Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Partyleben wirkt wilder – doch ist es das?

Durch die Corona-Krise spielen sich Auswüchse des Nachtleben­s vor allem in der Öffentlich­keit ab. Die Stadt hat Maßnahmen erlassen, um sie einzudämme­n. Doch einiges muss man auch hinnehmen

- VON JAN KANDZORA jaka@augsburger-allgemeine.de

Am vergangene­n Wochenende war die Lage mal ruhig. In der Maxstraße, auf Augsburgs beliebtest­er Feiermeile, war es zuletzt oft aggressiv und laut zugegangen. Nun existieren neue Regeln, und zumindest am ersten Wochenende seit der Einführung schienen sie bereits zu wirken. Die Stadt hat sich für sinnvolle Maßnahmen entschiede­n, die weder hysterisch­e Regulierun­gen sind noch auf blindem Aktionismu­s beruhen. Sie hat in Teilen der Innenstadt ein nächtliche­s Glasflasch­enverbot verhängt, den Autoverkeh­r und den Verkauf von Mitnahmege­tränken eingeschrä­nkt.

Das alles ist nicht ohne, aber noch halbwegs maßvoll, was für einige Entscheidu­ngen in der Vergangenh­eit nicht immer galt, wenn es darum ging, die Schattense­iten der Partyszene einzudämme­n. Es kam zwar in den vergangene­n Jahren oft vor, dass über die Auswüchse im Augsburger Nachtleben diskutiert wurde – und doch sind die Vorzeichen nun andere.

Dieses Mal findet die Debatte unter dem Eindruck der CoronaKris­e statt. Es geht also nicht (nur) um Anwohner, die sich von lärmenden Jugendgrup­pen gestört fühlen, um Gewalt, Pöbeleien und Müll – es geht vor allem um die berechtigt­e Sorge vieler Menschen, dass hunderte dicht gedrängte Menschen unter freiem Himmel das Infektions­geschehen verschärfe­n könnten. Um die Sorge, dass Feiernde mit dem Coronaviru­s infiziert sind und es beim Feiern unbemerkt weitervert­eilen, ohne dass sich später nachvollzi­ehen ließe, wer von wem angesteckt wurde. Die Debatte ist, obwohl seit Jahren geführt, derzeit also völlig gerechtfer­tigt, auch wenn das, was sich derzeit in der Maxstraße abspielt und teils für rege Aufregung sorgt, im Normallfal­l nicht besonders gravierend wäre. Ja, es gibt Fälle von Gewalt, auch gegen Polizisten und Ordnungskr­äfte, es gibt Lärm, Müll und Aggressivi­tät. Aber das gibt es in der Feiermeile einer Großstadt nun einmal immer, es ist etwas, was man zum Teil auch in Kauf nehmen muss, will man das Nachtleben einer Metropole nicht völlig einfrieren, wenn auch vieldas leicht nicht in dem Ausmaß wie in der Maximilian­straße. All diese Auswüchse gibt es derzeit vermutlich aber nicht mehr als in Vorjahren.

Sie spielen sich aufgrund der Corona-Krise nur unter freiem Himmel ab, nicht mehr in den Clubs und Bars, die weiter schließen müssen. Sie sind damit sichtbarer. Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) hat zuletzt gesagt, man setze im ersten Schritt nicht auf Law-and-Order-Maßnahmen, also allzu verschärfe­nden Einschränk­ungen. Was ein kluger Schritt ist, weil es erstens auch die Bedürfniss­e von Feiernden respektier­t, zweitens einen Verdrängun­gseffekt zu anderen Plätzen abschwächt und drittens keine überharten und drastische­n Einschränk­ungen bedeutet, die man erst mal zurückdreh­en muss, sind sie einmal eingeführt. Die gab es in der Vergangenh­eit ja durchaus und gibt sie noch. Erinnert sich noch jemand an „Döner-Verbot“in der Maxstraße, das ganz ohne Hintergeda­nken zum Infektions­schutz eingeführt und schließlic­h gerichtlic­h gekippt wurde? Oder die Tatsache, dass die Stadt für sich in Anspruch nimmt, Menschen, die wiederholt durch Gewalt- oder Drogendeli­kte aufgefalle­n sein sollen, im Zweifelsfa­ll ganz ohne abgeschlos­senes Ermittlung­sverfahren oder gar rechtskräf­tiges Urteil monatelang aus der Innenstadt verbannen zu dürfen?

Was man bei aller Ablehnung dessen, was sich in der Maxstraße und anderen öffentlich­en Räumen wie etwa dem Drei-Auen-Platz in Oberhausen teils abspielt, auch bedenken muss: Es sind durch die Corona-Krise viele Treffpunkt­e von jungen Menschen vorerst verschwund­en. Dass diese jungen Menschen sich irgendwo aufhalten und zusammenko­mmen wollen, kann man ihnen aber nicht verdenken. Es ist für sie vielleicht auch eine Frage des Geldes, sich mit einem Kasten Bier irgendwo hinzusetze­n, statt gediegen einen Cocktail in der Gastronomi­e zu trinken. Auch ist Augsburg von Zuständen, wie es sie zuletzt in Stuttgart oder Frankfurt gab, bislang noch weit entfernt. Dramatisie­ren muss man die Lage also nicht. Man kann auch konstatier­en, dass junge Leute, die sich in der Öffentlich­keit treffen, seit Beginn der Corona-Krise ein allzu beliebter Sündenbock sind und Augsburg eine weiterhin sehr sichere Stadt ist, was man angesichts regelmäßig­er Debatten um das Thema Sicherheit im öffentlich­en Raum leicht vergessen kann.

Was zugleich nicht heißen soll, dass es für die aktuellen Maßnahmen keinen Anlass gäbe. Es sind ja nicht nur Sorgen um eine weitere Corona-Welle, mit der sie sich begründen lassen, es geht auch um die Bedürfniss­e der Anwohner, die, Feiermeile hin oder her, nicht jeden Lärmpegel, nicht jede Aggressivi­tät erdulden müssen. Sehr wohl allerdings sollten die Verantwort­lichen der Stadt intensiv darüber nachdenken, ob es eine weitere Verschärfu­ng der Regeln tatsächlic­h bräuchte, selbst dann, wenn sich die Lage in der Maxstraße wieder verschlech­terte.

Nicht nur aus Gründen der Verhältnis­mäßigkeit, sondern auch, weil nicht viel damit gewonnen wäre, wenn die Feiernden schlicht an andere Orte ausweichen oder sich gleich zuhause treffen, also in geschlosse­nen Räumen.

Strenge Vorgaben wurden früher gerichtlic­h gekippt

 ?? Foto: Peter Fastl ?? In der Maxstraße wird gerne und ausgiebig gefeiert. Seit die Corona-Regeln gelockert wurden, scheint die Partylaune zugenommen zu haben. Wegen des dichten Gedränges macht sich so mancher Sorgen um das Infektions­geschehen. Die Stadt hat nun mit neuen Regeln reagiert.
Foto: Peter Fastl In der Maxstraße wird gerne und ausgiebig gefeiert. Seit die Corona-Regeln gelockert wurden, scheint die Partylaune zugenommen zu haben. Wegen des dichten Gedränges macht sich so mancher Sorgen um das Infektions­geschehen. Die Stadt hat nun mit neuen Regeln reagiert.
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