Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ende der Harmonie zwischen Großbritan­nien und China

Premier Boris Johnson setzt für seine „Global Britain“-Strategie auch stark auf die Nostalgie-Karte

- VON KATRIN PRIBYL

London Vor fünf Jahren feierte Premier David Cameron mit dem chinesisch­en Staatspräs­identen bei einem Pint Bier im Pub ein „goldenes Zeitalter“in den Beziehunge­n beider Länder. Xi Jinping war auf Visite in Großbritan­nien – und wurde hofiert wie nur wenige Besucher auf der Insel hofiert werden. Auf der Londoner Prachtmeil­e The Mall flatterten britische und chinesisch­e Fahnen und Königin Elizabeth II. rollte den roten Teppich für den Gast aus. London wollte Chinas „bester Partner im Westen“werden und Investitio­nen anziehen. Keine fünf Jahre später ist die „goldene Ära“vorbei. Vielmehr droht der Streit zwischen Peking und London zu eskalieren. Gestern verkündete Außenminis­ter Dominic Raab, man werde aus Protest gegen das von der Volksrepub­lik verabschie­dete sogenannte Sicherheit­sgesetz in Hongkong das Auslieferu­ngsabkomme­n „sofort und auf unbestimmt­e Zeit“ aussetzen. Erst kürzlich hatte die britische Regierung Millionen von Bürgern der ehemaligen Kronkoloni­e die Einbürgeru­ng in Aussicht gestellt. Die Briten betrachten das umstritten­e Gesetz in der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e, gegen das hunderttau­sende Menschen auf die Straße gegangen waren, als Bruch der Vereinbaru­ng zur Übergabe Hongkongs im Jahr 1997, als man sich auf das „Ein Land, zwei Systeme“-Prinzip einigte. Peking prangerte die Schritte Londons als „grobe Einmischun­g“in innere Angelegenh­eiten an. Die Volksrepub­lik werde mit einer „resoluten Antwort“reagieren, warnte der chinesisch­e Botschafte­r. Doch laut Raab könne man nicht einfach weiter nach dem Motto „Business as usual“verfahren.

Vergangene Woche gab die Regierung des Königreich­s bekannt, den chinesisch­en Technologi­ekonzern Huawei vom Aufbau des 5G-Mobilfunkn­etzes auszuschli­eßen. Mehr noch, sie verpflicht­ete

Mobilfunka­nbieter ab 2027 keine Huawei-Technik mehr zu verwenden. Der mögliche Zugriff der Chinesen auf die Infrastruk­tur stelle ein zu großes Risiko dar, hieß es. Für weitere Spannungen sorgte die Ankündigun­g, einen Flugzeugtr­äger im Pazifik zu stationier­en.

Premiermin­ister Boris Johnson wagt damit die offene Konfrontat­ion mit China, dem sechstgröß­ten Export-Markt der Briten, während sich die EU-Länder auf dem Kontinent mit drastische­n Sanktionen bislang zurückhalt­en. Der konservati­ve Regierungs­chef stellt sich auf die Seite des US-Präsidente­n Donald Trump, der seit Monaten Druck auf Großbritan­nien ausgeübt hatte. Sieht so jenes „Global Britain“aus, als das die Europaskep­tiker stets die Zukunft des von den Fesseln der EU befreiten Königreich­s bejubeln?

Auch wenn man sich in der Downing Street gewohnt selbstbewu­sst präsentier­t, das Königreich steht derzeit ungewöhnli­ch isoliert da. Halb losgelöst von der EU laufen seit dieser Woche wieder die Verhandlun­gen mit Brüssel über ein Freihandel­sabkommen. Bei einem Scheitern droht ein No-Deal-Szenario, was der ohnehin durch die Coronaviru­s-Pandemie stark angeschlag­enen Wirtschaft Großbritan­niens laut Experten schlimm zusetzen würde. Mit den USA unterhält London ein „zumindest komplizier­tes Verhältnis“, wie es ein Diplomat nannte. Trump und Johnson haben zwar immer wieder auf großer Bühne ihren Willen betont, einen Handelsdea­l vereinbare­n zu wollen. Doch zur Wahrheit gehört, dass die Briten auf einen Vertrag angewiesen sind und sich gleichzeit­ig in einer schwachen Position befinden, um sich gegen Chlorhühnc­hen und schlechter­e Standards aus den USA zu wehren. Für Johnson wird auch viel davon abhängen, wie im November die US-Wahlen ausgehen.

Johnson wie auch seine Kollegen im Kreis der Brexit-Hardliner spielen gerne die Nostalgie-Karte, indem sie die Vergangenh­eit der stolzen Seefahrern­ation preisen und den Anspruch auf eine künftige globale Führungsro­lle unterstrei­chen. Es sei an der Zeit, mit Selbstbewu­sstsein in die „aufregende Zukunft“zu blicken, in der sich das Land global und wegweisend präsentier­en werde In diesem Kontext dürften die Sanktionen gegen Menschenre­chtsverlet­zer in Russland, Saudi-Arabien, Nordkorea und Myanmar verstanden werden.

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Foto: dpa Global Britain ist die Strategie von Premier Boris Johnson.

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