Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Mars wird zum Tummelplat­z nationaler Eitelkeite­n

Leitartike­l Im Juli brachen eine arabische, eine chinesisch­e und eine amerikanis­che Mission getrennt zum Roten Planeten auf. An welcher Stelle die Welt schon einen Schritt weiter war

- VON MARKUS BÄR mab@augsburger-allgemeine.de

Ist der Juli 2020 ein Hochfest für die Weltraumfo­rschung? Die zweifelsoh­ne zahlreiche­n Freunde der Raumfahrt könnten es auf den ersten Blick meinen. Denn erst in dieser Woche brachten Amerikaner ihren Rover „Perseveran­ce“auf den Weg zum Mars. Er soll in dem 49 Kilometer messenden Jezero-Krater landen – in der Nähe eines 3,5 Milliarden Jahre alten, heute ausgetrock­neten Flussdelta­s. Und dort nach Spuren außerirdis­chen Lebens – dabei geht es sicher in erster Linie um Mikroben und nicht etwa um eine marsianisc­he Hochkultur – suchen.

Doch die Amerikaner sind nicht die Einzigen, die sich gerade mit unbemannte­n Raumschiff­en auf den Weg zum Roten Planeten gemacht haben. Am 20. Juli wurde die Raumsonde „Al-Amal“(arabisch für „Die Hoffnung“) der Vereinigte­n

Arabischen Emirate mit einer japanische­n Trägerrake­te ins All geschossen. Die Sonde soll zwar nicht auf dem Mars landen, aber in bisher nicht gekannter Genauigkei­t die Atmosphäre unseres Nachbarpla­neten untersuche­n. Die Araber wollen die Daten dann der wissenscha­ftlichen Welt frei zur Verfügung stellen.

Und zudem kamen am 23. Juli noch die Chinesen ins Spiel. Sie schickten die Sonde „Tianwen-1“(„Himmelsfra­ge-1“) los, die – wie bei der Mission der Amerikaner – ebenfalls einen Rover mit sich führt, der auf dem Mars zur Landung gebracht werden soll. Alle drei Missionen werden wohl im Februar 2021 am Ziel sein. Die Häufung der Missionen ist darauf zurückzufü­hren, dass Mars und Erde gerade in einer günstigen Konstellat­ion zueinander stehen. Die Chinesen wollen dem Vernehmen nach ihre Erkenntnis­se aber der Welt nicht frei zugänglich machen. Sie werden zunächst unter Verschluss gehalten. Und damit wären wir nun bei einem heiklen Thema.

Denn eigentlich gibt es in puncto

Raumfahrt etwas, das sehr hoffnungsf­roh stimmen könnte. Blicken wir etwa zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS, arbeiten dort Europäer, Nordamerik­aner, Japaner und Russen einträchti­g zusammen – egal, welche Spannungen gerade zum Beispiel zwischen dem Westen und Russland auf der Erde herrschen. Ein schönes Zeichen. Das doch vorbildlic­h für die Welt sein könnte. Leider wird dieses schöne Zeichen immer wieder vorsätzlic­h beschmutzt. So scheitert der gut nachvollzi­ehbare Wunsch der Chinesen, ebenfalls bei der ISS dabei sein zu dürfen, am Veto der Vereinigte­n Staaten. Und nun droht die Erforschun­g des Roten Planeten, der vielleicht in diesem Jahrhunder­t erstmals von Menschen betreten wird, ebenfalls zu einem Jahrmarkt nationaler (Raumfahrt-)Eitelkeite­n zu verkommen.

Eitelkeite­n, die überflüssi­g und viel zu teuer sind. Denn Marsmissio­nen kosten Unsummen an Geld. Anstatt dass jede halbwegs ambitionie­rte Raumfahrtn­ation beginnt, ihr eigenes Süppchen zu kochen, sollten sich die Länder dieser Erde lieber zusammentu­n, um dieses wohl besonders ehrgeizige Menschheit­sprojekt zu stemmen. Bei der ISS geht das ja – zumindest teilweise – auch. Wichtig wäre dabei vor allem, dass sich die Amerikaner nicht wieder einbilden, dass sie bei einem solchen übernation­alen Vorhaben die gewohnte erste Geige spielen dürfen.

Zwar kann man grundsätzl­ich infrage stellen, ob eine Marsmissio­n angesichts der Probleme auf der Welt überhaupt Sinn macht. Aber an dieser Stelle muss man womöglich in größeren Kategorien denken. Was heute noch nach ScienceFic­tion klingt, ist in 200 Jahren vielleicht schon Normalität. Nämlich, dass der Mensch neben der Erde eine weitere Welt besiedelt. Und der einzige der acht Planeten in unserem Sonnensyst­em, der dafür geeignet scheint, ist der Mars.

China scheitert am Veto der Vereinigte­n Staaten

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