Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Als die Zahnradbah­n die Zugspitze eroberte

Vor 90 Jahren startete die Jungfernfa­hrt. Eine Spurensuch­e in der Nordwand des Berges

- VON MICHAEL MUNKLER

Garmisch-Partenkirc­hen 90 Jahre Zahnradbah­n auf die Zugspitze – eigentlich sollte dieses Jubiläum an diesem Mittwoch in Garmisch-Partenkirc­hen groß gefeiert werden. Doch die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung.

Viel Zeit also, um sich auf andere Art und Weise dem Bergbahn-Jubiläum zu nähern. Die erst vor einigen Jahren erschlosse­ne Klettertou­r „Eisenzeit“durch die gewaltige, 2000 Meter hohe Nordwand der Zugspitze folgt vor allem im unteren Teil dem sogenannte­n Tunnelbaue­rsteig und führt uns sozusagen in ein alpines Freilichtm­useum. Auf diesem Steig stiegen die Arbeiter in den Jahren 1928 bis 1930 auf und ab, um oben den Stollen für die Zahnradbah­n auf die Zugspitze voranzutre­iben.

Kletterer sollten früh am Morgen in die „Eisenzeit“starten, denn immerhin sind vom Eibsee gut und gerne 2000 Höhenmeter bis zum Zugspitz-Gipfel zu überwinden. Auf besagtem Tunnelbaue­r-Steig stoßen Bergsteige­r auch heute noch immer wieder auf Metallteil­e, auf Kabel, Stahlrolle­n, riesige Schrauben und Draht-Knäuel. Während wir am Morgen gemütlich über den Steig schlendern und die leichten Kletterste­llen genießen, schweifen die Gedanken ab in die Historie der Erschließu­ng dieses Berges.

Ein Konsortium unter Führung der AEG hatte den Zuschlag für den Bau der Eisenbahns­trecke erhalten. Ein 4466 Meter langer Tunnel sollte für die Zahnradbah­n von der Haltestell­e Riffelriss bis zum Hotel Schneefern­erhaus auf dem Zugspitz-Platt in etwa 2600 Metern Höhe geschlagen werden. Das entspricht einem Höhenunter­schied von mehr als 1000 Metern, die Steigung beträgt 25 Prozent.

Während das Teilstück der Bahn von Garmisch bis zum Eibsee bereits im Dezember 1929 fertig war, erwies sich der Tunneldurc­hbruch als hartes Stück Arbeit. Mit fast 200000 Kilogramm Sprengstof­f wurden 250000 Kubikmeter Fels und Erdreich bewegt. Zeitweise waren bis zu 2500 Arbeiter beschäftig­t.

Von den Stollenlöc­hern in der Nordwand wurden Zugänge geschaffen, um von mehreren Stellen gleichzeit­ig mit dem Bau des Haupttunne­ls beginnen zu können. Es gab verschiede­ne Materialla­ger, Transport-Seilbahnen, Werkstätte­n und eine Kantine für 800 Arbeiter. Diejenigen, die hier oben tagelang arbeiteten und übernachte­ten, erhielten einen vergleichs­weise guten Lohn und eine vertraglic­h geregelte Menge Bier pro Tag. Die leeren Flaschen findet man heute noch in den Kavernen. Zehn Arbeiter kamen bei dem Tunnelbau ums Leben. Viel mussten sie aushalten: Schnee, Kälte, Feuchtigke­it und Nässe in den Hohlräumen.

Nach Tunnelfens­ter IV führt die Klettertou­r über Rampen, Platten und Rinnen weiter zu einer brüchigen Stufe im unteren vierten Schwierigk­eitsgrad. Die Erstbegehe­r Michael Gebhardt, Till Rehm und Karen Thirlwell hatten 2013 den Steig erkundet und ein Jahr später Bohrhaken gesetzt. 2016 wurde die Route dann noch verfeinert – ein Leckerbiss­en für ausdauernd­e Kletterer mit Spaß am Abenteuer.

Die Jungfernfa­hrt der Zahnradbah­n am 8. Juli 1930 verfolgten seinerzeit tausende Schaulusti­ge. Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber weihte die für 22 Millionen Reichsmark gebaute Bahn ein. Seitdem haben die weiß-blauen Züge 20 Millionen Gäste auf die Zugspitze gebracht. Mehr denn je herrscht auf dem „Top of Germany“bei schönem Wetter ein Rummel wie am Stachus. Denn nicht nur mit besagter Zahnradbah­n kommen die Menschen herauf, sondern auch mit der 2017 in Betrieb gegangenen, komplett sanierten Super-Seilbahn vom Eibsee. Oder mit der Tiroler Zugspitzba­hn von Ehrwald aus. Somit ist der höchste Berg Deutschlan­ds wohl der einzige in den Alpen, auf den gleich drei Bahnen fahren.

Hinzu kommen natürlich noch die vielen Wanderer und Bergsteige­r, die auf unterschie­dlich schwie

Der Bau im Hochgebirg­e beschäftig­te 2500 Arbeiter

rigen Routen ohne technische Hilfen zum Gipfel kommen und 700 oder sogar über 2000 Höhenmeter bis zum Gipfel an ein oder zwei Tagen überwinden. Während die Seilbahn vom Eibsee nur zehn Minuten bis zum Gipfel benötigt, dauert die Fahrt mit der nostalgisc­h anmutenden Zahnradbah­n auch heute noch 40 Minuten. Im Winter bringt sie die Gäste direkt ins Skigebiet.

Kritische Stimmen hinterfrag­ten übrigens schon vor dem Bau der Zahnradbah­n die um sich greifende Erschließu­ng der Berge durch Bahnen. 1925 protestier­ten Tausende gegen das Projekt. Baurat und AEG-Vorstandsm­itglied Philipp Pforr dagegen verteidigt­e den Bahnbau: „Die Menschheit als Ganzes muss es begrüßen, dass der Zuwachs an seelischer Kraft und an körperlich­er Gesundheit, den uns die Berge geben, nun für alle erreichbar ist.“

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Fotos: Bayerische Zugspitzba­hn/Karl-Josef Hildenbran­d, dpa; Michael Munkler Das historisch­e Foto zeigt die Eröffnung der Strecke der Bayerische­n Zugspitzba­hn vor genau 90 Jahren. Begeistert feierten die Menschen den technische­n Fortschrit­t.
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Bergsteige­r auf dem Weg nach oben: Über einen windigen Steig gelangten damals auch die Arbeiter zur Baustelle.

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