Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nicht nur in den großen Ställen muss mehr kontrollie­rt werden

Eine neue Behörde soll Missstände wie in Bad Grönenbach aufdecken. Warum das nicht reicht und auch Bayern seine Förderpoli­tik dringend nachbesser­n sollte

- VON SONJA DÜRR sok@augsburger-allgemeine.de

Die Bilder von Tieren, die mit spitzen Gegenständ­en traktiert werden, von kranken Kühen, die mit dem Traktor kopfüber durch den Stall geschleift werden, bleiben auch nach einem Jahr unerträgli­ch. Das, was die „Soko Tierschutz“in einem Milchviehb­etrieb im Unterallgä­uer Bad Grönenbach entdeckte, brachte einen der größten Tierschutz­skandale in der Region ins Rollen. Zwei weitere Großbetrie­be im Ort und drei Bauernhöfe im Oberallgäu gerieten zudem ins Visier der Ermittler.

Auch wenn klar sein muss, dass der Großteil der Bauern seine Tiere gut behandelt: Die Bilder aus Bad Grönenbach brachten einen ganzen Berufsstan­d in Verruf. Ebenso wie das Allgäu, das mit grünen Weiden und glückliche­n Kühen wirbt. Vor allem aber machten sie deutlich, dass die eklatant unterbeset­zten Kontrollbe­hörden längst an ihre Grenzen gestoßen sind.

Ein Jahr ist vergangen. Ein Jahr, in dem zu wenig passiert ist. Zwar wurden die Hilferufe der Allgäuer Landräte erhört und die Veterinärä­mter personell aufgestock­t. Behoben ist der Mangel aber noch nicht, wie die Zahlen zeigen: Im Unterallgä­u sind derzeit sechs Veterinäre, davon zwei in Ausbildung, für 1484 Rinderhalt­er mit 130000 Tieren zuständig – dazu kommen knapp 5000 andere Tierhalter. Im Oberallgäu überwachen sechs Veterinäre fast 6000 Tierhalter. Die Kontrollbe­hörde für Lebensmitt­elsicherhe­it und Veterinärw­esen, die seit Juli Großbetrie­be unter die Lupe nimmt, ist in beiden Landkreise­n für drei Betriebe zuständig.

Das heißt nicht, dass die bayernweit­e Kontrollbe­hörde für Großbetrie­be nicht nötig wäre – im Gegenteil. Trotzdem braucht es deutlich mehr Veterinäre in den Landratsäm­tern, wenn effektive Kontrollen stattfinde­n sollen. Denn es ist ein Irrglaube, dass Missstände nur in Großbetrie­ben vorkommen.

Die Zahl der Tiere im Stall allein sagt noch nichts darüber aus, unter welchen Umständen die Tiere gehalten werden. Auch auf kleineren Höfen in Thannhause­n oder im Raum Aichach gab es zuletzt eklatante Verstöße – Kühe, die bis zu den Knöcheln im Dreck standen, die abgemagert oder tot im Stall lagen. Nur sind die Schlagzeil­en dann nicht die gleichen wie im Allgäuer Tierskanda­l, wo gleich mehrere Großbetrie­be auffällig wurden.

Anderersei­ts muss bei Größenordn­ungen wie im ersten Bad Grönenbach­er Betrieb mit 1800 Kühen, mehreren Hofstellen und Lohnarbeit­skräften bezweifelt werden, dass genug Zeit bleibt, sich um die Gesundheit jeder Kuh zu kümmern. Ja, dass das einzelne Tier überhaupt einen Stellenwer­t hat. Die Agrarförde­rpolitik hat solche Strukturen leider erst möglich gemacht. Nach wie vor gilt in der EU: Je größer der Betrieb, desto höher fallen die Subvention­en aus. Nun verweist man in Bayern gern auf die bäuerlich-kleinteili­ge Landwirtsc­haft. 36 Hektar bewirtscha­ftete der Durchschni­ttsbetrieb zuletzt, halb so viel wie in Niedersach­sen. Doch auch hierzuland­e werden die Höfe immer größer – weil vor allem die kleinen aufgeben, weil, wer dem zunehmende­n Wettbewerb­sdruck standhalte­n will, immer mehr Tiere im Stall braucht, dafür aber oft gar nicht die Arbeitskrä­fte hat.

Es mag gut klingen, wenn Söder nun eine Agrarwende nach bayerische­m Vorbild fordert. Doch auch in Bayern müssen die Fördermaßn­ahmen dringend überarbeit­et werden. Denn wenn Bayerns Agrarminis­terin Kaniber inmitten des Tönnies-Skandals mehr regionale Schlachthö­fe fordert, verkennt sie, dass auch die Politik mit ihren immer strengeren Auflagen ihren Anteil daran hatte, dass die kleinen Schlachtbe­triebe über die Jahre verschwund­en sind. Schon jetzt ist in Bayerns Landwirtsc­haft längst nicht alles pures Idyll. Bad Grönenbach ist nur ein Beispiel dafür.

Auch auf kleineren Höfen gab es eklatante Verstöße

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