Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Geschafft
Nach dem Klassenerhalt gehen die Bremer schnell in die Analyse, warum die Saison beinahe im Fiasko endete. Schon jetzt scheint klar: Die nächste Spielzeit wird kaum einfacher
Bremen Die nervenaufreibendste Saison der eigenen Bundesliga-Geschichte war für Werder Bremen auch nach der sportlichen Rettung noch nicht vorbei. Krawalle in der Bremer Innenstadt, Wurf-Attacken auf den Werder-Mannschaftsbus in Heidenheim: Nach dem Rückspiel in Heidenheim haben Randalierer am Stadion auf der Schwäbischen Ostalb und in der Bremer Innenstadt für unschöne Bilder gesorgt. In Bremen wurden Polizisten mit Flaschen und Böllern beworfen, als diese unter anderem die Einhaltung von Hygieneregeln wegen der Coronavirus-Pandemie gewährleisten wollten. In Heidenheim bespritzten Randalierer laut Polizei WerderSpieler mutmaßlich mit Bier und warfen Steine und Flaschen gegen den Mannschaftsbus.
Die Erleichterung war nach der bestandenen Relegation in Bremen freilich trotzdem groß. In den nächsten Tagen kommen in den Konferenzräumen des Weser-Stadions aber die großen Fragen auf den Tisch: Wie konnte es passieren, dass einem Europa-League-Kandidaten bis in die Nachspielzeit des zweiten Relegationsspiels beim 1. FC Heidenheim der Zweitliga-Abstieg drohte? Bleibt Florian Kohfeldt der Trainer seines Herzensklubs oder zieht er die Konsequenzen aus der von ihm so bezeichneten „ScheißSaison“? Und auch: Wie können die Bremer einen stark renovierungsbedürftigen Kader umbauen, obwohl ihnen dazu wegen der Corona-Krise und ihrer bisherigen Transferpolitik das Geld fehlt?
Kohfeldt selbst richtete den Blick schon kurz nach dem erlösenden 2:2 in Heidenheim auf die nun folgende Aufarbeitung. „Es kann kein „Weiter so“geben und es wird kein „Weiter so“geben“, sagte der 37-Jährige. Die drängendste Frage ist allerdings: Wie geht es mit ihm selbst weiter? Kohfeldt unterschrieb erst vor einem Jahr einen bis 2023 gültigen Vertrag in Bremen. Und obwohl vieles, was in dieser Saison schieflief, auch in seinen Verantwortungsbereich fällt, hat sich die Geschäftsführung schon einmal klar positioniert. „Florian hat in dieser Saison gezeigt, dass er auch schwierige Situationen meistern kann. Deshalb gibt es für mich da keine Frage. Ich bin weiter absolut von ihm überzeugt“, sagte Sportchef Frank Baumann noch am Montagabend auf der Tribüne der VoithArena.
Den längsten Teil der Analyse dürfte die Kaderplanung einnehmen. Schon die gesamte Saison über zahlten die Bremer den Preis für eine leichtgläubige und auch in diesem Sommer weiter nachwirkende Transferpolitik. Sie ließen ihren einzigen Ausnahmespieler Max Kruse ziehen, ohne ihn auch nur annähernd zu ersetzen.
Nach dem Verbleib in der ersten Bundesliga muss Werder nun teure Kaufverpflichtungen für die bislang lediglich ausgeliehenen Toprak, Leonardo Bittencourt und im Falle des erneuten Nicht-Abstiegs 2021 auch Davie Selke eingehen. Das bindet allein in diesem Sommer schon einen zweistelligen Millionenbetrag, ohne dass der Kader dadurch auch nur einen Deut jünger, schneller und auch widerstandsfähiger geworden wäre.