Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der digitale Fortschritt war auch sein Antrieb
Schon früh arbeitete Peter Schwertschlager im Unterricht mit dem Computer. Am Gymnasium bei St. Anna war ihm in seiner Zeit als Schulleiter aber auch der kritische Umgang mit dem Internet wichtig. Wie er kurz vor seinem Ruhestand die Homeschooling-Phase e
Im Februar hat sich Peter Schwertschlager noch überlegt, wie er seinen Abschied aus dem Schulleben gestaltet will. Nur einen Monat später hatte sich Schule „pulverisiert“, wie es der Schulleiter des Gymnasiums bei St. Anna ausdrückt. Das Coronavirus hatte seinen ursprünglichen Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die weltweite Pandemie hat ihm, der seit vielen Jahren das digitale Lehren und Lernen vorantreibt, aber auch vor Augen geführt, was im Unterricht alles möglich ist.
Eine ganze Menge, wie er feststellte. Etwa wenn nun Lehrer „hybrid“unterrichten – also einen Teil ihrer Klasse im Präsenzunterricht in der Schule und den anderen Teil live via Videostream. Oder wenn Sechsklässler plötzlich Referate per LiveStream halten und ihre Klassenkameraden per Online-Schalte applaudieren. Oder wenn Schüler nach 14 Wochen Homeschooling wieder in die Schule zurückkehren und plötzlich viel bessere Leistungen zeigen als zuvor.
„Ich habe viele positive Rückmeldungen zum Homeschooling bekommen“, sagt Peter Schwertschlager. Seine Erkenntnis der vergangenen Monate ist, dass sich die digitale Infrastruktur an bayerischen Schulen ändern müsse. „Das ist nun keine Bitte mehr. Durch Corona ist es zu einer Aufforderung geworden“, betont er. Der 64-Jährige wird nicht müde, das zu wiederholen. Schon früh begab er sich auf digitales Territorium.
Aber von Anfang an. Nach seinem Abitur am Gymnasium bei St. Stephan studierte der gebürtige Augsburger Lehramt für Gymnasium in seiner Heimatstadt. Seine Fächerkombination Deutsch/Geschichte/Sozialkunde unterrichtete er als Referendar an seiner früheren Schule.
Von Januar 1993 bis 1996 ging er mit seiner Frau und seiner damals zweijährigen Tochter an die Deutsche Schule nach Pretoria in Südafrika. Eine sehr prägende Phase für ihn – er habe Rassismus und Armut gesehen. Die Apartheid wurde damals gerade aufgehoben, sei aber noch überall spürbar gewesen. „Es war der Übergang zu Nelson Mandela, der dann Präsident wurde“, sagt Schwertschlager.
Zurück in Deutschland ging es für ihn zurück ans Gymnasium bei St. Stephan bevor er an die Bayerische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit nach München wechselte. Anschließend nahm er eine Stelle im Bayerischen Kultusministerium an, für das er den Newsletter ins Leben rief und den Internetauftritt ausbaute. „Am Ende waren es über 6000 Seiten, die ich händisch pflegte“, erinnert er sich. Schwertschlager erinnert sich gut an die Zeit von 1999 bis 2001, die er im Kultusministerium in München verbrachte. „Ich habe dort verstanden, was es bedeutet, mit einem Netz zu arbeiten.“So spannend dieser Job auch war, Schwertschlager sehnte sich in den Schuldienst zurück und bewarb sich um die Schulleiterstelle am Gymnasium Wertingen. In einem „tollen Team“verbrachte er sechs Jahre, führte dort im Jahr 2005 die erste Laptop-Klasse ein. Er stellte dabei schnell fest: „Mit dem Laptop muss der Unterricht neu gedacht werden.“
Als der Schulleiter 2007 ans Gymnasium bei St. Anna nach Augsburg wechselte, hatte er nicht nur viele Erfahrungen, sondern auch viele Ideen im Gepäck. 2010 wurde das „Anna“Präferenzschule für Medienbildung. Dabei sei es ihm auch immer um den „kritischen Umgang“mit Medien gegangen. „Unsere Medienscouts nehmen dabei eine wichtige Rolle ein.“Er wisse, von seinem Lehrerkollegium habe er stets viel abverlangt – viel Zeit und Energie, um den Unterricht des 21. Jahrhunderts zu lehren und leben. Dafür hätte er sich gerne bei einer großen Verabschiedungsfeier bei allen bedankt, die seine Schullaufbahn begleiteten.
Wenn er mit Abschluss des Schuljahres in den Ruhestand geht, wird er künftig „brutal“die Schüler vermissen. Was er weniger vermissen werde ist der „Wahnsinn“, wie er es nennt, die Organisation des Schulalltags. „Ausnahmen werden zur Regel. Niemand ist mehr bereit, sich an Regeln zu halten“, sagt er.
Peter Schwertschlager freut sich darauf, nicht mehr um 7.15 Uhr am Schreibtisch sitzen zu müssen und mehr Zeit für seinen fünfmonatigen Enkelsohn zu haben. Vorerst will er sich aber nicht für allzu viele Aktivitäten festlegen. „Ich will keinen neuen Terminkalender.“Es sei viel liegen geblieben. Dinge, die er im Ruhestand angehen will.