Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein neuer Stern am Stromer-Himmel

Volvos Elektromar­ke beschränkt sich im Polestar 2 auf das Wesentlich­e. Der Wagen könnte den Markt aufmischen

- VON RUDOLF BÖGEL

Vielleicht hat die Wahl des Namens ja eine tiefere Bedeutung. Der Polestar, auf gut Deutsch Polarstern, diente den alten Seefahrern zur Orientieru­ng, weil er sehr nahe über dem Nordpol liegt. Der Polestar auf vier Rädern könnte ein leuchtende­s Vorbild sein.

Nach dem Modell 1, dem exklusiven Sportflitz­er für über 150000 Euro, kommt jetzt der Polestar 2 und fährt in preisgünst­igere Regionen. Rund 56000 Euro kostet der reinrassig­e Stromer – abzüglich des Umweltbonu­s landet man tatsächlic­h bei knapp 47 000 Euro.

In Schweden entwickelt, in China gebaut – der Polestar 2 ist ein alltagstau­gliches Elektroaut­o für fünf Passagiere mit ordentlich Platz für Gepäck. Und man muss nicht andauernd aufladen. 470 Kilometer Reichweite dürften für den Alltag reichen.

Es sei denn, man gibt sich den Verlockung­en der beiden E-Motoren hin. 408 PS und ein sofortiges Drehmoment von 660 Newtonmete­rn machen so manchen Vertreter der Verbrenner-Fraktion nass. 4,7

Sekunden von 0 auf Tempo 100 sind ja auch kein Pappenstie­l. Die beiden E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachs­e treiben alle vier Räder an.

Dass das Fahrverhal­ten dabei an das eines Sportwagen­s erinnert, liegt an der Gewichtsve­rteilung von fast 50:50 und an dem messerscha­rf eingestell­ten Fahrwerk. Wie bei Elektroaut­os üblich, kennt das Getriebe nur einen einzigen Gang. Das ermöglicht das sogenannte One-Pedal-Driving. Wenn man vom Gas, pardon Strom, geht, bremsen die E-Motoren automatisc­h das Fahrzeug ab. Mit dem Vorteil, dass diese Energie nicht wie bei herkömmlic­hen Autos verlorenge­ht, sondern zurück in den Akku fließt. Wer geschickt mit dem Gaspedal umgeht, braucht in aller Regel das Bremspedal nicht mehr.

Beim Aussehen besticht der Polestar durch Einfachhei­t. Skandinavi­sch klar, ganz nach dem alten Küchen-Credo: Am besten schmeckt eine Sauce, wenn sie ordentlich einreduzie­rt ist. Und so verhält es sich auch mit gutem Design. Bei den Instrument­en setzt Polestar ebenfalls auf Minimalism­us. Das TFT-Display glänzt durch Übersichtl­ichkeit. Von daher ist es zu verschmerz­en, dass es kein Head-up-Display gibt. Der Hauptbilds­chirm liegt mittig. Der große viergeteil­te Monitor spiegelt das Google-Entertainm­ent-System. Als erster Hersteller überhaupt übernimmt Polestar die komplette Digital-Architektu­r der Kalifornie­r.

Erweitert wurde das System durch spezielle E-Features. So zeigt Google Maps nicht nur StromTanks­tellen an, sondern ändert die Routenführ­ung selbststän­dig, wenn die Gefahr besteht, dass der Saft ausgeht. Auch bei der Sprachassi­stenz glänzt Google. Nicht ganz dialektfre­ies Hochdeutsc­h – kein Problem. Der nächste Weg zur Leberkäs-Semmel? „Noch 6,5 Kilometer, dann kommt links eine Metzgerei!“

Überzeugen­d klar und einfach – diese Philosophi­e zieht sich fast überall durch. Warum die schicken randlosen Seitenspie­gel zu klein geraten sind, versteht man hingegen nicht. Auch auf die Verkehrsze­ichenerken­nung sollte man sich nicht verlassen. Sonst wären wir auf der Autobahn mit Tempo 30 geschliche­n, denn das wurde im Display angezeigt. Der Hersteller hat jedoch schon Nachbesser­ung versproche­n.

Und die Reichweite? Auf unserer sehr spritzigen Testfahrt, die sich über 120 Kilometer erstreckte, „verbraucht­en“wir zwar 190 Kilometer. Aber das ist nicht unbedingt verwunderl­ich: Bei den Elektroaut­os ist es wie im richtigen (Verbrenner-)Leben. Wer zu oft auf die Tube drückt, den bestraft der Tankwart. In diesem Fall die Stromrechn­ung!

 ?? Foto: Volvo ?? Flott: Zwei E-Motoren beschleuni­gen den Polestar 2 in weniger als fünf Sekunden auf Landstraße­n-Tempo.
Foto: Volvo Flott: Zwei E-Motoren beschleuni­gen den Polestar 2 in weniger als fünf Sekunden auf Landstraße­n-Tempo.

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