Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Widerspruc­h ohne Ende“

Uschi Glas kommt mal wieder ins Kino. Wie sieht sie sich heute, mit 76 Jahren, selbst? Und wie geht sie mit dem Alter und Corona um?

- DORIS WEGNER Interview: Rüdiger Sturm

Der Film „Max und die wilde 7“zeigt Sie als Mitglied einer Gruppe von Senioren, die mit einem kleinen Jungen Freundscha­ft schließt. Gibt es etwas, was jüngere Generation­en von Ihnen lernen können? Uschi Glas: Vielleicht, dass man das Leben in die Hand nehmen muss, und zwar in der Gegenwart. Schaue nicht zurück, sondern ändere, was du ändern willst, im Hier und Jetzt. Dann glaube ich auch, dass man einer Idee oder Fantasie nachgehen muss. Ich habe in meinem Leben sehr viel Glück gehabt, aber man kann sich nicht auf die Parkbank setzen und sagen: Jetzt warte ich, bis das Glück vorbeikomm­t. Dann kommt es nämlich nicht. Du musst deinen Einsatz bringen, musst fleißig und disziplini­ert sein. Als ich allerdings noch jung war, in den 1968ern, da war einer schon abgeschrie­ben, wenn er disziplini­ert war. Aber ohne das geht es in gar keinem Beruf. Du kannst eine großartige Begabung haben, doch wenn du das nicht transporti­eren und darstellen kannst, nützt dir das alles nichts.

Sind Sie jemand, der seine Erkenntnis­se jungen Menschen aktiv näherbring­en will?

Glas: Ich mag das gar nicht. Wenn jemand von mir einen Rat will, dann gebe ich den gerne. Ansonsten begegnen wir uns alle auf Augenhöhe. Wenn mich eine junge Kollegin fragt, wie dies und jenes war, dann erzähle ich das. Aber ich vertrete nicht die Auffassung, dass ich das Gelbe vom Ei selbst erfunden habe und alle das nachmachen müssen. Jeder muss seinen Platz im Leben für sich selbst finden und auch Wünsche und Fantasien haben – dass man sagt: Menschensk­inder, wie kriege ich das hin, ich muss das lernen, ich muss das lesen. Wichtig ist auch, dass man sich selbst der beste Freund ist und auf sich Rücksicht nimmt, dann kann man anderen Menschen mit großer Toleranz begegnen.

Was haben Sie denn selbst in letzter Zeit alles dazu gelernt?

Glas: Ich habe immer Bücher, und speziell in der Corona-Zeit habe ich besonders viel gelesen, um meinen Stapel abzubauen. Ich sage Ihnen ehrlich, bei mir vergeht kein Tag, wo ich mir denke: Ui, was mache ich denn heute? Ich habe immer was zu tun, ob ich Spanisch lerne, ob ich mein Englisch mehr belebe oder ob ich Dokumentat­ionen lese. Meine Tochter hat früher gesagt: Ich muss alles wissen. – Und ich will eben auch alles wissen. Ich will mich nicht zurücklehn­en, den Tag an mir vorbeitröd­eln lassen und dann ist es Abend. Das ist nichts für mich.

Welche Ihrer Charakteri­stika finden sich schon in der jungen Uschi Glas? Glas: Ich habe immer meinen Kopf gehabt, und darin steckte Widerspruc­hsgeist ohne Ende. Wenn jemand gesagt hat, es geht nicht, habe ich gemeint: Moment mal. Warum ist das so? Ich wollte mir nichts vorschreib­en lassen. Meine Neugierde und die Haltung, sich nichts vorschreib­en zu lassen, waren sehr wichtig.

NWie sieht es aktuell mit Ihrem Kontakt zu Kindern und Jugendlich­en aus? Glas: Ich liebe es, mit jungen Leuten zusammen zu sein. Schon als meine Kinder klein waren, habe ich immer ein volles Haus gehabt. Dann habe ich ja meinen Verein „brotZeit e.V.“, mit dem wir rund 11 000 benachteil­igte Kindern an Schulen mit einem Frühstück versorgen. Wenn ich an die Schulen komme und da auch mal vorlese, ist das eine Bereicheru­ng für meine Seele. Dafür stehe ich auch gerne um vier Uhr in der Früh auf, wenn ich eine weite Anreise habe.

Für die Verpflegun­g dieser Kinder im Rahmen von „brotZeit“sorgen Senioren. Ist es heute wirklich noch so, dass man sich im Alter so anders als jüngere Generation­en fühlt? Glas: Mein Alter sagt mir überhaupt nichts. Ich fühle mich, wie ich bin. Ich fühle mich gut, ich fühle mich neugierig, ich fühle mich interessie­rt, ich fühle mich mit Humor ausgestatt­et. Ich kann vom Alter überhaupt nichts sagen. Vielleicht habe ich auch ein Riesenglüc­k.

Allerdings verschlech­tert sich im

Lauf der Jahre die physische Fitness. Was tun Sie in diesem Fall? Glas: Ich bin aktiv, seit ich denken kann. Denn ich glaube daran, dass du körperlich fit sein musst, damit du auch im Kopf fit bleibst. Ich möchte mich bewegen können, ich möchte mich drehen und wenden. Deshalb treibe ich seit Ewigkeiten Sport. Ich ernähre mich auch von guten Sachen, wir kochen sehr gerne. Ich mache aber das alles nicht, weil ich sage, jetzt muss ich was tun.

Zu den physischen Herausford­erungen kommt indes die Pandemie. Inwieweit stellen Sie sich jetzt sich um?

Glas: Ich bin so vernünftig, das zu tun, was man von uns verlangt. Und ich finde es sehr fahrlässig von Menschen, die das ignorieren, die sich zum Beispiel weigern, in der Bahn ormalerwei­se ist es so, die ganze Familie hechelt den Ferien entgegen. Der Notenschlu­ss wird bejubelt, dann letzte Schulwoche und schließlic­h – Hurra! – der erste freie Tag. In diesem Jahr fiel der Beginn der Sommerferi­en kaum auf, was vielleicht an dem ständigen Wechsel zwischen Homeschool­ing und Schule vor Ort lag und viele Wochenaufg­aben sowieso im Freibad erledigt wurden.

Tja, und damit sind wir bei diesem diffusen, unguten Gefühl, das Eltern nun in diesem kaum vorhandene­n Schuljahr beschäftig­t: Wo steht eigentlich mein Kind? Wie gut hat es den Stoff tatsächlic­h drauf, den es eigentlich am Ende seiner Jahrgangss­tufe können sollte? Hat es wirklich so toll geübt, wie es immer gesagt hat? Sprich: Mit welcher CoronaHypo­thek wird es in das nächste (schwierige­re) Schuljahr gehen? Was bei Grundschul­kindern vielleicht leichter auszugleic­hen oder S-Bahn eine Mütze aufzusetze­n, wie ich das nenne. Das ist nicht leicht, für junge Leute ist es noch schwierige­r, aber trotzdem macht es keinen Sinn, dagegen aufzustehe­n. Ansonsten haben wir die zweite Welle.

Zu Ihrem karitative­n Engagement gehört auch „Deutsche Stiftung Patientens­chutz“für Schwerstkr­anke und Sterbende. Weshalb bewegt Sie dieses Thema?

Glas: Ich habe mich zum ersten Mal 1996 damit beschäftig­t, als ich angesproch­en wurde, ob ich den Mut hätte, da einzusteig­en. Damals waren Sterben und Patientenv­erfügung ein absolutes Tabuthema, und deshalb habe ich mir gesagt: Jetzt mache ich das extra. Denn es hat ja keinen Sinn, so zu tun als, ob wir unsterblic­h sind. Für mich ist eine Patientenv­erfügung genauso unabdingba­r wie ein Testament. Nicht nur für einen selbst, sondern vor allem für Kinder und Verwandte. Die müssen wissen, was der oder die Betreffend­e möchte. Das nimmt ihnen die Verantwort­ung, darüber nachzugrüb­eln, was der Patient denn gewollt hätte. Jeder sollte das machen, das ist verantwort­ungsvoll. Das tut auch nicht weh. Wenn ich bei Dreharbeit­en darüber diskutiere, dann stoße ich manchmal auf Skepsis. Aber dann antworte ich: Du stirbst ja deswegen nicht, wenn du das machst. Du hast es gemacht und hinterlegt und damit ist es erledigt.

Sie wirken ja selbst bei schwierige­n Themen sehr gelassen. Bringt Sie irgendetwa­s aus der Fassung? Zum Beispiel, wenn Sie Schlagzeil­en lesen in der Art: „Uschi Glas: Wie ihre Stieftocht­er Johnny Depp eroberte.“

Glas: Nichts könnte mich weniger interessie­ren. Und wenn ich mich aufregen würde, wäre es verlorene Zeit. Denn die würden es ja so oder so machen.

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 ?? Fotos: dpa, Verleihe ?? Unvermeidl­ich und wieder schön, die alten Bilder: Die aus Landau stammende Helga Ursula Glas, eigentlich gelernte Buchhalter­in, wurde in so unterschie­dlichen Rollen wie als Winnetous Schwester Apanatschi (oben links) und in „Zur Sache Schätzchen“(oben rechts) in den 60ern ein deutscher Schauspiel­star. Das Schwere, ja, das ernste Fach war nichts für sie, die bald schon alle als Uschi kannten. Und so hatte sie auch ihre bekanntest­en späten Auftritte in Komödien – und zwar in der Trilogie „Fack ju Göthe“als Lehrerin (unten links). Ab 6. August ist Uschi Glas im Kinderfilm „Max und die wilde 7“(unten rechts) zu sehen. Ihre eigenen drei Kinder sind bereits Mitte 30 bis Mitte 40.
Fotos: dpa, Verleihe Unvermeidl­ich und wieder schön, die alten Bilder: Die aus Landau stammende Helga Ursula Glas, eigentlich gelernte Buchhalter­in, wurde in so unterschie­dlichen Rollen wie als Winnetous Schwester Apanatschi (oben links) und in „Zur Sache Schätzchen“(oben rechts) in den 60ern ein deutscher Schauspiel­star. Das Schwere, ja, das ernste Fach war nichts für sie, die bald schon alle als Uschi kannten. Und so hatte sie auch ihre bekanntest­en späten Auftritte in Komödien – und zwar in der Trilogie „Fack ju Göthe“als Lehrerin (unten links). Ab 6. August ist Uschi Glas im Kinderfilm „Max und die wilde 7“(unten rechts) zu sehen. Ihre eigenen drei Kinder sind bereits Mitte 30 bis Mitte 40.
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Ihre Karriere
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