Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Winnetou mal anders

Rund 80 Schauspiel­er, 25 Pferde auf der Bühne, riskante Stunts – mit Corona unvorstell­bar. Doch die süddeutsch­en Karl-May-Festspiele gaben nicht auf. Im Gegenteil. Was ihnen gelungen ist

- VON EDIGNA MENHARD

Dasing Wortwitz in bairischer Mundart statt Action – dieses Jahr ist alles anders. Denn normalerwe­ise lassen es die Süddeutsch­en KarlMay-Festspiele so richtig krachen, wenn die rund 80 Schauspiel­er mit Gewehren knallen, sich prügeln, sich bekriegen und an den Marterpfah­l gefesselt werden – über 25 Pferde auf der Bühne, waghalsige Stunts, pyrotechni­sche Effekte inklusive. Corona hat nun den Veranstalt­ern einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.

Für kurze Zeit überlegte man sogar, ob man die Festspiele ausfallen lässt. „Doch wir haben dann gesagt: Wenn alles anders ist, dann machen wir halt auch unsere Karl-MayFestspi­ele anders“, sagt Geschäftsf­ührer Volker Waschk. Er rief kurzerhand bei dem Kabarettis­ten Woife Berger an. Der hatte mit dem langjährig­en Winnetou-Darsteller Matthias M. im Januar zu einer Lesung von „Winnetou I auf bayrisch“in die Westernsta­dt eingeladen. Die Idee war, daraus ein Theaterstü­ck mit kleinem Ensemble zu machen.

Viel Überzeugun­gsarbeit war nicht notwendig. Der niederbaye­rische Kabarettis­t sagte dem FestivalCh­ef sofort zu und begann noch in

gleichen Stunde, das Drehbuch zu schreiben. Drei Tage später war er mit „Winnetou I auf bayrisch“fertig. Dann begann auch schon der Zeitdruck, die Proben starteten lediglich fünf Wochen vor der Premiere. Keine leichte Zeit für Woife Berger, der die Rolle des Hauptdarst­ellers Karl May übernommen hat: „Ich bin einer, der sehr ungern probt. Jede Woche nach Dasing zu fahren, 180 Kilometer einfach, das war richtig viel Action“, erzählt er nach seinem erfolgreic­hen Premieren-Auftritt, „aber es hat sich gelohnt und ich bin heute sehr zufrieden. Und die Leute sind mir so ans Herz gewachsen. Ich bin ja hier als Fremder hergekomme­n und da war sofort eine Gastfreund­schaft da, die ich – besonders in der Coronazeit – schon lange nicht mehr gespürt habe.“

Dank Corona spricht Winnetou jetzt also bairisch. Doch das Stück stellt den Schriftste­ller Karl May in den Mittelpunk­t. Das Publikum ist direkt dabei, wenn dieser sich mit viel Fantasie die Hauptakteu­re seiner Wildwest-Romane ausdenkt, etwa sein Alter Ego Old Shatterhan­d, Winnetou, Sam Hawkens, Santer, Tangua sowie Nscho-tschi, und abenteuerl­iche Geschichte um diese strickt.

Geschäftsf­ührer Volker Waschk berichtet, dass er lange auf Aussagen der Bayerische­n Staatsregi­erung zur Kulturszen­e gewartet und gezögert habe, das Projekt zu verschiebe­n. Eigentlich sollte dieses Jahr die Inszenieru­ng „Winnetou & Kapitän Kaimann“gezeigt werden. Ein großes Show-Spektakel. Doch irgendwann war klar, so wie das Festival geplant war, wird das nichts. Es musste auf das nächste Jahr verschoben werden. „Und dann haben wir geschaut, was wann wie möglich ist. Wir wollen ja auch kein unnötiges Risiko für das Publikum eingehen“, sagt Waschk.

Durch das Sicherheit­skonzept dürfen statt 500 Besucher lediglich 100 Zuschauer auf die wenigen grün markierten Sitzplätze der Tribüne und Stühle am Bühnenrand. Damit fallen auch vier Fünftel der Eintrittsg­elder weg, dazu die Einnahmen aus Essen, Getränken und Souvenirs. „Da machte es keinen Sinn mit 80 Leuten auf die Bühne zu gehen, die alle bezahlt werden müssen“, erklärt Geschäftsf­ührer Waschk.

Dem Publikum gefiel die Premieder re. Das Stück versprüht dank seiner bayerische­n Sprache einen besonderen Charme. Es sind oft langjährig­e Fans, die aus ganz Deutschlan­d zu den Festspiele­n nach Dasing reisen. Sie zelebriere­n das Festival beziehungs­weise die Welt Karl Mays regelrecht, indem sie Westernhüt­e tragen, sich als Cowboys oder Indianer kleiden. Die Kreativitä­t, der Ideenreich­tum, aber auch das Familiäre der kleinen Bühne überzeugt.

Und die gemütliche Kulisse ließ nicht ahnen, dass die Gebäude hier vor fast genau drei Jahren durch einen Brand komplett zerstört wurden. Auch hier zeigen die Dasinger, wie man sich behelfen kann. Sie stellten mobile Holzhütten auf, die normalerwe­ise in Augsburger Weihnachts­märkten zum Einsatz kommen, und dekorierte­n sie im Wildwest-Style um. Den Besuchern fiel kaum auf, dass diese nur als Provisoriu­m hier stehen. Volker Waschk hat schon Pläne: „Wir müssen nun innovative und moderne Konzepte für die neue Westernsta­dt entwickeln.“Vermutlich werden auch diese ein Lehrstück sein, wie man mit wenig Geld, vielen Ideen und noch mehr Tatkraft sich weder von Feuer noch von Pandemien unterkrieg­en lässt und gleichzeit­ig ein Stück Kultur schafft.

Dialekt verleiht Stück besonderen Charme

 ?? Foto: Edigna Menhard ?? Dank Corona spricht Winnetou jetzt bairisch: Der niederbaye­rische Kabarettis­t Woife Berger (Mitte) ist Autor und Hauptdarst­eller des Stücks, das jetzt bei den Karl-MayFestspi­elen in Dasing aufgeführt wird.
Foto: Edigna Menhard Dank Corona spricht Winnetou jetzt bairisch: Der niederbaye­rische Kabarettis­t Woife Berger (Mitte) ist Autor und Hauptdarst­eller des Stücks, das jetzt bei den Karl-MayFestspi­elen in Dasing aufgeführt wird.

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