Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nicht nur in den großen Ställen muss mehr kontrolliert werden
Eine neue Behörde soll Missstände wie in Bad Grönenbach aufdecken. Warum das nicht reicht und auch Bayern seine Förderpolitik dringend nachbessern sollte
Die Bilder von Tieren, die mit spitzen Gegenständen traktiert werden, von kranken Kühen, die mit dem Traktor kopfüber durch den Stall geschleift werden, bleiben auch nach einem Jahr unerträglich. Das, was die „Soko Tierschutz“in einem Milchviehbetrieb im Unterallgäuer Bad Grönenbach entdeckte, brachte einen der größten Tierschutzskandale in der Region ins Rollen. Zwei weitere Großbetriebe im Ort und drei Bauernhöfe im Oberallgäu gerieten zudem ins Visier der Ermittler.
Auch wenn klar sein muss, dass der Großteil der Bauern seine Tiere gut behandelt: Die Bilder aus Bad Grönenbach brachten einen ganzen Berufsstand in Verruf. Ebenso wie das Allgäu, das mit grünen Weiden und glücklichen Kühen wirbt. Vor allem aber machten sie deutlich, dass die eklatant unterbesetzten Kontrollbehörden längst an ihre Grenzen gestoßen sind.
Ein Jahr ist vergangen. Ein Jahr, in dem zu wenig passiert ist. Zwar wurden die Hilferufe der Allgäuer Landräte erhört und die Veterinärämter personell aufgestockt. Behoben ist der Mangel aber noch nicht, wie die Zahlen zeigen: Im Unterallgäu sind derzeit sechs Veterinäre, davon zwei in Ausbildung, für 1484 Rinderhalter mit 130000 Tieren zuständig – dazu kommen knapp 5000 andere Tierhalter. Im Oberallgäu überwachen sechs Veterinäre fast 6000 Tierhalter. Die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, die seit Juli Großbetriebe unter die Lupe nimmt, ist in beiden Landkreisen für drei Betriebe zuständig.
Das heißt nicht, dass die bayernweite Kontrollbehörde für Großbetriebe nicht nötig wäre – im Gegenteil. Trotzdem braucht es deutlich mehr Veterinäre in den Landratsämtern, wenn effektive Kontrollen stattfinden sollen. Denn es ist ein Irrglaube, dass Missstände nur in Großbetrieben vorkommen.
Die Zahl der Tiere im Stall allein sagt noch nichts darüber aus, unter welchen Umständen die Tiere gehalten werden. Auch auf kleineren Höfen in Thannhausen oder im Raum Aichach gab es zuletzt eklatante Verstöße – Kühe, die bis zu den Knöcheln im Dreck standen, die abgemagert oder tot im Stall lagen. Nur sind die Schlagzeilen dann nicht die gleichen wie im Allgäuer Tierskandal, wo gleich mehrere Großbetriebe auffällig wurden.
Andererseits muss bei Größenordnungen wie im ersten Bad Grönenbacher Betrieb mit 1800 Kühen, mehreren Hofstellen und Lohnarbeitskräften bezweifelt werden, dass genug Zeit bleibt, sich um die Gesundheit jeder Kuh zu kümmern. Ja, dass das einzelne Tier überhaupt einen Stellenwert hat. Die Agrarförderpolitik hat solche Strukturen leider erst möglich gemacht. Nach wie vor gilt in der EU: Je größer der Betrieb, desto höher fallen die Subventionen aus. Nun verweist man in Bayern gern auf die bäuerlich-kleinteilige Landwirtschaft. 36 Hektar bewirtschaftete der Durchschnittsbetrieb zuletzt, halb so viel wie in Niedersachsen. Doch auch hierzulande werden die Höfe immer größer – weil vor allem die kleinen aufgeben, weil, wer dem zunehmenden Wettbewerbsdruck standhalten will, immer mehr Tiere im Stall braucht, dafür aber oft gar nicht die Arbeitskräfte hat.
Es mag gut klingen, wenn Söder nun eine Agrarwende nach bayerischem Vorbild fordert. Doch auch in Bayern müssen die Fördermaßnahmen dringend überarbeitet werden. Denn wenn Bayerns Agrarministerin Kaniber inmitten des Tönnies-Skandals mehr regionale Schlachthöfe fordert, verkennt sie, dass auch die Politik mit ihren immer strengeren Auflagen ihren Anteil daran hatte, dass die kleinen Schlachtbetriebe über die Jahre verschwunden sind. Schon jetzt ist in Bayerns Landwirtschaft längst nicht alles pures Idyll. Bad Grönenbach ist nur ein Beispiel dafür.
Auch auf kleineren Höfen gab es eklatante Verstöße