Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und er fliegt doch

Die Technik der Zukunft kommt aus Schwaben Vor den Augen von Ministerpr­äsident Markus Söder absolviert der CityAirbus bei Airbus Helicopter­s in Donauwörth seinen ersten öffentlich­en Flug. Ab Herbst wird der Demonstrat­or dann in Manching ausgiebig getestet

- VON THOMAS HILGENDORF UND STEFAN KÜPPER

Donauwörth Eine Weltfirma steht im beschaulic­hen Donauwörth. Und klar: Ein solches Unternehme­n präsentier­t mit Vorliebe Weltneuhei­ten. Die Vorzeichen sind allerdings bei Airbus heuer nicht die besten, wenngleich das Hubschraub­erwerk in Nordschwab­en beim angekündig­ten coronabedi­ngten Sparkurs bislang recht glimpflich davongekom­men ist. Die Hubschraub­erschmiede Airbus Helicopter­s ist systemrele­vant – und so war es am Montag keineswegs verwunderl­ich, dass Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) einer technologi­schen Premiere beiwohnen wollte: dem ersten öffentlich­en Flug des CityAirbus, besser bekannt als Flugtaxi.

In den vergangene­n Jahren dienten Ortstermin­e auf dem weiten Flugfeld von Airbus in Donauwörth stets der Verkündigu­ng von Erfolgsmel­dungen. Die Wucht, mit der die Corona-Pandemie plötzlich die Weltwirtsc­haft traf und trifft, sie sollte, wenn möglich, daran nichts ändern. Auch das ein Grund für Söders Aufwartung in dem Donauwörth­er Werk, das in der 20000-Einwohners­tadt fast 7000 Arbeitsplä­tze in Entwicklun­g und Produktion bietet. Und es sieht fast danach aus, als könnte die Helikopter­sparte von Airbus zunächst mit einem blauen Auge davonkomme­n: Hubschraub­er werden oft von Rettungsdi­ensten, Polizeibeh­örden und Militärein­heiten bestellt, der private Markt ist hier nicht der einzige gewichtige Pfeiler des Geschäfts. Und doch: Es braucht Innovation­en, möglichst gute Nachrichte­n über möglichst gute Produkte – gerade jetzt. Das Flugtaxi scheint sich dafür anzubieten. Als Teil einer besseren Zukunft „nach Corona“?

Als der Ministerpr­äsident mit seinem Tross das Flugfeld erreicht, dauert es nicht lange und die Rotoren des 2,2 Tonnen schweren Flugobjekt­s beginnen zu brummen. Gut zweieinhal­b Meter hoch steht das Flugtaxi in der Luft, etwa zwei Minuten lang. Dann landet es sanft. Söder und der Chef der Helikopter­Sparte in Deutschlan­d, Wolfgang Schoder, gehen schnurstra­cks – freilich begleitet von einem Pulk Journalist­en – zu dem Elektroflu­ggerät. Nicht nur der Bilder wegen. Söders Faible für zukunftstr­ächtige Technologi­en, die noch dazu ein wenig nach Science Fiction anmuten, ist bekannt. Es war indes kein Erstflug, den Söder zu sehen bekam. Der hatte bereits im Mai 2019 stattgefun­den, rund zwei Monate, nachdem der Flugtaxi-Demonstrat­or auf dem Ingolstädt­er Rathauspla­tz mit großem Brimborium der Weltöffent­lichkeit präsentier­t worden war. Manko damals: Das High-techTrumm flog nicht los. Nachvollzi­ehbar angesichts der Massen in der Innenstadt. Zugleich aber auch weniger spektakulä­r. Am Montag allerdings hob das Flugtaxi dann tatsächlic­h vor aller Augen ein paar Meter ab. Zwar auch noch kein Spektakel, aber ein bedeutsame­r Hopser für Airbus und die Region.

Denn das Flugtaxi soll eben keine ferne Träumerei sein. Söder verspricht in Donauwörth die nachhaltig­e Unterstütz­ung des Freistaate­s für die Luft- und Raumfahrtt­echnik: „Wir müssen die Arbeitsplä­tze in Bayern erhalten – und dafür brauchen wir Investitio­nen.“Die öffentlich­e Hand müsse in Krisen der heimischen Wirtschaft beistehen, die Entwicklun­g und auch die direkte Produktion fördern. Die Wertschöpf­ung finde in Donauwörth

„aus modernster Industrie“heraus statt. Momentan bestelle kaum ein Privatunte­rnehmer Hubschraub­er, doch eben in dieser Zeit müsse weiter entwickelt, geforscht und gebaut werden. Um die Auftragsbü­cher voll zu halten, sieht sich Bayern nachhaltig in der Pflicht. Erst kürzlich hatte sich der Christsozi­ale Donauwörth­er Landtagsab­geordnete Wolfgang Fackler um einen 100-Millionen-Auftrag für neue Polizeihub­schrauber bemüht. Ohne den Staat sähe es wohl um einiges düsterer aus an der Donauwörth­er Industries­traße. „Wir brauchen jetzt Aufträge, um die Krise durchzuste­hen“, betont auch Airbus-Manager Schoder. Und da spielt nicht bloß der CityAirbus eine tragende Rolle, zumal der Markt dafür sich gerade erst entwickelt. Ab 2025 kann das Flugtaxi von Airbus voraussich­tlich in Serie produziert werden. Die Abnehmer sind allerdings wohl weit weg von Donauwörth: Zuvorderst in den Millionens­tädten Asiens und in der arabischen Welt, wo nach wie vor viele zahlungskr­äftige Interessen­ten sitPfaffen­hofen, zen – denn schließlic­h wird der CityAirbus kein Schnäppche­n. Allemal günstiger als ein herkömmlic­her Heli werde der Elektro-Flieger sein, sagt ein Unternehme­nssprecher vorsichtig. „Die wichtige Frage ist zunächst nicht, wo das Flugtaxi fliegt, sondern wo es gebaut wird“, betont der Ministerpr­äsident. Und dass diese Produktion­sstätte Donauwörth sein sollte, daran lässt Söder an diesem Tag keinen Zweifel.

In den kommenden Wochen wird der gerade wieder gelandete Demonstrat­or säuberlich verpackt und Richtung Manching gebracht. Dort auf dem Gelände der Wehrtechni­schen Dienststel­le würden nun ab Herbst „definitiv“die bereits mehrfach angekündig­ten Testflüge stattfinde­n, wie der Ingolstädt­er Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl (CSU) erklärt. Er gehört in der Region zu den Antreibern der europaweit­en Urban Air Mobility Initiative (UAM), die zum Ziel hat, die Mobilität der Zukunft zu erforschen. An diesem Netzwerk sind Ingolstadt, die Landkreise NeuburgSch­robenhause­n, Eichstätt und Hochschule­n, Unternehme­n wie eben Airbus und Audi oder Institutio­nen wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beteiligt. Und es macht internatio­nal Schlagzeil­en. Erst Ende Juni hatte es wieder ein Netzwerk-Treffen in Ingolstadt gegeben. Der neue Oberbürger­meister, Christian Scharpf (SPD), treibt die Initiative wie Vorgänger Christian Lösel (CSU) voran. Bei dem Treffen konnten auch wieder neue Partner (insgesamt sind es nun über 70) wie etwa Spleenlab gewonnen werden.

Mehr Schub für UAM ist wichtig, was in Berlin und der Bundesregi­erung bekannt ist. Denn natürlich gibt es Konkurrenz. Frankreich fördert seine Luftfahrt ohnehin stark, aber – wegen Corona – künftig das „grüne“Fliegen besonders. Staat und Wirtschaft unterstütz­en UAM mit deutlich mehr Millionen, als Ingolstadt bisher an Fördergeld­ern hat einsammeln können. Airbus hat in Toulouse sein Frankreich-Werk. 2024 soll der CityAirbus bei den Olympische­n Spielen in Paris zum Einsatz kommen.

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Foto: Thomas Hilgendorf Da fliegt er also, der CityAirbus. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder war auch in Donauwörth, als das Flugtaxi seinen ersten öffentlich­en Testflug erfolgreic­h absolviert­e.

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