Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie gefährlich ist das Baden im Lech?
Ein Sechsjähriger liegt nach einem Badeunfall schwer verletzt im Krankenhaus. Ein 60-Jähriger wird noch immer vermisst. Die Wasserwacht warnt vor dem Fließgewässer – auch Corona bringt die Retter an ihre Grenzen
Landkreis Augsburg Dramatische Szenen spielten sich am Wochenende am Lech ab. Ein Sechsjähriger trieb beim Baden in Gersthofen etwa 600 Meter weit ab. Sofort eilte ein Badegast herbei und begann mit der Reanimation. Mittlerweile liegt der Bub im Krankenhaus. Laut Polizei befindet er sich in einem „kritischen Zustand“. Der Fall zeigt, wie gefährlich fließende Gewässer wie der Lech für Badegäste sein können. Es ist nicht der einzige tragische Unfall innerhalb kurzer Zeit.
Weiterhin wird nach einem 60-Jährigen gesucht, der am Samstag gegen 19 Uhr bei Gersthofen in den Lech gefallen war. Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass der Mann tot ist. Der Verunglückte sei am Ufer abgerutscht und in den Fluss gestürzt. Wie ein Sprecher der Polizei-Einsatzzentrale unserer Redaktion
Wegen Corona gibt es mehr Badegäste
am Samstag auf Nachfrage mitteilte, sei der Mann am Freitagabend im Bereich der A8-Autobahnbrücke bäuchlings im Wasser treibend von Einsatzkräften gesichtet worden. Leider war es den Rettern nicht möglich, den Verunglückten zu retten. Die starke Strömung riss den Mann mit, trübe Wassermassen erschwerten die Sicht. In der vergangenen Woche suchten die Retter außerdem nach einer möglicherweise vermissten Person. Am Lechufer bei Meitingen fand ein Zeuge herrenlose Kleidung. Der erste Verdacht der Beamten bestätigte sich allerdings nicht. Die Retter fanden auch nach stundenlanger Suche niemanden. Die Vorfälle zeigen, dass fließende Gewässer wie der Lech, schnell gefährlich werden können.
Dabei ist heuer offenbar besonders viel los, berichtet Christl Meier. Sie ist die Vorsitzende der Wasserwacht in Langweid. Weil der Freibadbesuch wegen Corona mit einigen Hürden verbunden ist, zieht es viele zum Baden an den Lech, sagt Meier: „Seit Corona ist auf jeden Fall mehr los“. Das Problem: „Wir haben aber weniger Personal“. Denn die Corona-Regeln wirken sich auch auf die Einsätze der freiwilligen Retter aus. Die Teams sind angehalten untereinander den nötigen Abstand zu halten. Minderjährige Helfer bei der Wasserwacht dürfen laut Meier derzeit überhaupt nicht eingesetzt werden. In Langweid führe das dazu, dass am Wochenende nur noch etwa fünf freiwillige Retter im Einsatz sind. Normalerweise seien das in etwa doppelt so viele. Das bedeutet: Einerseits steigt die Zahl der Badegäste, andererseits sind wegen Corona weniger Wasserwachtler vor Ort. „Das ist eine schwierige Situation für uns alle“, sagt Meier. Sie appelliert daher an die Vernunft der Badegäste. Ungeübte Schwimmer sollten überhaupt nicht im Lech baden. Besonders Kinder dürften nicht aus den Augen gelassen werden.
Aus Sicht von Reinhold Dempf, Zweiter Bürgermeister in Gersthofen, haben Kinder die nicht schwimmen können, überhaupt nichts am Lech zu suchen. Er sagt:„Der Lech ist und bleibt ein wilder Fluss“. Je nach Wasserstand könne er auch für erfahrene Schwimmer gefährlich werden. Unter anderem deshalb hat die Stadt vor etwa einem Jahr eine Stelle am Lechufer modernisiert. Dort gibt es nun Treppen zum Lech hinunter, die den Einstieg erleichtern. „Aber auch dort ist Vorsicht geboten“, sagt Dempf.
Marco Greiner von der Wasserwacht Augsburg rät grundsätzlich vom Baden in fließenden Gewässern ab. Aktuell sei das aber besonders gefährlich. Weil es in den vergangenen Tagen teils heftig geregnet hat, führt der Lech derzeit mehr Wasser als üblich. Außergewöhnlich hoch sei der Pegelstand für die Jahreszeit dennoch nicht, meint er. Für ungeübte Schwimmer könne der Lech allerdings schnell zur tödlichen Falle werden. Greiner sagt: „In einem natürlichen Gewässer finden sich immer Wirbel, Strudel oder Gegenstände im Wasser“. Badegäste wüssten das oft nicht, oder überschätzten ihre eigene Kraft. Weitaus sicherer sei es zum Beispiel im Baggersee oder im Freibad.
Die Wasserwacht Augsburg, die auch im Landkreis oft im Einsatz ist, bereitet sich heuer dennoch auf mehr Badegäste am Lech vor. „Viele fahren dieses Jahr nicht in den Urlaub, deshalb wird in den Ferien wohl auch am Lech mehr los sein“, meint Greiner. Mehr Personal haben auch die Wasserwacht Augsburg nicht zur Verfügung. Wegen Corona wird darauf geachtet, dass es feste Rettungsteams in der Organisation gibt, die untereinander nicht in Kontakt stehen. Derzeit hat die Augsburger Wasserwacht vier Einsatzfahrzeuge mit je fünf Rettern, die rund um die Uhr einsatzbereit sind. Auch bei den Suchaktionen am Wochenende in Gersthofen waren sie beteiligt.