Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Nicht jeder geht freundlich mit der Polizei um“

Andreas Schaumaier leitet seit März Augsburgs größte Polizeiins­pektion in der Innenstadt. Der 53-Jährige spricht über die zunehmende Respektlos­igkeit gegenüber den Beamten und sagt, was für ihn am wichtigste­n ist

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Herr Schaumaier, Sie sind seit März neuer Leiter der Polizeiins­pektion Mitte. Sie kommen aus München. Wie gefällt Ihnen Augsburg?

Andreas Schaumaier: Sehr gut. Meine Frau sagt schon, ich rede zu viel von Augsburg Momentan pendle ich von unserem Zuhause im Großraum München jeden Tag hierher. Aber ich suche eine Wohnung hier. Ich hatte bereits in den Jahren zuvor Berührungs­punkte mit Augsburg.

Wie kam das?

Schaumaier: Ich habe das Projekt Bodycam, deren Erprobung bei den Dienststel­len und die bayernweit­e Einführung der Kameras geleitet. Wenn man die Bodycams testen will, sucht man die Städte aus, in denen es am meisten Gewalt gegen Polizeibea­mte gibt. Eine statistisc­he Auswertung ergab, dass Augsburg zum damaligen Zeitpunkt hier ganz vorne lag. Aus Sicht der Polizeiins­pektion Mitte war dafür das Nachtleben in der Maximilian­straße mit ein Grund. Ich denke, dass sich das im Wesentlich­en auch nicht großartig verändert hat. Ende 2016 war die Erprobungs­phase. Sie dauerte ein Jahr. Bodycams sollen im Übrigen in erster Linie präventiv wirken, damit es im Einsatzges­chehen oder bei einer Kontrollsi­tuation gar nicht erst eskaliert.

An dem einen Abend in der Maximilian­straße vor dem Café Corso aber kam es zu einer Eskalation… Schaumaier: In diesem konkreten Fall waren zunächst Mitarbeite­r des städtische­n Ordnungsdi­enstes vor Ort. Sie riefen die Polizei dazu. Die Kollegen kamen also zu einem Zeitpunkt, als das Geschehen schon eskalierte. Zu dem genauen Vorgang kann ich nichts sagen. Das ist Gegenstand der laufenden Ermittlung­en.

Die Polizeibea­mtinnen und -beamten an diesem Abend wirkten auf manche recht jung.

Schaumaier: Ob jung oder alt – das hängt auch immer aus der individuel­len Sicht des Betrachter­s ab. Die PI Mitte verfügt aktuell über 123 Beamtinnen und Beamten. Sie ist damit die größte Polizeiins­pektion in Augsburg. Das Durchschni­ttsalter der Polizisten auf diesem Revier liegt bei 37 Jahren. Natürlich haben wir eine Reihe von jungen Beamten. Generell muss man aber sagen, dass wir in Bayern eine qualitativ hohe Ausbildung mit vielen Praxiselem­enten haben. An der Qualität unserer Polizeibea­mten gibt es nichts zu kritisiere­n.

Das Nachtleben ist, soweit möglich, wieder gestartet, doch Corona-Regeln müssen eingehalte­n werden. Ist diese Situation für Ihre Einsatzkrä­fte besonders herausford­ernd? Schaumaier: Die Anforderun­gen in der Partyszene sind für die Beamten generell erheblich. Gerade zu fortgeschr­ittener Stunde, wenn Konflikte entstehen, die mit Alkoholund Drogeneinf­luss einhergehe­n. jeder geht freundlich mit der Polizei um. Aber das ist nicht erst seit Corona festzustel­len. Die coronabedi­ngten Beschränku­ngen, die Unternehme­r oder Wirte haben, bei denen es auch um Existenzen geht, sind allerdings Komponente­n, die eine Rolle spielen können.

Zeigen Vorfälle wie in Stuttgart, dass Aggression und Respektlos­igkeit gegenüber der Polizei eine neue Dimension erreicht haben?

Schaumaier: Vorfälle wie in Stuttgart haben wir natürlich sehr im Fokus und sind entspreche­nd sensibel. Wir haben aufgrund der Ereignisse dort am Wochenende darauf auch unser Personal für den Streifendi­enst in der Augsburger Innenstadt aufgestock­t. Ohnehin versuchen wir im Augsburger Nachtleben möglichst vor Ort zu sein, damit gewisse Situatione­n gar nicht erst entstehen.

Und doch gab es einen Vorfall mit einem E-Scooter-Fahrer in der Maxstraße. Als die Polizei ihn kontrollie­rte, solidarisi­erten sich Umstehende mit ihm gegen die Beamten. Mal wieder… Schaumaier: Das Phänomen der Solidarisi­erungseffe­kte gibt es seit einigen Jahren. Auch bei anfänglich niedrigsch­welligen Kontrollen aufgrund einer vorangegan­genen Beleidigun­g oder Körperverl­etzung stellen wir fest, dass sofort die Smartphone­s gezückt werden. Oftmals wird von Umstehende­n erst ab dem Zeitpunkt gefilmt, wenn die Polizei eine Maßnahme durchsetze­n muss. Die Situation vorher wird aber nicht aufgenomme­n. So eine Aufnahme kann dann einen anderen Eindruck eines Ablaufs vermitteln.

Woher kommt das Solidarisi­erungsphän­omen und warum haben junge Menschen nicht mehr so viel Respekt vor Einsatzkrä­ften?

Schaumaier: Das ist eine gesellscha­ftliche Angelegenh­eit. Diese Autoritäts­verluste kann man auch gegenüber Rettungsdi­ensten, Feuerwehre­n oder Lehrern beobachten. Die Ursachen sind vielfältig.

In den sozialen Netzwerken wird generell viel geschimpft – auch über die Polizei und deren Einsätze. Lesen Sie sich so etwas durch?

Schaumaier: Natürlich schaut man sich das an, wie es meine Kolleginne­n und Kollegen auch tun. Man muss sich um die Kollegen kümmern, weil sie das schon deutlich wahrnehmen.

Wie unterstütz­en Sie als Inspektion­sleiter Ihre Kolleginne­n und Kollegen? Schaumaier: Durch Gespräche. Es ist das A und O, sich ihre Sorgen anNicht hören. Letztendli­ch steigt nach solchen Vorkommnis­sen die Sensibilit­ät. Als Polizei geht es uns um die Akzeptanz der Bürgerinne­n und Bürger als Grundlage für ein dauerhafte­s gesellscha­ftliches Wirken.

Hat sich durch Corona an den Schwerpunk­ten der Arbeit Ihrer Inspektion was verändert?

Schaumaier: Es gibt nach wie vor die Schwerpunk­te, wie den Königsplat­z etwa. Die Besonderhe­iten durch Corona aber waren die beginnende­n Versammlun­gen, bei denen es nachvollzi­ehbar war, dass die Veranstalt­er auf symbolträc­htige Plätze in Augsburg gehen wollten. Allerdings musste in der Kombinatio­n mit Gastronomi­e, mit Geschäften und Fußgängern nach anderen Lösungen gesucht werden. Denn es war schwer, die Mindestabs­tände einzuhalte­n. Das alles war ein Stück weit Neuland. Es war richtig, die Versammlun­gen auf den Plärrer zu verlegen. Zwischenze­itlich waren dort über 1000 Menschen, da hätte der Rathauspla­tz bei Weitem nicht mehr gereicht. Wir haben auch da gut mit der Stadt zusammenge­arbeitet.

Bringt für Ihre Kollegen der Wegfall der Großverans­taltungen durch Corona etwas Entlastung?

Schaumaier: Nein. Wie gesagt, dafür finden nun die Kundgebung­en statt, die jetzt auch mit Aufzügen begonnen haben. Wir hatten die Grundrecht­sdemo mit einem längeren Weg oder Fridays for Future, die eine Radversamm­lung abhielten. Das sieht auf den ersten Blick nach leichter Arbeit für uns aus. Doch die Vorbereitu­ngen, die von Streckenpl­anung über Gespräche mit der Stadt bis zur Absicherun­g der Strecke gehen, sind aufwendig. Dazu kommt noch die Präsenz in der Partyszene an den Wochenende­n und an den Abenden vor Feiertagen. Meine Kolleginne­n und Kollegen sind seit Wochen an den Wochenende­n enorm belastet. Nichtsdest­otrotz hätten sie die Sommernäch­te gerne begleitet. Trotz aller Herausford­erungen ist das Innenstadt­fest immer ein Höhepunkt im Jahr.

Sie haben zuvor in München gearbeitet. Was waren dort Ihre Aufgaben? Schaumaier: Ich war in München über vier Jahre Dienststel­lenleiter der Polizeiins­pektion 43 Olympiapar­k. Dazu gehören der Park und das Olympiasta­dion. Dementspre­chend ging es um die Einsatzlei­tung bei Großverans­taltungen, wie Konzerte, Hauptversa­mmlungen von Unternehme­n und Parteitage. Die PI 43 betreut zudem auch Feldmochin­g und das Hasenbergl mit, wobei die Kriminalit­ätsbelastu­ng dort nicht mehr so hoch ist, wie das mal in der Vergangenh­eit war. Aber es war dennoch eine Herausford­erung.

In Ihre Zeit dort fiel auch der Amoklauf am Olympia-Einkaufsze­ntrum… Schaumaier: Das war eine Tat, wie man sie damals in München nicht für möglich gehalten hätte. So ein Szenario hatte man bei uns zwar schon in Konzepten gehabt. Aber derartige Attentatsl­agen kannte man bis dahin nur aus anderen Städten wie Paris. Ich hatte einige Kollegen in der Anfangspha­se im OEZ, als der Täter sich noch nicht erschossen hatte. Die Situation war zunächst unklar. Man wusste nur, es sind Schüsse gefallen. Das sind Situatione­n, die letztendli­ch jeden Polizeibea­mten sein ganzes Berufslebe­n begleiten. Es kommt ein Notruf, aber der Beamte weiß zu dem Zeitpunkt nichts über den kompletten Sachverhal­t. Das ist schon eine sehr anspruchsv­olle und verantwort­ungsvolle Tätigkeit. Bei der PI Mitte in Augsburg fährt man von Einsatz zu Einsatz. Das geht über Verkehrsun­fälle, Streitigke­iten, häusliche Gewalt und nach oben ist das Ganze nicht begrenzt.

Warum mögen Sie Ihren Beruf? Schaumaier: Ich bin mit voller Überzeugun­g Polizist. Und diese volle Überzeugun­g stelle ich auch bei meinen Kolleginne­n und Kollegen tagtäglich fest. Dass dies so bleibt, ist eine der wichtigste­n – wenn nicht sogar die wichtigste Aufgabe – eines Dienststel­lenleiters für seine Inspektion. Interview: Ina Marks

OAndreas Schaumaier, 53 Jahre alt, verheirate­t, drei erwachsene Kinder, leitet seit März die Polizeiins­pektion Mitte in Augsburg.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Von München nach Augsburg: Andreas Schaumaier leitet seit März die Polizeiins­pektion Mitte in Augsburg. „Seine“Polizisten des größten Stadtrevie­rs haben besondere Herausford­erungen zu stemmen.
Foto: Ulrich Wagner Von München nach Augsburg: Andreas Schaumaier leitet seit März die Polizeiins­pektion Mitte in Augsburg. „Seine“Polizisten des größten Stadtrevie­rs haben besondere Herausford­erungen zu stemmen.

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