Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Kanzel erzählt vom Frieden
Protestantischer Bürgerstolz verhalf St. Anna 1682 zu einer neuen Zier
Sie schlummerten Jahrhunderte auf einem Dachboden. Erst jetzt hat die Historikerin Barbara Rajkay, die das evangelische Kirchenarchiv Augsburg betreut, die Papiere als wichtige Quelle für St. Anna ausgewertet. Sie bilden in den Bauakten der Kirche eine außerordentlich dichte Überlieferung, die weitreichende Erkenntnisse über die heutige barocke Kanzel von St. Anna eröffnet. Das Evangelische Forum stellte sie in St. Anna vor.
Das Prachtstück aus Nussbaumund Ahornholz mit dem berühmten Friedensengel auf dem Schalldeckel ermöglichten im Jahr 1682 insgesamt 187 Spender, die 3284 Gulden sammelten. Die Kirchengemeinde musste für die Endabrechnung nur 21 Gulden selber drauflegen. Insbesondere die neue Wirtschaftselite, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in Augsburg zu Wohlstand kam, engagierte sich – aus Prestigegründen. Bloß fünf Tage dauerte der Abriss der alten und der Aufbau der neuen Kanzel. Zum Friedensfest am 8. August 1682 wurde sie von Pfarrer Georg
Paul Jenisch eingeweiht. Wie das seit 1650 gefeierte Fest selbst galt laut Barbara Rajkay auch die repräsentative Kirchenausstattung den reichsstädtischen Protestanten als Investition in ihre Zukunft. Nie mehr sollte ihre Konfession unterdrückt werden.
Als Handwerker wählte man die Besten ihres Fachs, betonte Christoph Emmendörffer, der Leiter des Maximilianmuseums. Der Kunstschreiner Heinrich Eichler, bekannt für exquisite Prunkkabinette, entwarf und baute den Predigerstuhl; fast ein Jahr mit „viel Widerwärtigkeit und Ungemach“beanspruchte ihn dieser Auftrag, denn er hatte zu knapp kalkuliert.
Schlosser, Sattler, Maurer, Vergolder und Bildhauer sollten an der Kanzel zu tun kriegen. Zwölf Engel waren zu schnitzen, leider gingen im Zweiten Weltkrieg die vier Engel des Schalldeckels verloren. Kleine
Säulen zieren den Korb, elegante Bögen den Deckel. Vergoldete Messingstäbe verbreiteten zusätzlichen Glanz und Prunk.
Theologisch hat die Kanzel von St. Anna etwas über die ersten Verkünder des göttlichen Wortes und seine Herrlichkeit zu erzählen. „Sie verbinden Himmel und Erde“, erklärte Dekan Michael Thoma. Engel tragen den Korb des Predigers und sein Lesepult. Prominent überragt der Friedensengel des Ulmer Meisters Hans Ulrich Hurdter das Gesamtwerk.
Er verkündet allezeit den wieder erlangten Frieden, er trägt die Palme als Zeichen freudigen Triumphes und bläst die Posaune als Herold. Er hält aber auch das Buch mit den sieben Siegeln und offenbart sich als der Engel des Jüngsten Gerichts, „das letztlich alle zum Frieden führen wird“, sagt Dekan Michael Thoma.