Augsburger Allgemeine (Land Nord)
FDP und Linke halten ihre Ziele im Kreistag geheim
Die Zweckehe zweier Parteien sorgt für Aufregung. Denn sie wollen der Öffentlichkeit nicht sagen, wofür sie eintreten wollen. Und genau das trägt nun auch Landrat Martin Sailer (CSU) Vorwürfe ein.
Neusäß/Landkreis Augsburg Frisch vermählte Paare teilen dann und wann ein Geheimnis. Das ist nicht nur im richtigen Leben so, sondern auch in der Politik. Zumindest im Augsburger Kreistag: Dort haben sich FDP und Linke zu einer Fraktion zusammengeschlossen, was ob der sehr gegensätzlichen Positionen beider Parteien schon zu dem Witz geführt hat, das neue Paar in der Kreispolitik werde sich demnächst für sozialen Wohnungsbau auf dem Golfplatz stark machen.
Wird sie nicht, wie der Königsbrunner FDP-Kreisrat Christian Toth am Montag im Kreistag in Neusäß verraten hat. Was die neue Fraktion dann aber tatsächlich will, das soll – ganz im Ernst – geheim bleiben. Auf einer Seite haben die beiden FDP-Kreisräte Toth und Matthias Krause und der Linke Maximilian Arnold notiert, welche gemeinsamen Ziele ihre Fraktion in den kommenden sechs Jahren verfolgen will. Öffentlich zugänglich gemacht haben sie ihre Erkenntnisse bislang nicht. Einsehen dürfen das Papier in einem Zimmer des Landratsamtes nur die Chefs der anderen Fraktionen. Reden dürfen sie nicht darüber.
Hintergrund sind die Mehrheitsverhältnisse im 70-köpfigen Kreistag. Weil sich FDP und Linke zu einer Fraktion zusammengetan haben, was erst ab drei Köpfen möglich ist, stehen ihnen Sitz und Stimme in verschiedenen Ausschüssen zu, außerdem gibt es für den Fraktionsstatus extra Geld. Um als gemeinsame Fraktion durchzugehen, müssen die beiden Partner allerdings gemeinsame Ziele und Inhalte in einem Sachprogramm benennen, in dem bisherige politische Positionen aufgegeben und neue, gemeinsame, gefunden werden. Was in besagtem Geheimpapier geschehen sein soll.
Neu ist ein derartiges Vorgehen nicht. In den vergangenen sechs Jahren war die FDP mit der ÖDP verbandelt, damals habe sich niemand um den Inhalt des gemeinsamen Vertrages gekümmert, so Landrat Martin Sailer (CSU). Das ist diesmal anders. CSU und Freie Wähler bekämpfen die Linkspartei seit Jahren und würden sie am liebsten von der Bildfläche verschwinden sehen, in Ostdeutschland lehnte auch die FDP eine Zusammenarbeit mit der Linken vehement ab.
Darauf wiesen am Montag die Vertreter der Freien Wähler hin. „Was sind denn nun die gemeinsamen Ziele?“, wollte Fraktionschefin Melanie Schappin wissen. Fabian Mehring war für eine öffentliche Debatte. „Politik lebt von Öffentlichkeit.“Dieses „skurrile Bündnis“, so Mehring, müsse doch den Wählern sagen, wofür es stehe.
Mehring legte später noch in einer Presseerklärung nach und attackierte Landrat Sailer, der gleichzeitig CSU-Vize ist. Unter dessen Regie
und im Beisein weiterer hochrangiger CSU-Politiker wie der Sozialministerin Carolina Trautner, sei die Erklärung für Fraktionsgemeinschaft der Öffentlichkeit vorenthalten worden. Überhaupt diene das Bündnis FDP/Linke nur dazu, die „wackelige Mehrheit“von CSU und
SPD im Kreistag abzusichern. FDP-Mann Toth dagegen befand die Information der Fraktionschefs für ausreichend. Sein Angebot an die Bürger: „Wenn die Wähler sich dafür interessieren, können sie eine E-Mail schreiben.“Diese werde dann beantwortet. Da könnte was zusammenkommen: Bei der Kreistagswahl erhielten Toth und sein Partei-Kompagnon Krause zusammen rund 12 000 Stimmen, der Linke Arnold kam allein sogar auf mehr als 8000. Inhaltlich ging Toth nicht auf die Ziele der gemeinsamen Fraktion ein, sondern sprach lediglich davon, „dass Anträge kommen werden.“Zudem merkte er an, dass das Interesse der Kreispolitiker überschaubar sei. Bislang habe erst ein Kreisrat das Papier in Augenschein genommen.
Das war SPD-Fraktionschef Harald Güller. Er sei schnell mit der Lektüre fertig gewesen, so der altgediente Politiker. „Viel stand ja nicht drin.“