Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Pflegeplät­ze dringend gesucht

Einen Platz im Seniorenhe­im zu finden gestaltet sich in Corona-Zeiten schwierig bis unmöglich. Was Angehörige tun können und welche Alternativ­en sie haben

- VON CARMEN JANZEN

Landkreis Augsburg Der Pflegebeda­rf richtet sich nicht nach einem Virus. Doch wer sich in Zeiten von Corona auf die Suche nach einem Platz im Pflegeheim machen muss, tut das unter erschwerte­n Bedingunge­n.

Zu Beginn des Lockdowns im März haben viele Pflegeheim­e wochenlang keine neuen Patienten aufgenomme­n. Zimmer mussten leer bleiben, um Isolations­möglichkei­ten zu schaffen, für den Fall der Fälle. „Die Heime waren zudem sehr zurückhalt­end. Jeder von außen stellte ein Infektions­risiko dar“, sagt Regina Mayer. Sie ist die Leiterin des Fachbereic­hs „Soziales Betreuungs­wesen und Seniorenfr­agen“am Landratsam­t Augsburg. Mittlerwei­le dürfen die Heime zwar wieder Neuzugänge aufnehmen, doch die meisten sind schlicht voll. „Die Pflegesitu­ation ist schon länger angespannt. Viele bekommen zeitnah keinen Platz in ihrem Wunschheim. In den meisten gibt es Warteliste­n“, sagt Regina Mayer.

Das musste auch Brigitte Frisch aus Königsbrun­n erfahren. Ihr 88 Jahre alter Vater hatte sich selbst noch vor Corona in einem Pflegeheim angemeldet, er ging dort bereits regelmäßig sonntags zum Mittagesse­n, hat sich wohlgefühl­t und Bekannte wieder getroffen. Einen Platz hat er aber noch nicht bekommen. Er steht auf Platz 17 der Warteliste.

Doch nun verschlech­tert sich sein Zustand. „Er verfällt zusehends, vereinsamt, die Demenz wird von Tag zu Tag schlimmer. Ich rufe jede Woche in diesem Pflegeheim an, aber bekomme immer die Auskunft, dass sie nicht aufnehmen dürfen. Ich stoße gerade an meine Grenzen“, so die 63 Jahre alte Tochter, die eigentlich selbst ins Krankenhau­s müsste, um ihr Knie operieren zu lassen. Aber wegen der Pflege des Vaters kann sie nicht weg.

verzwickte­r erlebt Susanne Schmied* aus Zusmarshau­sen die aktuelle Situation. Die 30-Jährige und ihr Mann erwarten in einigen Wochen ein Kind. Aber wohin mit der 85 Jahre alten dementen Großmutter während der Geburt? „Alleine lassen? Das geht nicht mehr. Sie ist schon mal weggelaufe­n“, sagt die junge Mutter. Eigentlich hätte sie Anspruch darauf, dass die Großmutter sechs Wochen im Jahr in einem Heim betreut wird. Kurzzeitpf­lege nennt sich das. „Die Aussicht auf einen Kurzzeitpf­legeplatz für einige Wochen ist überhaupt nicht gegeben. Die Einrichtun­gen nehmen niemanden auf“, berichtet sie. Für die Langzeitpf­lege hat Susanne Schmied nur einen Platz auf einer Warteliste bekommen. Und selbst die Tagesbetre­uung in Zusmarshau­Noch sen, in der die demente Großmutter bislang, also vor Corona, untertags betreut worden war, hat seit dem Lockdown im März geschlosse­n. Wann sie wieder öffnet, ist noch unklar. Vermutlich erst im Herbst. „Die alten Leute und deren Angehörige werden völlig vergessen in dieser Zeit“, ärgert sich Susanne Schmied. Die Sozialstat­ion hat ihr mittlerwei­le wenigstens zugesagt, während der Geburt ihres Kindes eine Demenzbetr­euung für die Oma zu organisier­en, bis der Vater wieder vom Krankenhau­s heimkommt. „Das ist zumindest ein Strohhalm, an den ich mich klammern kann“, sagt sie.

Doch die Pflegesitu­ation bleibt wohl auch in Zukunft angespannt. Die Plätze sind Mangelware – unabhängig von Corona, weiß Regina Mayer vom Landratsam­t. Denn nicht nur die Pflegeplät­ze würden verzweifel­t gesucht, sondern auch die Mitarbeite­r: „Es ist derzeit keiner bereit, eine stationäre Einrichtun­g aufzumache­n, denn es mangelt an Personal. Das Haus dafür wäre schnell gebaut, aber das bringt nichts, wenn die Mitarbeite­r fehlen.“

Wer trotz aller Bemühungen keinen Platz für einen Angehörige­n im Pflegeheim, in Kurzzeitpf­lege oder in der Tagespfleg­e bekomme, könne sich an einen ambulanten Pflegedien­st wenden, der die Angehörige­n etwas entlaste, so Mayer.

Andreas Claus, Vorsitzend­er des Caritasver­bandes Schwabmünc­hen, rät Angehörige­n, sich bereits sehr frühzeitig bei der gewünschte­n Pflegeeinr­ichtungen zu melden und sich auf eine Warteliste setzen zu lassen, noch bevor der Pflegefall eintritt. Denn auch im Schwabmünc­hner Caritas-Haus Sankt Raphael sind alle Plätze belegt. Im Akutfall müsse man derzeit eine „gewisse Flexibilit­ät“mitbringen und gegebenenf­alls auf ein weiter entferntes Heim ausweichen, so Claus.

Brigitte Frisch aus Königsbrun­n hingegen geht einen anderen Weg: Sie sucht für ihren Vater über eine Agentur eine osteuropäi­sche Pflegekraf­t, die sich zu Hause um ihn kümmert. „Ich habe das Glück, dass ich den Platz habe und der Pflegekraf­t eine kleine Wohnung zur Verfügung stellen kann. Aber wer hat das schon?“

*Name von der Redaktion geändert.

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Foto: Angelika Warmuth, dpa (Symbolbild) Zu Beginn des Lockdowns haben viele Pflegeheim­e wochenlang keine neue Patienten aufgenomme­n. Auch jetzt bekommen viele keinen Platz in ihrem Wunschheim und landen auf der Warteliste.

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