Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was sich die Bürger als Fahrradfah­rer wünschen

Vor acht Jahren hat der Stadtrat beschlosse­n, aus Augsburg eine Fahrradsta­dt zu machen. Wie viel seitdem passiert ist, verdeutlic­ht Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) bei einem Diskussion­sabend. Manchen aber reicht das nicht

- VON INA MARKS

Beim Thema Fahrradfah­ren in der Stadt schneidet Augsburg in der aktuellen Bürgerumfr­age mittelmäßi­g ab. Die Mehrheit der über 5000 Befragten sagte, dass man in der Stadt mit dem Rad zügig Ziele erreichen kann. Anderersei­ts wurden Schwachpun­kte wie etwa ungenügend­e Radwege bemängelt. Bei einer Podiumsdis­kussion im Annahof haben kürzlich Vertreter der Politik, Polizei und des Aktionsbün­dnisses „Fahrradsta­dt Jetzt“über die Herausford­erungen diskutiert.

Vor acht Jahren hatte der Stadtrat einstimmig beschlosse­n, Augsburg zu einer Fahrradsta­dt zu machen. Seitdem seien in der Stadt über 60 Einzelmaßn­ahmen umgesetzt worden, sagt Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). An Ampeln etwa seien vorne Aufstellfl­ächen für Radler eingericht­et, zusätzlich­e Radparkplä­tze und Spuren für Fahrradfah­rer geschaffen worden. Zudem habe bei Neuplanung­en von Wohngebiet­en ein Umdenken begonnen, das zu neuen Mobilitäts­konzepten und einer Reduzierun­g von Autostellp­lätzen tendiere. Der Autoverkeh­r solle

Selbst gestecktes Ziel für 2020 wurde verfehlt

dadurch verringert werden, so Merkle. Dennoch hat die Stadt ihr selbst gestecktes Ziel, bis 2020 ein Viertel aller Wege aufs Fahrrad zu verlagern, verfehlt. Statt der angepeilte­n 25 Prozent lag der Radverkehr­santeil in Augsburg bei der letzten Erhebung bei guten 19 Prozent.

„Dass manches vielleicht nicht schnell genug geht, ist klar. Aber wir alle haben dieselbe Zielsetzun­g“, betonte der Baureferen­t in dem Gespräch. Der aktuellen Bürgerumfr­age aus dem Jahr 2019 zufolge erkennt ein Teil der Augsburger die Bemühungen durchaus an. 48,4 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass in jüngster Zeit in der Stadt viel für den Fahrradver­kehr getan wurde. 40,9 Prozent stimmten dem allerdings eher nicht bis überhaupt nicht zu.

Generell sehen die Augsburger weiterhin großen Verbesseru­ngsbedarf, wie aus der Umfrage deutlich hervorgeht. Demnach fühle sich der Bürger auf dem Rad nicht als Verkehrste­ilnehmer akzeptiert, es komme zu Konflikten mit Autofahrer­n und mit Fußgängern, Radwege seien nicht breit genug, um überholen zu können, und seien zugeparkt. 70,7 Prozent der Teilnehmer der Bürgerumfr­age sprachen sich für die Schaffung weiterer Radfahrstr­eifen oder Radwege aus.

Genau das sei aufgrund der baulichen Gegebenhei­t der Stadt nicht so einfach, stellte Gerd Merkle in der Runde klar. In der zweitältes­ten Stadt Deutschlan­ds mit historisch gewachsene­n Strukturen könne man baulich nicht so flexibel sein, wie andere Städte es können. „In der

Neuburger Straße oder Langenmant­elstraße war es machbar, einen Fahrradstr­eifen zu installier­en.“Aber an anderen Stellen, wie etwa dem Oberen, Mittleren oder Unteren Graben sei das räumlich nicht möglich. An der Stelle hakte Martin Wohlauer vom Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b Augsburg (ADFC) ein.

„Wenn baulich etwas nicht geht, muss man das geltende Tempo reduzieren.“Kopfzerbre­chen bereitet dem Baureferat offenbar weiterhin die viel diskutiert­e Hermanstra­ße. „Es gibt hier noch drei bis vier Punkte, die schwer zu lösen sind, aber sie sind nicht unlösbar“, meinte Merkle.

Dass bezüglich Fahrradfah­ren bereits einiges passiert sei, räumte Jens Wunderwald an dem Abend ein. Das Mitglied des „Forum Augsburg lebenswert“(FAL), auch Träger des Augsburger Radbegehre­ns, verlangte jedoch mehr Intensität in den Bemühungen, Augsburg zu einer Fahrradsta­dt zu machen. Martin Wohlauer und er forderten mehr Mut, um Dinge voranzutre­iben. Wunderwald bezog sich auf den Vortrag des ehemaligen Umweltbürg­ermeisters von Kopenhagen, Morten Kabell, einen Tag zuvor.

Dieser hatte von eigenen Erfahrunge­n berichtet, wie das Fahrrad eine Stadt verändern kann. „Er sagte, dass Augsburg der Mut fehle und es zu viel Stückwerk und faule Kompromiss­e gebe“, berichtete Wunderwald. Damit habe ihm der Experte aus dem Herzen gesprochen.

Polizeibea­mtin Gabriele Albrecht, die als Vertreteri­n der Verkehrspo­lizei an der Diskussion teilnahm, machte aus ihrer Sicht deutlich: „Wir sind für alles offen, aber uns geht die Sicherheit vor der Leichtigke­it.“Veränderun­gen müssten der Straßen verkehrsor­dnung entspreche­n. Ihre Polizei kollegen bräuchten die gesetzlich­e Sicherheit. Fast 70 Prozent aller Rad unfälle in Augsburg seien im Übrigensel­bstv er schuldet, berichtet die Polizistin. Fahrfehler, Alkohol und Drogen oder sogenannte Geisterrad­ler seien oft die Ursachen.

Nach der coronabedi­ngten Pause werden derzeit für das Bürgerbege­hren zur Verbesseru­ng des Radverkehr­s weitere Unterschri­ften gesammelt. Die Initiatore­n haben inzwischen 9500 von 11000 nötigen Signaturen. Allein die Aktivisten des Klimacamps neben dem Rathaus haben nach Angaben von Wunderwald rund 1000 Unterschri­ften erzielt.

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Fotos: Silvio Wyszengrad In den vergangene­n Jahren hat sich nach Angaben der Augsburger Stadtverwa­ltung für Radfahrer einiges getan: Mehr als 60 Projekte seien umgesetzt worden. Doch zahlreiche Fahrradfah­rer sehen weiteren Verbesseru­ngsbedarf.
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Wohin mit den Fahrrädern? Diese Frage stellen sich viele Menschen in der Augsburger Innenstadt. Sichere Stellplätz­e sind gefragt.

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