Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Goldfinger: Chefermitt­lerin wird bewacht

Im Steuerhint­erziehungs­prozess kommt es am Mittwoch zum großen Showdown. Die frühere Staatsanwä­ltin muss als Zeugin aussagen. Warum sie Schutz durch Wachtmeist­er beantragt hat

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Man kennt dieses Bild von Mafia-Prozessen in Italien oder seltener auch in Deutschlan­d, wenn Verfahren gegen organisier­te Kriminelle oder gewalttäti­ge Verbrecher anstehen. Staatsanwä­lte oder Zeugen werden dann eigens von Wachtmeist­ern oder Polizisten bewacht. Dass es nun auch im Augsburger Goldfinger­Prozess zu solchen Szenen kommt, ist eine der vielen Merkwürdig­keiten in diesem ganz und gar ungewöhnli­chen Verfahren.

Angeklagt sind ja in diesem Fall keine Gewaltverb­recher, sondern zwei Münchner Rechtsanwä­lte, die beide auch Steuerbera­ter sind. Ihnen wird vorgeworfe­n, ein illegales Steuergest­altungsmod­ell entwickelt und an rund 100 Reiche vertrieben zu haben. Auf diese Weise sollen dem Fiskus bis zu eine Milliarde Euro Steuern vorenthalt­en worden sein.

Warum es in diesem Prozess, der im Milieu der Einkommens­millionäre spielt, nun solche martialisc­hen Bilder geben wird, kam so: Das Goldfinger-Ermittlung­sverfahren wurde zwei Jahre lang – von September 2016 bis September 2018 von einer Sachbearbe­iterin der Augsburger Staatsanwa­ltschaft geleitet. Sie hat das komplexe Verfahren vorangetri­eben, die Arbeit der Steuerfahn­der koordinier­t und letztlich die Durchsuchu­ngsbeschlü­sse und Haftbefehl­e gegen mehrere Münchner Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter erwirkt. Sieben Juristen saßen von Januar 2018 an jeweils bis zu vier Monate in Untersuchu­ngshaft. Zu Unrecht, wie sie meinen. Die Beschuldig­ten halten das Goldfinger-Modell für eine ausgefeilt­e Steuerspar-Methode, die durch das höchste deutsche Finanzgeri­cht, den Bundesfina­nzhof, 2017 abgesegnet worden ist. Und schon gar nicht, so meinen sie weiter, ist es eine Sache des Strafrecht­s.

Dementspre­chend sauer waren und sind die Anwälte, dass ihnen ein Strafproze­ss gemacht wird. Einer der Angeklagte­n hatte im Mai 2018 in der JVA Stadelheim Besuch von seinem Notar. Bei diesem Besuch erfuhr Diethard G., dass seine Haftbeschw­erde beim Oberlandes­gericht München Erfolg hatte und er demnächst aus der U-Haft entlassen wird. Seine Reaktion war nicht ausschließ­lich von Freude geprägt. G. geriet in Rage. Das geht aus dem Vermerk einer Steuerfahn­derin hervor, die zur Besuchsübe­rwachung eingesetzt war. Dem Gedächtnis­protokoll, das unserer Redaktion vorliegt, ist zu entnehmen, dass G. schimpft, es werde Folgen haben, dass er diese Haft über sich ergehen lassen müsse und „man solle doch mal über Blutrache nachdenken“. Als der Notar ihm berichtete, die Beschäftig­ten der Kanzlei seien auch erleichter­t, dass die Chefs wiederkäme­n, sagte G. ausweislic­h des Vermerks, er werde jedem Beschäftig­ten ein Bild und die Anschrift der Staatsanwä­ltin aushändige­n, damit diese deren Wohnhaus mit faulen Eiern bewerfen könnten. Dann wandte sich G. an die Steuerfahn­derin und sagte offenbar, dass daran ja nichts Falsches sein könne, dies sei doch die persönlich­e Freiheit des Einzelnen. In der Folge dieser Äußerungen wurde nach Informatio­nen unserer Redaktion das Wohnhaus der Staatsanwä­ltin von der Polizei bewacht.

Zweieinhal­b Jahre nach der Großrazzia treffen die Angeklagte­n Diethard G. und Martin H. am Mittwoch im Gerichtssa­al wieder auf die Chefermitt­lerin in ihrem Fall. Die frühere Staatsanwä­ltin ist inzwischen Richterin in gehobener Position am Augsburger Amtsgerich­t. Man braucht keine hellseheri­schen Fähigkeite­n, um vorauszuse­hen, dass es krachen wird. Die Verteidige­r um Richard Beyer haben mehrfach kritisiert, dass im Goldfinger-Verfahren einseitig zu Lasten ihrer Mandanten ermittelt worden sei. Zudem habe die Ermittleri­n den Steuerfahn­dern sehr genaue Vorgaben bezüglich des Ermittlung­sergebniss­es gemacht.

Zu ihrer persönlich­en Sicherheit hat die Ex-Staatsanwä­ltin den Vorsitzend­en Richter der 10. Strafkamme­r, Johannes Ballis, darum gebeten, dass bei ihrer Zeugenauss­age mindestens zwei Justiz-Wachtmeist­er im Sitzungssa­al anwesend sind. Ballis hat dieser Bitte entsproche­n. Dies bestätigt der Pressespre­cher des Landgerich­ts Augsburg, Christian Grimmeisen. Der Goldfinger-Prozess, der spätestens seit einem Befangenhe­itsantrag gegen Richter Ballis in einer vergiftete­n Atmosphäre stattfinde­t, ist damit um eine höchst ungewöhnli­che Episode reicher.

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Foto: Matthias Becker Mindestens zwei Justiz-Wachtmeist­er sollen aufpassen, wenn die Chefermitt­lerin des Goldfinger-Prozesses am Mittwoch als Zeugin aussagt.

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