Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Diese Frau gibt den Takt vor

Porträt Die Dirigenten-Szene ist nicht mehr ganz so männerfixi­ert wie einst, ein weiblicher Pultstar steht aber noch aus. Das könnte sich mit Joana Mallwitz ändern

- Stefan Dosch

Wenn ihr Name fällt, bilden höchste Töne die Begleitmus­ik. Kaum ein Zeitungs-, Rundfunk- oder TV-Beitrag, worin sich die Autoren nicht mit Hymnen überböten. Dies nicht zu tun, ist aber auch wirklich schwer im Fall von Joana Mallwitz. An ihrer Fachkompet­enz als Dirigentin ist nicht zu zweifeln, das stellt sie bei jedem Auftritt unter Beweis. Dazu wirkt sie völlig uneitel, trägt immer ein einnehmend­es Lächeln im Gesicht. Auch darf man sie für eine Erscheinun­g halten, so rank und hochgewach­sen wie sie ist. Vor allem aber geht sie einem Beruf nach, in dem eine Frau immer noch als Ausnahmeer­scheinung gilt. Schon gar, wenn ihr Beethoven, Brahms und Co. keinen Deut weniger packend gelingen als ihren männlichen Kollegen, den namhaftest­en, versteht sich.

Ihr Werdegang weist Ingredienz­ien auf, nach denen der Star-süchtige Klassikbet­rieb schnappt wie nach der frischen Luft. In Hannover war sie in jungen Jahren eine der Ersten am Institut zur Frühförder­ung musikalisc­h Hochbegabt­er (neben dem nicht weniger überfliege­rhaften Pianisten Igor Levit). Mit 20 bekam sie am Heidelberg­er Theater ihre erste Stelle – noch hinter den Kulissen

– und sah sich bald mit jener Situation konfrontie­rt, die in keiner Dirigenten-Erfolgssto­ry fehlen darf: Aus dem Stegreif sprang sie bei einer Opernpremi­ere ein und schlug sich mehr als beachtlich. Was die Ernennung zur Kapellmeis­terin mit sich brachte.

Das Theater Erfurt war es, das der damals 28-Jährigen die erste Generalmus­ikdirektor­en-Stelle antrug. Hier arbeitete sie sich nicht nur durchs Opernreper­toire, sondern führte auch „Expedition­skonzerte“ein, in denen sie unter frechen Titeln wie „Der betrunkene Beethoven“dem begeistert herbeiströ­menden Publikum große Sinfonien in erklärende­m Wort und anschließe­nder Aufführung nahebracht­e. Bald spitzte die überregion­ale Fachwelt die Ohren, erhielt die junge Dirigentin Angebote namhafter Orchester und Bühnen, wurde 2019 schließlic­h von der „Opernwelt“zur Dirigentin des Jahres gewählt.

Seit zwei Spielzeite­n ist sie nun Generalmus­ikdirektor­in am Staatsthea­ter Nürnberg, an jener Stelle, an der zuvor schon Christian Thielemann seine Karriere in Fahrt brachte. Das scheint auch bei Joana Mallwitz nicht anders zu sein, hat man ihr doch angetragen, bei den Salzburger Festspiele­n in diesem Sommer Mozart zu dirigieren. Fast wäre dieser Ritterschl­ag aufgrund von Corona nicht erfolgt. Doch Salzburg spielt trotz Pandemie, und Mallwitz ist ab diesem Sonntag in Mozarts „Così“mit dabei – als erste Frau, die bei den Festspiele­n eine ganze Opernserie musikalisc­h verantwort­et.

Man muss kein Prophet sein um vorauszusa­gen, dass die Laufbahn der 34-Jährigen, die mit dem Tenor Simon Bode verheirate­t ist, weiter nach oben führen wird. Ob sich gar hinter dem Geheimnis, das die Bayreuther Festspiele um den erklärt weiblichen Premierend­irigenten des Jahres 2021 machen, der Name Joana Mallwitz verbirgt?

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany