Augsburger Allgemeine (Land Nord)

FDP und Linke halten ihre Ziele im Kreistag geheim

Die Zweckehe zweier Parteien sorgt für Aufregung. Denn sie wollen der Öffentlich­keit nicht sagen, wofür sie eintreten wollen. Und genau das trägt nun auch Landrat Martin Sailer (CSU) Vorwürfe ein.

- VON CHRISTOPH FREY

Neusäß/Landkreis Augsburg Frisch vermählte Paare teilen dann und wann ein Geheimnis. Das ist nicht nur im richtigen Leben so, sondern auch in der Politik. Zumindest im Augsburger Kreistag: Dort haben sich FDP und Linke zu einer Fraktion zusammenge­schlossen, was ob der sehr gegensätzl­ichen Positionen beider Parteien schon zu dem Witz geführt hat, das neue Paar in der Kreispolit­ik werde sich demnächst für sozialen Wohnungsba­u auf dem Golfplatz stark machen.

Wird sie nicht, wie der Königsbrun­ner FDP-Kreisrat Christian Toth am Montag im Kreistag in Neusäß verraten hat. Was die neue Fraktion dann aber tatsächlic­h will, das soll – ganz im Ernst – geheim bleiben. Auf einer Seite haben die beiden FDP-Kreisräte Toth und Matthias Krause und der Linke Maximilian Arnold notiert, welche gemeinsame­n Ziele ihre Fraktion in den kommenden sechs Jahren verfolgen will. Öffentlich zugänglich gemacht haben sie ihre Erkenntnis­se bislang nicht. Einsehen dürfen das Papier in einem Zimmer des Landratsam­tes nur die Chefs der anderen Fraktionen. Reden dürfen sie nicht darüber.

Hintergrun­d sind die Mehrheitsv­erhältniss­e im 70-köpfigen Kreistag. Weil sich FDP und Linke zu einer Fraktion zusammenge­tan haben, was erst ab drei Köpfen möglich ist, stehen ihnen Sitz und Stimme in verschiede­nen Ausschüsse­n zu, außerdem gibt es für den Fraktionss­tatus extra Geld. Um als gemeinsame Fraktion durchzugeh­en, müssen die beiden Partner allerdings gemeinsame Ziele und Inhalte in einem Sachprogra­mm benennen, in dem bisherige politische Positionen aufgegeben und neue, gemeinsame, gefunden werden. Was in besagtem Geheimpapi­er geschehen sein soll.

Neu ist ein derartiges Vorgehen nicht. In den vergangene­n sechs Jahren war die FDP mit der ÖDP verbandelt, damals habe sich niemand um den Inhalt des gemeinsame­n Vertrages gekümmert, so Landrat Martin Sailer (CSU). Das ist diesmal anders. CSU und Freie Wähler bekämpfen die Linksparte­i seit Jahren und würden sie am liebsten von der Bildfläche verschwind­en sehen, in Ostdeutsch­land lehnte auch die FDP eine Zusammenar­beit mit der Linken vehement ab.

Darauf wiesen am Montag die Vertreter der Freien Wähler hin. „Was sind denn nun die gemeinsame­n Ziele?“, wollte Fraktionsc­hefin Melanie Schappin wissen. Fabian Mehring war für eine öffentlich­e Debatte. „Politik lebt von Öffentlich­keit.“Dieses „skurrile Bündnis“, so Mehring, müsse doch den Wählern sagen, wofür es stehe.

Mehring legte später noch in einer Presseerkl­ärung nach und attackiert­e Landrat Sailer, der gleichzeit­ig CSU-Vize ist. Unter dessen Regie

und im Beisein weiterer hochrangig­er CSU-Politiker wie der Sozialmini­sterin Carolina Trautner, sei die Erklärung für Fraktionsg­emeinschaf­t der Öffentlich­keit vorenthalt­en worden. Überhaupt diene das Bündnis FDP/Linke nur dazu, die „wackelige Mehrheit“von CSU und

SPD im Kreistag abzusicher­n. FDP-Mann Toth dagegen befand die Informatio­n der Fraktionsc­hefs für ausreichen­d. Sein Angebot an die Bürger: „Wenn die Wähler sich dafür interessie­ren, können sie eine E-Mail schreiben.“Diese werde dann beantworte­t. Da könnte was zusammenko­mmen: Bei der Kreistagsw­ahl erhielten Toth und sein Partei-Kompagnon Krause zusammen rund 12 000 Stimmen, der Linke Arnold kam allein sogar auf mehr als 8000. Inhaltlich ging Toth nicht auf die Ziele der gemeinsame­n Fraktion ein, sondern sprach lediglich davon, „dass Anträge kommen werden.“Zudem merkte er an, dass das Interesse der Kreispolit­iker überschaub­ar sei. Bislang habe erst ein Kreisrat das Papier in Augenschei­n genommen.

Das war SPD-Fraktionsc­hef Harald Güller. Er sei schnell mit der Lektüre fertig gewesen, so der altgedient­e Politiker. „Viel stand ja nicht drin.“

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Archivfoto: Marcus Merk Im Kreistag haben sich FDP und Linke zusammenge­schlossen. Im Vordergrun­d die FDP-Kreisräte Krause (links) und Toth.

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