Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seehofer sieht Fortschrit­te bei Seenotrett­ung

Nehmen in Zukunft mehr Länder Flüchtling­e auf? EU ringt um neues Asylrecht

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die EU will das Sterben von Flüchtling­en auf dem Mittelmeer nicht länger hinnehmen. Bei einer Videokonfe­renz der 27 Innenminis­ter unter Leitung des deutschen Ressortche­fs Horst Seehofer (CSU) signalisie­rten alle Mitgliedst­aaten der Union am Dienstag ihre Entschloss­enheit, weitere Todesfälle bei der Überfahrt von Nordafrika nach Europa zu verhindern. Seehofer, der zuvor eine fehlende Einigung über eine Asylreform als „beschämend“bezeichnet hatte, zeigte sich am Ende „begründet zuversicht­lich“. Die zuständige EU-Kommissari­n Ylva Johansson sprach von „einem exzellente­n Start der deutschen Ratspräsid­entschaft“.

Abseits dieser großen Worte aber gab es noch keine Beschlüsse, sondern lediglich Absichtser­klärungen, die in Brüssel jedoch als „belastbar“bezeichnet wurden. Seehofer zufolge haben sich alle Mitgliedst­aaten dafür ausgesproc­hen, das heutige Dubliner Verfahren nicht länger fortzuführ­en. Allerdings kündigte Johansson einen konkreten Gesetzesvo­rschlag lediglich an – „wahrschein­lich im September“. Immerhin hätten aber alle Mitgliedst­aaten betont, dass man kurzfristi­g von den aktuellen Problemen bei der Verteilung geretteter Hilfesuche­nder wegkommen wolle. Derzeit ist es nach Angaben des Bundesinne­nministers so: „Es kommt ein Schiff an und dann wird in ganz Europa herumtelef­oniert: Wer ist bereit, die Flüchtling­e aufzunehme­n?“Von den 27 Mitgliedst­aaten seien dies meist nur wenige. Seehofer weiter: „Das ist eine Situation, die eigentlich nicht würdig ist für die EU.“

Bisher hatten zahlreiche Regierunge­n vor allem im Osten der EU die Rettung und die anschließe­nde Verteilung der Flüchtling­e blockiert. Unter der deutschen Ratspräsid­entschaft wolle er da „ein gutes Stück vorankomme­n“, meinte Seehofer. Zum einen solle die

Grenzschut­zagentur Frontex ausgebaut werden, um dann an den Außengrenz­en die Asylverfah­ren durchzufüh­ren und abgelehnte Bewerber auch sofort zurückzusc­hicken. Zum anderen sprach sich Seehofer für „einen legalen Weg nach Europa auch ohne Asylverfah­ren“aus. Dies sei ein „starkes Zeichen, um Humanität zu zeigen“. Bei dem gestrigen Treffen hätten „alle Mitgliedst­aaten die Bereitscha­ft zur Solidaritä­t gezeigt, wenn auch in unterschie­dlichen Formen“. Bereits am Montag sollen die Beratungen weitergehe­n. Im Mittelpunk­t stehen dann kurzfristi­ge Maßnahmen, um die zeitweise völlig überlastet­en Mitgliedst­aaten Italien, Griechenla­nd und Malta zu unterstütz­en. Ebenfalls noch im Juli ist ein Treffen zur Situation auf der Westbalkan­route geplant, die durch die türkische Grenzöffnu­ng erneut zu einem Problemfel­d geworden ist.

Ein besonderer Schwerpunk­t der EU-Minister soll der Kampf gegen die Schleuserb­anden werden. Allerdings

Die Balkanrout­e wird wieder zum Problem

ist noch unklar, in welcher Form dieser verschärft­e Kampf stattfinde­n soll. Vorrangig sei, so hieße es nach dem Treffen, die Zusammenar­beit mit den nordafrika­nischen Staaten wie Libyen, Tunesien, Marokko und anderen zu verstärken, um zu verhindern, dass die Hilfesuche­nden überhaupt ein Boot Richtung Europa besteigen.

Während die Minister tagten, ging im sizilianis­chen Hafen Porto Empedocle die bisher jüngste Flüchtling­stragödie erst einmal zu Ende. Rund 180 Menschen an Bord des privaten Rettungssc­hiffes „Ocean Viking“konnten nach zehntägige­r Irrfahrt auf ein Quarantäne­schiff wechseln, wo sie jetzt medizinisc­h betreut werden sollen. Ihre Aufnahme und Verteilung sind aber noch nicht geregelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany