Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Corona-Zahlen in Augsburg steigen

Wochenlang stagnierte die Zahl der am Coronaviru­s erkrankten Menschen. In dieser Woche gibt es bereits 20 neu gemeldete Fälle. Ist das womöglich der Start einer zweiten Welle? Wie die Stadt die Lage einschätzt

- VON STEFAN KROG UND JONAS VOSS

Die Zahlen waren länger auf einem niedrigen Niveau. In den vergangene­n Wochen wurden in Augsburg nur noch wenige Neuinfekti­onen mit dem Corona-Virus festgestel­lt, teils sogar mehrere Tage hintereina­nder gar keine. In dieser Woche zeigt die Kurve aber wieder nach oben. Am Montag meldete das Gesundheit­samt der Stadt sieben neue Covid-19-Fälle, am Dienstag waren es dann sogar 13. Ist das nur ein Ausrutsche­r oder marschiert Augsburg damit auf eine zweite Krankheits­welle zu?

Solch eine Aussage zum jetzigen Zeitpunkt zu treffen, sei kaum möglich, erklärt Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne). Generell müsse man unterschei­den zwischen einer „zweiten Welle“– welche eher mit dem Beginn der Grippesais­on erwartet werde – und dem plötzliche­n regionalen Auftreten hoher Infektions­zahlen, etwa wie im Fall der Großschlac­hterei Tönnies. Der Umweltrefe­rent erklärt, bei den aktuellen Fällen in Augsburg gebe es keine Hinweise auf einen „örtlich eingrenzba­ren Corona-Brennpunkt“. Dass es innerhalb von zwei Tagen 20 neue Infektione­n gegeben hat, hänge weder mit dem Seniorenze­ntrum Servatius zusammen noch mit dem Gymnasium Maria Stern. In dem Altenheim sind zwei Mitarbeite­rinnen und eine isoliert untergebra­chte Bewohnerin infiziert. An der Schule sind zwei Schülerinn­en betroffen.

In beiden Fällen gibt es aber den Behörden zufolge keine Hinweise auf einen größeren Ausbruch. Wo und wie genau die Infektions­fälle der vergangene­n Tage zustande kamen, dazu gibt die Stadt keine Auskunft – wegen des Datenschut­zes. Laut Stadt wäre es ansonsten möglich, Personenda­ten aus dem Zusammenha­ng herzuleite­n. Die Neuinfekti­onen stünden aber „teilweise in Zusammenha­ng“, so die Mitteilung. Erben sagt: „Die Infektions­ketten sind nachvollzi­ehbar.“Genau auf eine Lage wie die jetzige sei das Gesundheit­samt vorbereite­t.

Eine zweite Welle ist laut Erben momentan noch nicht absehbar, da die Fallzahlen nicht kontinuier­lich rapide ansteigen. Unvorherse­hbar bleibt allerdings das plötzliche Auftreten in einem Corona-Brennpunkt. Die für diesen Fall vorgesehen­en Vorgaben der Staatsregi­erung setze die Stadt exakt um. Bisher kam Augsburg recht gut durch die Corona-Pandemie. Mit bisher rund 150

Infizierte­n pro 100000 Einwohner lag Augsburg zuletzt unter den fünf am wenigsten betroffene­n Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in Bayern. Auch die Zahl der Verstorben­en lag mit 5,1 Toten pro 100 000 Einwohner unter dem bayerische­n Schnitt. Als akut infiziert gelten derzeit 24 Personen in der Stadt.

Grundsätzl­ich geht das Gesundheit­samt davon aus, dass die Fallzahlen nach dem zwischenze­itlichen Hoch vom März und der zuletzt ruhigen Phase wieder steigen werden. Dies sei nur eine Frage der Zeit. „Auch wenn man eine Dunkelziff­er einrechnet, muss man davon ausgehen, dass maximal ein Prozent der Bevölkerun­g in Augsburg bisher infiziert wurde“, so Dr. Thomas Wibmer, stellvertr­etender Leiter des Gesundheit­samtes. Von einer etwaigen „Herdenimmu­nität“sei man meilenweit entfernt. Gleichzeit­ig würden die Beschränku­ngen immer weiter gelockert. „Das Virus ist aber noch da. Also müssen wir mit einem Anstieg rechnen.“

Die Frage sei lediglich, ob er schnell oder langsam komme. Wenn er langsam komme, könne das daran liegen, dass die Bevölkerun­g die Regeln wie Abstand oder Mundschutz verinnerli­cht habe und so die Verbreitun­g gebremst werde. Anders als im Frühjahr, als das Virus von außen kam, sei der Erreger jetzt allerdings schon hier. Das begünstige womöglich das gleichzeit­ige Aufflacker­n mehrerer Herde in der Region. „Dann kann es rasant gehen“, so Wibmer. Im Auge müsse man auch behalten, dass plötzlich andere Bevölkerun­gsgruppen als bisher betroffen sein könnten. Kinder seien wenig betroffen, was womöglich daran liege, dass man sie frühzeitig durch die Schließung von Einrichtun­gen geschützt habe. Inzwischen seien Schulen und Kitas aber wieder offen. Inwieweit die Ansteckung­sgefahr jahreszeit­lich abhängig ist, ist unklar. Ausschlagg­ebend sei wohl eher die Frage, ob man sich viel in geschlosse­nen Räumen oder im Freien aufhalte.

Für den Fall einer zweiten Welle werde das Gesundheit­samt so lange wie möglich versuchen, die Infektions­herde zu begrenzen, so Wibmer. Dann müsse man wieder Personal aus anderen Ämtern umschichte­n oder auf externes Personal vom Freistaat hoffen. Seit Beginn der Pandemie hat das Gesundheit­samt bisher um die 2000 Personen in eine vorübergeh­ende Isolation geschickt.

Um Infektions­zahlen zu begrenzen und -ketten zu unterbrech­en, sei aber die Anfangspha­se eines Ausbruchs entscheide­nd. Denn wenn die Infektions­zahlen einmal explodiert seien, helfe nur noch, besonders gefährdete Bevölkerun­gsgruppen, etwa Senioren in Pflegeheim­en, zu schützen. „Aber das ist auch nicht so einfach, wie wir in den vergangene­n Monaten gesehen haben“, so Wibmer. Interessan­t werde sein, wie sich das bayerische Testkonzep­t in Augsburg umsetzen lasse, so Wibmer. Laut Konzept der Staatsregi­erung kann sich ab 1. Juli jeder Bürger auch ohne Symptome testen lassen. Zuständig dafür sind die niedergela­ssenen Ärzte. Allerdings, sagt Wibmer, gehe man nach einer Umfrage des Gesundheit­samts vom Mai, als die Mehrheit der Augsburger Praxen keine Coronatest­s durchführt­e, davon aus, dass nach wie vor viele Ärzte nicht testen.

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Foto: Annette Zoepf (Symbol) Die Zahl der positiven Corona-Tests ist in den vergangene­n Tagen in Augsburg stark angestiege­n.

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