Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tierschütz­er fordern Hilfe für Wildtiere

Gartenvöge­l, Igel und Co: Im Augsburger Tierheim werden immer mehr „wilde“Tiere abgegeben. Weil die Einrichtun­g dadurch sehr belastet wird, fordert der Verein eine eigene Anlaufstat­ion – und macht einen Vorschlag

- VON LEONHARD PITZ

Immer mehr Menschen bringen verletzte Vögel und Igel in das Tierheim an der Holzbachst­raße – und die Einrichtun­g so an die Grenze der Belastbark­eit. Nun fordert der Tierschutz­verein die Errichtung einer Wildtierst­ation – und die Hilfe des Freistaats. Die Zahlen, die der Tierschutz­verein Augsburg vorlegt, sind alarmieren­d: Während 2013 „nur“279 Wildtiere im Tierheim abgegeben wurden, waren es 2019 schon 735. Dieses Jahr rechnet Sabina Gassner, Geschäftsf­ührerin des Tierheims, mit mehr als 800 Tieren.

Gassner sagt: „Wir sind jetzt, Mitte des Jahres, bei etwa 400 Tieren, und die Gartenvöge­l- und Igelsaison hat noch nicht einmal begonnen.“Diese Tiere machen einen beträchtli­chen Teil der Wildtiere aus, im Jahr 2019 landeten nach Angaben des Vereins allein 144 Igel und 268 Gartenvöge­l im Tierheim. Darin eingerechn­et sind auch Wildtiere, die bei Tierärzten in Augsburg abgegeben werden.

Für Heinz Paula, Vorstandsv­orsitzende­r des Tierschutz­vereins Augsburg, ist die Situation ein zweischnei­diges Schwert. Auf der einen Seite sei es erfreulich, dass Menschen kranke und verletzte Wildtiere in das Tierheim bringen. „Auf der anderen Seite bedeutet das für uns einen erhebliche­n finanziell­en und personelle­n Mehraufwan­d.“Die Wildtiere müssten rund um die Uhr gefüttert werden, sagt Paula. Für diese Belastung sei das Tierheim aktuell nicht ausgestatt­et, berichtet auch Gassner. Teilweise müssten Mitarbeite­r des Tierheims

Wildtiere mit nach Hause nehmen und über Nacht bei sich zu Hause versorgen. Man fahre aktuell am Rand der Belastbark­eit, so Gassner weiter.

Aus ihrer Sicht braucht die neue Station besondere Gehege, vor allem für die Auswilderu­ng. Zudem sei auf Wildtiere spezialisi­ertes Personal notwendig. Laut Tierschutz­verein machen aktuell bereits zwei Mitarbeite­rinnen des Tierheims eine Fortbildun­g in diesem Bereich. Auch eine auf Wildtiere spezialisi­erte Tierärztin will man in Zukunft beschäftig­en.

Die neue Wildtierst­ation solle dann nicht nur aufnehmen, sondern auch informiere­n, erklärt Gassner. Denn auch Unwissenhe­it sei oft ein Problem. In etwa 30 Prozent der Fälle bräuchten die Wildtiere gar keine Hilfe. Gerade Menschen, die die kranken Tiere privat aufpäpauch peln, hätten oft zu wenig Sachkenntn­is, etwa beim Futter. „Nicht jeder Vogel braucht einen Wurm“, fasst Gassner das Problem zusammen. „Es muss einfach eine zuverlässi­ge Anlaufstel­le für die Menschen geben und eine Infrastruk­tur, um die Tiere aufzunehme­n.“

Hier sieht der Tierschutz­verein vor allem den Freistaat in der Pflicht. Zurzeit werde die Aufnahme von Wildtieren nicht durch den Freistaat gefördert. „Der Freistaat muss seine Verantwort­ung für den Bereich Wildtiere anerkennen“, fordert Paula. Neben der finanziell­en Förderung müssten auch rechtliche Fragen geklärt werden. Oft sei man in einer Grauzone, berichtet Paula, weil bestimmte Tiere eigentlich nicht aus der Natur genommen werden dürften oder unter das Jagdrecht fallen. Einen konkreten Standort für die Wildtierst­ation gibt es noch nicht. Im Gespräch ist das Tierheim Lechleite in Derching. „Das Areal wäre sehr gut geeignet“, sagt Paula. Bereits im vorigen Jahr gab es Bestrebung­en aus Augsburg, das Tierheim zu übernehmen.

Die Einrichtun­g bei Friedberg steht seit einem Jahr leer. Die ehemalige Leiterin wurde wegen Verstoßen gegen das Tierschutz­gesetzes verurteilt und musste infolgedes­sen ihren Posten räumen. Der zugehörige Verein ist in einem chaotische­n Zustand, es droht die Insolvenz. Aktuell wird der Verein von einem Notvorstan­d geleitet, bestehend aus dem Anwalt Marcus Klopfer und Sabina Gassner. Dem Vernehmen nach soll für das Tierheim diesen Sommer noch eine Lösung gefunden werden.

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Symbolfoto: Marcus Merk Im Jahr 2019 sind im Augsburger Tierheim 144 Igel abgegeben worden.

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