in der Kranken- und Behindertenpflege sind mehr als verständlich“, betonte er und sprach von einem schäbigen Verhalten. „Es ist ein Bärendienst für die Aufwertung der Pflegeberufe und den Kampf gegen den Fachkräftemangel, die die Minister gerne als Ziele vor sich hertragen. Sie spalten die Berufsgruppe und stoßen den von der Prämie ausgeschlossenen Teil auf beschämende Weise vor den Kopf.“
Auch in der SPD herrscht Unmut. „Die Betroffenen empfinden es zu Recht als ungerecht, dass der Pflegebonus nicht in der Krankenpflege ankommt“, sagte der SPDGesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Redaktion. „Gerade die Mitarbeiter in der Krankenpflege haben ein großes Risiko getragen und leisten einen wesentlichen Beitrag in der Pandemiebekämpfung.“
Lauterbach forderte die Bundesregierung zu einen Pflegegipfel auf, um grundsätzlich die Situation der Krankenpflege zu verbessern. „Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch
Lauterbach pocht auf Pflegegipfel
noch mal über den Pflegebonus reden“, sagte er. „Wir brauchen einen Pflegegipfel aus Politik und den Tarifpartnern mit dem Ziel, wie wir die Pflege im Vergleich zu anderen Berufen im Gesundheitssystem überproportional besser vergüten können“, sagte Lauterbach. Gerade an der Pflege entscheide sich, ob Deutschland die weltweit beneidete Qualität seines Gesundheitssystems auch in Zukunft aufrechterhalten könne. Dies werde nur mit besserer Bezahlung in der Pflege gelingen.
Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) verweist auf die Kliniken: „Ich würde mich freuen, wenn die Beschäftigten der Krankenhäuser, die durch Covid-19 besonders belastet waren oder sind, von ihren Arbeitgebern auch eine monetäre Anerkennung erhielten.“In der Corona-Krise sei die Situation in den Klinken bislang sehr unterschiedlich. „Den Belastungsgrad können dort die Arbeitgeber am besten beurteilen“, sagte Nüßlein.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar und ein Interview mit Verdi-Expertin Sylvia Büchler in der Politik.