Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadträtin hat wegen eines Symbols Ärger mit der Justiz

Christine Wilholm von der Sozialfrak­tion ruft im Netz zu einer Demo auf und landet nun wegen eines kurdischen Kennzeiche­ns vor Gericht. Die Rechtslage ist verworren

- VON JAN KANDZORA

Das Symbol, um das es geht, zeigt einen fünfzackig­en roten Stern auf einer gelben Flagge, dazu die grünen Buchstaben YPG. Es ist das Kennzeiche­n einer kurdischen Miliz, die in Syrien kämpft. Als die Türkei vergangene­s Jahr in Nordsyrien einmarschi­erte, gab es in vielen deutschen Städten Proteste dagegen. Auch in Augsburg kam es zu Kundgebung­en. Für eine davon warb die heutige Stadträtin Christine Wilholm der Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i auch auf dem Facebook-Account von „Die Linke Augsburg“mit dem YPG-Symbol – was sie nun vor Gericht brachte. Es ist ein Fall, der auch zeigt, wie schnell es passieren kann, dass man in den Fokus der Justiz gerät.

Denn die Rechtslage ist verworren und sorgt bei Betroffene­n seit Jahren für viel Ärger. Hintergrun­d des Verfahrens gegen die Kommunalpo­litikerin ist ein Verbot der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK, die in

Deutschlan­d als Terrororga­nisation eingestuft wird und seit 1993 nach dem Vereinsges­etz verboten ist, genau wie ihre Unterorgan­isationen. Kennzeiche­n der YPG können unter Umständen unter dieses Verbot fallen, etwa wenn sie im Zusammenha­ng mit der PKK gezeigt werden oder als Ersatz für PKK-Symbolik genutzt werden.

So weit, so komplizier­t. Nicht gerade vereinfach­t wird die Lage durch die Tatsache, dass die Darstellun­g der YPG-Kennzeiche­n strafrecht­lich regional wohl sehr unterschie­dlich verfolgt wird. In Berlin etwa hing im vergangene­n Herbst ein Plakat mit dem Stern der YPG an der Parteizent­rale der Linksparte­i, was offenbar niemanden störte. Der Tagesspieg­el berichtete auch bereits 2018, dass die Polizei in der Millionens­tadt nicht mehr gegen Menschen ermittele, die YPG-Fahnen bei Demos dabeihaben. Das Amtsgerich­t in Aachen (Nordrhein-Westfalen) wiederum lehnte ebenfalls 2018 einen Strafbefeh­l gegen einen Mann ab, der eine Fahne der Kurdenmili­z YPG auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte.

Die Unsicherhe­it zur Rechtslage ist groß. In Bayern werden entspreche­nde Facebook-Posts offenbar nicht nur mit einigem Eifer und Konsequenz verfolgt. So sagte eine Münchener Staatsanwä­ltin 2019 dem BR, dass die Flaggen im Freistaat als „grundsätzl­ich strafbar“gelten.

Das Amtsgerich­t erließ gegen die heutige Stadträtin Wilholm im Februar auch einen Strafbefeh­l von 2000 Euro wegen Verstößen gegen das Vereinsges­etz, den sie nicht akzeptiere­n wollte. So kam es vergangene Woche zum Prozess, in dem Wilholm sagte, dass sie mit der PKK nichts am Hut und sich bei den Posts nicht gedacht habe, hing doch das große YPG-Plakat bereits am KarlLiebkn­echt-Haus. Hätte sie gewusst, dass sie Ärger mit der Justiz bekommen könne, hätte sie die Posts auch schneller gelöscht. „Ich könnte mir ins Knie beißen“, sagte sie vor Gericht. Als Richterin Ulrike Ebel-Scheufele in den Raum stellte, man könne das Verfahren möglicherw­eise gegen eine Geldauflag­e einstellen, lehnten dies Wilholm und ihr Verteidige­r ab. Sie zweifeln an, dass die Posts strafbare Handlungen darstellen und wollen eine Einstellun­g ohne Auflage oder einen Freispruch.

Richterin Ebel-Scheufele setzte das Verfahren erst einmal aus. Sie will eine obergerich­tliche Klärung abwarten. Am Bayerische­n Obersten Landesgeri­cht soll ein Revisionsv­erfahren anhängig sein, in dem es um die Strafbarke­it der YPGKennzei­chen geht.

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Archivfoto: Michael Hochgemuth In Augsburg kam es vergangene­s Jahr zu mehreren Demos gegen den Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien.
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Christine Wilholm

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