Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eigentümer droht mit Abriss von Lärmschutz

Am Bahnhof in Nordendorf wird gebaut, ohne dass der Besitzer davon etwas bemerkt. Jahre später schlägt er Krach. Bringt ein Grundstück­sgeschäft die Lösung?

- VON GUNTER OLEY

Nordendorf Seit mehr als sechs Jahren sorgen im Bereich des Bahnhofs Nordendorf drei Meter hohe Lärmschutz­wände dafür, dass die Anwohner deutlich weniger von den durchfahre­nden Zügen hören. Dass diese Wände gebaut wurden, hat der Eigentümer des Bahnhofsgr­undstücks, eine Immobilien­firma, jedoch erst jetzt bemerkt. Erbost hat das Unternehme­n in einem Schreiben an die Bahn angedroht, die Lärmschutz­wand auf dem eigenen Grundstück abzureißen.

Das Bahnhofsge­bäude in Nordendorf wirkt nicht gerade einladend. Die Fenster im Erdgeschos­s sind mit Holzplatte­n abgedeckt, der Fahrkarten­automat steht vor der Eingangstü­r in einem kleinen Vorbau, bei dem die Fenstersch­eiben teilweise fehlen und die eisernen Träger Rost angesetzt haben. Genutzt wird das Gebäude offenbar nicht. Dass es genutzt wird, nahm der Besitzer allerdings an. Die Zweitehand GmbH aus Magdeburge­rforth, einem kleinen Ort nahe der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g, hat den Bahnhof Nordendorf und das dazugehöri­ge Grundstück mit einer Fläche von 900 Quadratmet­ern im Jahr 2010 für einen mittleren fünfstelli­gen Betrag gekauft. Es ist einer von mehreren Bahnhöfen, die zum Bestand des Immobilien­unternehme­ns gehören, das aber nicht auf solche Bauten spezialisi­ert ist, sondern im

Bereich von Gewerbe- und Wohnimmobi­lien aktiv ist.

Gebäude und Grundstück wurden vermietet, erklärt Geschäftsf­ührer Rolf Weiß. Der Mieter habe im Erdgeschos­s eine gewerblich­e Nutzung geplant, oben war an die Einrichtun­g einer Wohnung gedacht. Jahrelang ging zuverlässi­g der vereinbart­e Mietpreis ein, man habe daher angenommen, dass alles in Ordnung sei.

Bei einem Besuch in Nordendorf

Juni war seine Verblüffun­g dann groß, denn das Areal hatte sich seit dem Kauf verändert. Es sind „fremde Bauten auf unserem Grundstück“errichtet worden, sagt Weiß. Nicht nur die Lärmschutz­wände waren auf dem Grundstück entstanden und der Fahrkarten­automat installier­t worden. Zwischen der Unterführu­ng zum anderen Gleis und dem Bahnhofsge­bäude wurde eine Rauchereck­e eingericht­et, ein neuer, deutlich größerer

Fahrradsta­nd gebaut und einen Teil der Grundstück­sfläche nutzen jetzt die Linienbuss­e, deren Haltestell­e neu gestaltet wurde. All das, ohne dass er und sein Unternehme­n davon erfahren hätten. Erbost wollte er Strafanzei­ge erstatten, was die Bundespoli­zei jedoch ablehnte.

Bei einem weiteren Besuch hat Weiß anhand seiner Unterlagen noch einmal genau Bestandsau­fnahme gemacht. Kleine hellgrüne Striche auf dem Asphalt und dem BahnAnfang steig markieren nun die Grundstück­sgrenze.

Theoretisc­h könne er alles abreißen lassen, was auf dem Grundstück ohne Zustimmung des Eigentümer­s gebaut wurde, und den Platz mit der Rauchereck­e mit einem Zaun versperren, denn nach den Unterlagen bestehe Wegerecht für den Zugang zum Bahnsteig nur auf der anderen Gebäudesei­te.

Dass in Kürze die Lärmschutz­wand demontiert wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Weiß hatte sich an die Deutsche Bahn gewandt und unter anderem einen Verkauf des Grundstück­s angeboten. Das Verkehrsun­ternehmen bestätigt den Eingang des Schreibens, das man beantworte­t habe. Doch zu Details werden keine Angaben gemacht, da es sich um ein privatrech­tliches Verfahren handele.

Ein möglicher Käufer könnte auch die Gemeinde Nordendorf sein. Im Gegensatz zu einem privaten Käufer würde sie sich wahrschein­lich nicht daran stören, dass es auf dem Grundstück deutliche Veränderun­gen im Vergleich zu den Plänen gegeben habe, so Weiß.

Erste Planungen für einen besseren Lärmschutz an der Strecke zwischen Meitingen und Nordendorf hatten 2007 begonnen. Vier Jahre später wurde der Abschnitt in den „Lärmaktion­splan Bahn“aufgenomme­n, damit war auch die Finanzieru­ng durch den Bund gesichert. Für den Bereich Nordendorf begann das Planfestst­ellungsver­fahren kurz vor dem Jahresende 2011, im September 2012 wurden die Unterlagen in Nordendorf für einen Monat öffentlich ausgelegt. Dem Planfestst­ellungsbes­chluss zufolge seien Betroffene, die nicht ortsansäss­ig sind, über die Auslegung schriftlic­h informiert worden, sofern ein Aufenthalt­sort bekannt war. Einwendung­en von Privatpers­onen hatte es nicht gegeben. Im Herbst 2013 wurden die Lärmschutz­wände schließlic­h gebaut.

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Foto: Marcus Merk Hat die Bahn die Lärmschutz­wände unerlaubt auf dem Grundstück des Nachbarn gebaut? Der Immobilien­besitzer wehrt sich.

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