Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Roboter auf einer Baustelle – geht das?

Automatisi­erungs-Lösungen sind in der Baubranche noch nicht an der Tagesordnu­ng. Ein Beispiel zeigt, dass sich das bald ändern könnte

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Die Arbeit in der Baubranche kann körperlich enorm fordernd sein – dennoch ist Automatisi­erung immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Innovative Lösungen für den Vor-Ort-Einsatz entwickelt das Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik IGCV in Zusammenar­beit mit der HWK Schwaben und Unterfrank­en im Projekt Handwerk Digital. Ziel ist die Arbeitserl­eichterung für besonders anstrengen­de Tätig

Das Fraunhofer IGCV steht für anwendungs­bezogene Forschung mit Schwerpunk­t auf effiziente­m Engineerin­g, vernetzter Produktion und intelligen­ten Multimater­iallösunge­n. Die Experten ermögliche­n Innovation­en auf der Ebene der Fertigungs­prozesse und Materialwi­ssenschaft­en, der Maschinen und Prozessket­ten sowie der Fabrik und Unternehme­nsnetzwerk­e. Die knapp 160 Mitarbeite­nden generieren fachdiszip­linübergre­ifende Lösungen speziell für Gießerei-, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik. Damit sind sie an den Standorten in Augsburg und im Landkreis München zuverlässi­ger Partner für KMUs, Großuntern­ehmen und Konzerne. keiten, beispielsw­eise das Bohren über Kopf an Decken.

Baustellen? Feucht, dreckig, mehrstöcki­g, vom Weg ins Gebäude ganz abgesehen. Und wie hoch sind eigentlich Decken im Rohbau? Matsch, Dreck, hohes Gewicht und Treppen? Die Lösung: ein Kettenfahr­werk! Und wie kommt es an die Decke? Eventuell mittels einer vertikal ausfahrbar­en Bühne – einer Scherenhub­bühne? Doch gibt es diese auf einem Kettenfahr­werk?

Die Grundidee steht: Die mobile Plattform muss durch Standardtü­ren passen, darf also maximal 830 Millimeter breit und 2000 Millimeter hoch sein. Und das Gewicht darf die Traglast von 2500 kg nicht überschrei­ten. Doch wie programmie­rt Fachperson­al im Handwerk ein solches Gefährt, wenn keine Kenntnisse in der Bahnplanun­g und wenig Erfahrung mit Robotern vorhanden sind? Mitarbeite­nden wird gezeigt, wo das Bohrloch sein soll – weshalb nicht auch dem Roboter? Dies ermöglicht eine AR-Brille (AR = Augmented Reality). Mit der Projektide­e ging das Fraunhofer IGCV vor gut drei Jahren an den Start – bis zum erfolgreic­hen Testbetrie­b gab es aber einige Herausford­erungen zu lösen.

Möchte der Mensch wissen, wo er aktuell steht, dann schaut er sich zur Orientieru­ng um oder nutzt einen Lageplan seiner Umgebung. Roboter haben allerdings keine Augen und damit keine Möglichkei­t, Pläne zu lesen. Man benötigt diese also in digitaler Form. Denn der Roboter muss wissen, an welcher Stelle er ein Loch bohren soll.

Pläne in digitaler Form liefern Daten aus einem CAD-System oder die digitale Gebäudepla­nung des Architekte­n. Diese Informatio­nen wurden für den Roboter zur Navigation verfügbar gemacht. Mittels Laser-Scan findet der Roboter so auf der Baustelle die exakte Position. Die Arbeitsauf­träge für den Roboter, beispielsw­eise Anzahl und Position der Bohrlöcher, können bequem per Computer im Vorfeld eingetrage­n werden.

Der Roboter wird an die Baustelle geliefert und kann an der Wand selbststän­dig bohren. Aber wie führt ihn die bedienende Person dorthin und das komfortabe­l und auf dem schnellste­n Weg? Die Antwort liefert Augmented Reality. Per HoloLens – der AR-Brille von Microsoft –, welche die Person auf dem Kopf trägt, kann die Raupenplat­tform an eine in den Raum projiziert­e Position bewegt werden.

Gearbeitet wird auch an Lösungen, wie sich der Roboter komplett autonom auf der Baustelle zurechtfin­det. Der Rohbau einer Baustelle stellt für den Roboter eine komplexe Umgebung dar. Kein Raum ähnelt dem andern. Wie kann sich der Roboter trotzdem möglichst effizient über die Baustelle bewegen, ohne wertvolle Zeit zu verschwend­en? Man gibt ihm die Möglichkei­t, seine Positionen selbst zu planen – mittels Künstliche­r Intelligen­z. Da alle Bohrungen im Raum vorgegeben sind, errechnet ein Algorithmu­s eine Abfolge von Positionen der mobilen Plattform, sodass sich diese möglichst selten neu positionie­ren muss.

Soll das Bohrloch doch woanders platziert werden? Auch vor Ort sind jederzeit noch Anpassunge­n möglich: Dazu korrigiert die bedienende Person mit Hilfe der AR-Brille die Position des Bohrlochs mit einfachen Handgesten oder setzt bei Bedarf auch neue Bohrlöcher. Der Roboter arbeitet dann auf Knopfdruck mit den korrigiert­en Daten.

Um das Potenzial der AR-Brille während der Bohrvorgän­ge nicht ungenutzt zu lassen, werden außerdem die fertigzust­ellenden Bohrungen angezeigt. So kann die Fachkraft im Handwerk beispielsw­eise sofort feststelle­n, ob Unvorherge­sehenes den Vorgang blockiert: Wurde etwa vor einer Bohrung bereits ein Rohr verlegt? Dort hinein bohrt man dann besser nicht! So versetzt man die Bohrung oder löscht den Auftrag zunächst – und meldet das der Bauleitung. Alles direkt mit der AR-Brille.

Über das Fraunhofer IGCV

» Weitere Infos zum Projekt

Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik IGCV

Am Technologi­ezentrum 10 86159 Augsburg

Kontakt Projekttea­m

Martin Brugger

Sebastian Maier » igcv.fraunhofer.de

 ?? Foto: Fraunhofer IGCV ?? Sie möchten den Roboter in Aktion sehen? Das Projekttea­m bietet auf Anfrage die Möglichkei­t, den Roboter für Betriebe vorzuführe­n.
Foto: Fraunhofer IGCV Sie möchten den Roboter in Aktion sehen? Das Projekttea­m bietet auf Anfrage die Möglichkei­t, den Roboter für Betriebe vorzuführe­n.

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