Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bei Premium Aerotec ist das Entsetzen groß
In Augsburg wackeln bei dem Luftfahrt-Zulieferer 1000 Stellen, auch die norddeutschen Standorte sind massiv betroffen. Arbeitnehmervertreter halten die Pläne für überzogen. Wie es jetzt weitergeht und wie Aiwanger helfen will
Augsburg Für die Beschäftigten des Flugzeugteileherstellers Premium Aerotec ist es ein bitterer Wochenstart. Sie müssen um ihre Arbeitsplätze bangen. „Die Betroffenheit im gesamten Werk ist groß“, sagt Betriebsratschef Sebastian Kunzendorf. „Es gibt Angst und Unsicherheit am gesamten Standort.“Der Airbus-Mutterkonzern hat angekündigt, die Produktion von Flugzeugen im Zuge der Corona-Krise um 40 Prozent zu senken. Jetzt steht fest, wie sich dies auf die einzelnen Werke von Premium Aerotec auswirken könnte: Im Werk Augsburg mit seinen rund 3500 Beschäftigten ist mit rund 1000 Stellen fast jeder dritte Job bedroht.
Da Airbus weniger Flugzeuge herstellt, ist die Produktion bei Premium Aerotec weniger ausgelastet. In dem Unternehmen steht deshalb eine große Zahl der rund 9000 Stellen
auf der Kippe: Die deutschen Standorte von Premium-Aerotec stünden aufgrund des von Airbus angekündigten Corona-bedingten Einbruchs der Produktion vor „einer notwendigen Kapazitätsanpassung in der Größenordnung von 2800 Beschäftigten“, teilt das Unternehmen mit. Seit Montag steht fest, wie sehr es die einzelnen Standorte treffen könnte: In Augsburg sind die genannten 1000 Stellen bedroht. Im niedersächsischen Nor
stehen 1100 von 2900 Jobs auf der Kippe, in Varel 540 von 1500 und in Bremen 160 von 420.
Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm zeigte sich selbst unglücklich darüber: „Wir bedauern diese Entwicklung und hätten sie gerne vermieden“, sagte er kürzlich. „Die Premium-Aerotec-Geschäftsführung wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die notwendige Anpassung der Beschäftigung in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern so sozial wie möglich zu gestalten“, versprach Ehm. Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek ist trotzdem entsetzt: „Ich halte die genannten Zahlen für überzogen“, sagt er. „Es ist nicht vernünftig, die Mitarbeiter mit derart hohen Abbauzahlen zu erschrecken.“Zum Hintergrund muss man wissen, dass der Mutterkonzern Airbus im Zivilflugzeugbau mit seinen 90000 Beschäftigten zwar ebenfalls Stellen streichen will, prozentual aber einen kleineren Anteil.
Tröstlich sei, so Leppek. dass die genannten Zahlen bisher nicht in Stein gemeißelt sind. Laut Gesamtbetriebsrat geht es bislang nicht um einen harten Personalabbau, sondern um eine „Auslastungslücke bis 2021“. So heißt es in einem Brief der Betriebsräte an die Mitarbeiter, der unserer Redaktion vorliegt. Das Unternehmen nimmt also an, für die Mitarbeiter nicht hinreichend Arbeit zu haben. Deshalb will das Management über einen Personalabbau verhandeln.
Wie viele Stellen am Ende wirklich wegfallen, muss nun ausgehandelt werden: „Wir werden als Arbeitnehmervertreter mit der Gein Verhandlungen treten, um den Personalabbau so gering wie möglich ausfallen zu lassen“, gibt sich Betriebsratschef Kunzendorf kämpferisch.
Die Arbeitnehmervertreter setzen darauf, dass mit Kurzarbeit oder Arbeitszeitmaßnahmen das Schlimmste verhindert werden kann. Kunzendorf fordert auch, dass wieder mehr Zulieferer-Aufträge von Airbus an Premium Aerotec vergeben werden statt an Dritte. „Es ist wichtig, dass die Arbeit hier gemacht wird, statt in anderen Ländern wie der Türkei“, sagt er. „Wir wollen diese Krise gemeinsam durchstehen und erwarten im Gedenham genzug einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen“, fügt der Betriebsratschef an. Die Gespräche über den Personalabbau beginnen zeitnah und werden wohl einige Monate lang dauern.
Ein Einschnitt in der diskutierten Größenordnung würde den Standort Augsburg massiv schwächen. Der Gesamtbetriebsrat warnt sogar vor einer Gefährdung des gesamten Unternehmens: Sollte kein Weg gefunden werden, die Auslastung des Werkes zu vergrößern, „bleibt die Bedrohung eines großen Personalabbaus bestehen“, schreiben die Betriebsräte. Dieser Fall würde „darüber hinaus die Zukunft der gesamschäftsführung ten Premium Aerotec gefährden“, heißt es weiter. „Wir dürfen das Know-how nicht verlieren, das bei Premium Aerotec gewachsen ist“, mahnt auch Betriebsratschef Kunzendorf. „Ich bin überzeugt, dass die Luftfahrt eine Zukunft hat, deshalb darf man das technische Wissen nicht von Bord lassen“, sagt er.
In den 2800 Stellen, die Premium Aerotec abbauen will, sind 900 Stellen aus einem laufenden Sparprogramm enthalten. Für diese 900 Stellen seien betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, berichtet der Betriebsrat. Im Unternehmen gilt bis Ende des Jahres auch noch ein Kündigungsschutz.
Gewerkschafter Leppek hofft zudem, dass sich die Politik für das Unternehmen und seine Beschäftigten stark macht. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) signalisiert bereits Unterstützung: „Das ist sehr bitter für Augsburg“, sagt er zu den Abbau-Plänen. „Wir kämpfen dafür, dass dies sozial verträglich abläuft. Ich bin dazu in Gesprächen mit Vorstandschef Thomas Ehm, auch um das Unternehmen zukunftsfähig zu halten“, so Aiwanger.
Die ganze Luft- und Raumfahrtindustrie in Bayern ist stark von den Corona-Folgen betroffen. „Ein Drittel aller deutschen Arbeitsplätze dieser Branche ist in Bayern“, erklärte der Staatsminister. „Um dieser strategisch wichtigen Industrie in der schwersten Krise der Luftund Raumfahrt der Nachkriegszeit eine Zukunftsperspektive bieten zu können, müssen Unternehmen und der Freistaat an einem Strang ziehen“, betont Aiwanger.
Aiwanger: Abbau muss sozial verträglich ablaufen