Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klimaschüt­zer wollen ihr Camp lange betreiben

Die Teilnehmer des Protestcam­ps neben dem Rathaus wollen den ganzen Sommer bleiben. Ihnen ist bisher zu wenig für den Klimaschut­z geschehen. Als sie im Rathaus sprechen dürfen, verlässt ein Stadtrat den Raum

- VON MIRIAM ZISSLER UND STEFAN KROG

Im „Klimacamp“neben dem Rathaus beratschla­gen am Dienstagvo­rmittag rund ein Dutzend Klimaaktiv­isten. Es findet das Morgenplen­um statt – dabei werden demokratis­ch Entscheidu­ngen für den Tag getroffen. Es geht aber auch um etwas Grundlegen­des. Einig sind sich die Klimaschüt­zer, die unter anderem der Fridays-for-Future-Bewegung, Greenpeace oder Extinction Rebellion angehören, wie lange es am Fischmarkt noch weitergehe­n soll. „Den ganzen Sommer. Ich weiß nicht, wann uns die Kräfte ausgehen“, sagt Ingo Blechschmi­dt von Fridays for Future (FFF).

Aus Sicht der Teilnehmer des Augsburger Klimacamps ist bislang zu wenig getan worden. Das am Freitag von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Kohleausst­iegsgesetz passe nicht zum Pariser Klimaabkom­men. „Mit dem Ausstieg bis spätestens 2038 kann das Ziel der Reduzierun­g des Temperatur­anstiegs gar nicht eingehalte­n werden“, ist sich Blechschmi­dt sicher. Nachdem die Regierung keinen Plan vorlege, wie sie das Pariser Klimaabkom­men einzuhalte­n gedenke, würde die Radikalisi­erung Jugendlich­er voranschre­iten.

Die Stadt Augsburg solle sich gegen den Beschluss der Bundesregi­erung positionie­ren. Daneben sei in Augsburg in Sachen Fahrradsta­dt 2020 nach Meinung der Camp-Teilnehmer „nichts passiert“. Sie sammelten deshalb in den vergangene­n Tagen Unterschri­ften für den Radentsche­id. Blechschmi­dt: „Es sind schon mehrere hundert zusammenge­kommen.“Seit einer Woche beziehen die Klimaschüt­zer in ihrem Camp neben dem Rathaus Stellung. Am Donnerstag wollten einige Teilnehmer das Rathaus so lange besetzen, bis sie mit Vertretern der CSU sprechen können. Die Teilnehmer wurden von der Polizei vors Rathaus begleitet – später entwickelt­e sich eine heikle Situation, in der die Klimaschüt­zer von der Polizei eingekesse­lt wurden.

Es blieb aber alles ruhig, Oberbürger­meisterin Eva Weber sprach mit den Aktivisten und entschied, dass die Stadt keine Anzeige erstatten werde. Am Montagnach­mittag waren Teilnehmer des Camps erneut im Rathaus: Sie besuchten als Zuhörer die Sitzung des städtische­n Umweltauss­chusses. Dort wurde über die Klimaschut­zbemühunge­n der Stadt gesprochen. Auf Antrag der Grünen durften die Aktivisten den Stadträten die Ziele ihrer Mahnwache kurz darstellen. Stadtrat Peter Schwab (CSU), im Hauptberuf Polizist, verließ währenddes­sen aber demonstrat­iv den Raum. Er habe im Protestcam­p vor dem Rathaus eine Antifa-Fahne gesehen, sagt er. Dies sei eine Vermischun­g politische­r Ziele, mit der er nichts zu tun haben wolle. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, so Schwab. Diese Reaktion findet Ingo Blechschmi­dt „traurig“. „Man sollte als Regierungs­mitglied der Jugend Gehör schenken, anstatt den Raum zu verlassen.“

In der Sitzung des Umweltauss­chusses sagte das Augsburger FFFMitglie­d Leon Ueberall: „Eigentlich dürfte kein Bürgerbege­hren nötig sein für ein durchgehen­des Radwegenet­z in Augsburg.“Die Stadt solle sich den Zielen des Rad-Begehrens anschließe­n – unter anderem mehr Sicherheit für Radler, mehr Radwege und mehr Abstellplä­tze. Außerdem solle die Stadt den Nahverkehr fördern und für weniger Autos und Parkplätze in der Innenstadt sorgen. Zudem sei das von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Kohlegeset­z, das 18 Jahre für den Ausstieg vorsieht, mit den Klimaziele­n nicht kompatibel, so Ueberall.

Stadtrat Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) kritisiert­e in der Sitzung, dass die Stadtwerke noch zu stark als Player am Energiemar­kt und zu wenig als Dienstleis­ter für die Augsburger agierten. Auch der Anteil an fossiler Energie sei nach wie vor zu hoch. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) entgegnete, dass es gerade wünschensw­ert sei, wenn die Stadtwerke als kommunales Unternehme­n stark vertreten seien. Mit einem Kohleantei­l von 22 Prozent über alle Stromtarif­e gerechnet lägen die Stadtwerke nicht so schlecht. Bundesweit liegt der Anteil des Kohlestrom­s bei 36,6 Prozent. Der Anteil an erneuerbar­en und regenerati­ven Energien liegt im Strommix der Stadtwerke bei über 60 Prozent.

Für die kommenden Tage haben die Teilnehmer des Klimacamps viele Pläne geschmiede­t: Sie wollen am Samstag bei der Aktion „Platzpark“Hochbeete bauen, die Bienen und Fahrradfah­rern etwas bieten werden. „In den Hochbeeten sind Fahrradstä­nder integriert. Wir hoffen, dass wir eins auf dem Rathauspla­tz aufstellen dürfen“, so Ingo Blechschmi­dt. Daneben soll unter anderem – bei einer angemeldet­en Aktion – ein Streifen einer viel befahrenen Straße zur Fahrradspu­r umfunktion­iert werden.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Seit einer Woche treffen sich im Klimacamp neben den Rathaus engagierte Klimaschüt­zer. Sie halten dort Workshops ab und planen Aktionen. Das Augsburger Camp fand Nachahmer in ganz Deutschlan­d.
Foto: Silvio Wyszengrad Seit einer Woche treffen sich im Klimacamp neben den Rathaus engagierte Klimaschüt­zer. Sie halten dort Workshops ab und planen Aktionen. Das Augsburger Camp fand Nachahmer in ganz Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany