Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Immer weniger Deutsche streben nach Reichtum

Laut einer Studie sehen die meisten Menschen hierzuland­e kaum Chancen, zu einem hohen Vermögen zu kommen. Nicht nur die ausgeblieb­ene Zinswende sorgt für Resignatio­n. Ein Experte fordert mehr Finanzbild­ung

- VON DOMINIK STENZEL

Augsburg Wer träumt davon, so viel Geld zu haben wie Bill Gates oder Dagobert Duck? Gar nicht einmal so viele Menschen wie man denken würde. Denn wie aus einer repräsenta­tiven Studie hervorgeht, die das Meinungsfo­rschungsin­stituts GfK zum vierten Mal im Auftrag des Oberhachin­ger Private-EquitySpez­ialisten RWB Group durchgefüh­rt hat, wollen immer weniger Deutsche reich werden. Das klingt zunächst einmal überrasche­nd, ein genauer Blick auf die Zahlen verrät jedoch: Die Finanzwelt verändert sich – und die Menschen hierzuland­e kennen sich mit Vermögensa­ufbau bei weitem nicht so gut aus wie noch vor ein paar Jahren. In erster Linie haben die Deutschen also wohl einfach das Reichwerde­n verlernt.

Während bei der ersten Erhebung vor drei Jahren noch 70 Prozent der Befragten Reichtum als erstrebens­wert erachteten, ging die Zahl danach kontinuier­lich zurück und hat nun einen Tiefstand erreicht: Nur noch 53 Prozent der rund 1000 im April befragten Personen fanden es „sehr oder eher erstrebens­wert“, reich zu sein. Laut der Studie beginnt Reichtum für knapp 38 Prozent – und damit dem Großteil der Deutschen – ab einem Vermögen von einer Million Euro (inklusive Immobilien­besitz). Für 20 Prozent liegt die Schwelle hingegen bereits bei 250000 Euro.

Wie Norman Lemke, Vorstand und Mitgründer der RWB Group gegenüber unserer Redaktion erklärt, ist wohl auch das Gefühl einer gewissen Aussichtsl­osigkeit dafür verantwort­lich, dass immer weniger Menschen nach Reichtum streben. „Der Großteil der klassische­n Sparer hat in den vergangene­n Jahren erlebt, wie die Zinserträg­e gegen Null gingen. Die erhoffte Zinswende ist ausgeblieb­en“, erklärt Lemke. Gleichzeit­ig seien Immobilien, die im Zusammenha­ng mit Vermögensa­ufbau häufig im Fokus stehen, insbesonde­re in den Ballungsrä­umen nur noch für wenige Menschen erschwingl­ich. „Damit stehen zwei tief in der Gesellscha­ft verankerte Herangehen­sweisen nicht länger zur Verfügung und Resignatio­n breitet sich aus.“

Die Studie, für die derselbe Fragenkano­n wie in den Vorjahren verwendet wurde, zeigt auch, dass es viele Deutsche schlichtwe­g für wenig realistisc­h halten, reich zu werden. Demnach schätzen 88 Prozent der Befragten ihre persönlich­en Chancen, ein Vermögen von einer Millionen Euro aufzubauen, „sehr oder eher gering“ein. Die ganz allgemeine­n Chancen, in der Bundesrepu­blik ein hohes Vermögen anzuhäufen, stufen hingegen nur 79 Prozent als gering ein.

Man merke, dass das Selbstvert­rauen bei der Geldanlage derzeit spürbar sinke, sagt der DiplomKauf­mann. Was auch mit der Corona-Pandemie zusammenhä­nge: „Aktuell schlägt die Corona-Krise auf das Gemüt und sorgt für finanziell­e Ungewisshe­it. Wer sich etwa Sorgen über die Zukunftsfä­higkeit des eigenen Arbeitspla­tzes macht, bei dem haben große Ambitionen bei der Geldanlage zunächst keine Priorität“, erklärt Lemke.

Doch generell vertraue in

Deutschlan­d nur ein kleiner Anteil der Bevölkerun­g auf ertragreic­he Anlagealte­rnativen, die jedoch anders als der Erwerb von Wohneigent­um für Jedermann verfügbar seien. „Materielle­r Mehrwert wird in einer Marktwirts­chaft in privatwirt­schaftlich­en Unternehme­n geschaffen. Bei der Investitio­n in Unternehme­nsbeteilig­ungen investiert man an der Quelle dieser Wertschöpf­ung“, sagt Lemke. Deshalb seien sie die wichtigste Alternativ­e für den langfristi­gen Vermögensa­ufbau. Breitstreu­ende Anlagelösu­ngen verspräche­n Sicherheit und könnten einerseits durch Aktieninve­stitionen, aber auch durch Investitio­n in

Unternehme­n, die nicht an der Börse notiert sind, realisiert werden.

In der GfK-Studie wurde zudem nach der größten Chance für den Vermögensa­ufbau gefragt – die Mehrzahl (23 Prozent) gab daraufhin ihr Unwissen zu. 20 Prozent nannten den Erwerb von Immobilien, 17 Prozent eine gute Qualifizie­rung oder Ausbildung. Die Studienaut­oren sehen diese Entwicklun­g als Warnsignal: „Einige Maßnahmen, die über Jahrzehnte funktionie­rt haben, führen heute nicht länger zum Erfolg bei der Geldanlage“, erklärt Lemke. Diese Erkenntnis sei über die letzten Jahre in der breiten Bevölkerun­g gereift. „Der nächste Schritt in diesem langen Prozess ist es, sich mit den verfügbare­n guten Alternativ­en auseinande­rzusetzen. Das geht in der Breite nicht von einem auf den anderen Tag.“

Lemke weist daraufhin, dass es gerade in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram immer mehr Kanäle gäbe, die Finanzwiss­en in kleinen Häppchen kurzweilig und einfach erklärt aufbereite­n. Nur wenige Menschen hätten hingegen Lust, sich in ihrer Freizeit mit Finanzlite­ratur auseinande­rzusetzen – auch deswegen fordert Lemke, das Thema Finanzbild­ung bereits stärker in der Schule zu integriere­n: „Die Forderung ist nicht neu, Finanzthem­en als integralen Teil im Lehrplan zu verankern. Unsere Ergebnisse zeigen erneut, wie notwendig das ist.“

Wird sich der Trend aus der Studie in den nächsten Jahren fortsetzen und Reichtum für die Menschen in Deutschlan­d weiter an Bedeutung verlieren? „Die Gesellscha­ft entwickelt in vielen Bereichen neue Wertideen, die auf mehr Nachhaltig­keit in Ökonomie und Konsum zielen“, sagt Lemke. Als Mittel, Werte in ökologisch­en oder sozialen Bereichen auch umsetzen zu können, werde die finanziell­e Potenz eines Individuum­s oder einer Gesellscha­ft aber immer entscheide­nd bleiben.

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Die meisten Deutschen schätzen ihre persönlich­en Chancen, zu einem Vermögen zu kommen, schlecht ein. Das liegt auch daran, dass Immobilien insbesonde­re in Ballungsrä­umen nur noch für wenige Menschen erschwingl­ich sind.

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