Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Guitarissimo
Dank seiner Kunst auf den Saiten ist Sigi Schwab eine lebende Legende. Kaum weniger eindrucksvoll ist, dass seine Lust am Spiel unerschöpflich scheint
Handgemacht: Wenn auf einen Musiker dieses Attribut im erweitert-auszeichnenden Sinne zutrifft, dann ist es Sigi Schwab. Mit den unerhört flinken Fingern seiner rechten Hand zupft, mit der nachtwandlerisch sicheren Linken greift und modelliert er seit mehr als einem halben Jahrhundert die Saiten seiner Gitarren. Ein bewundernswürdiges Spiel nicht nur der Präzision, sondern auch der Musikalität wegen, die obendrein noch Ureigenes zu formen vermag – das für Sigi Schwab so typische Schmelzprodukt von Jazz und weltmusikalischen Einflüssen.
Selbst wer andere Klänge bevorzugt, dürfte um den Gitarristen vermutlich hörend nicht herumgekommen sein. Schwab war jahrzehntelang einer der gefragtesten deutschen Studiomusiker, der, als er sich bei 15000 eingespielten Musiktiteln angekommen sah, mit dem Zählen aufgehört hat. Einmal soll er an einem Tag unglaubliche 40 Stücke aufgenommen haben – rekordverdächtig!
Er selbst macht darum kein Gewese. Typisch für ihn: Musikalisch kann er es locker mit den „Gitarrengöttern“des Pop-Business aufnehmen. Doch Ruhm und Reichtum waren nie seine vordringlichen Antriebskräfte. Lieber tritt er auf kleineren Bühnen auf, und dem seit langem in München lebenden Ludwigshafener genügt nach eigenem Bekunden das Bewusstsein einer „gewissen“finanziellen Sicherheit vollauf.
So verwachsen, wie er mit der – primär akustischen – Gitarre erscheint, hatte er doch zunächst damit geliebäugelt, Kontrabassist in einem Sinfonieorchester zu werden. Doch die Gitarre entsprach mehr den freiheitsbewegten Musiktendenzen, die Anfang der 60er Jahre in der Luft lagen und die auch der junge Schwab alle in sich aufsog, von Free Jazz bis Rock. Auch als Studiomusiker war er offen nach allen Seiten bis hin zum Schlager, als Komponist schuf er für die TV-BallettSoap „Anna“sogar einen Chart-Hit. Sein tatsächliches musikalisches Zentrum aber fand er in der Percussion Academia, einem Trio mit zwei Percussionisten, für das er eine so mitreißende wie zugängliche Symbiose aus jazzig-orientalischen Rhythmen mit westlichen Melodieund Harmoniefolgen entwickelte. Doch auch hier schlug nur eines der zahlreichen musikalischen Herzen Schwabs, bildete er doch mit dem Kollegen Peter Horton das legendäre klassisch-swingende Duo Guitarissimo und tritt in jüngerer Zeit mit dem Klarinettisten Klaus Hampl und einer Rhythmusgruppe unter dem Namen Camerata Bavarese auf.
Auch wenn die voranschreitenden Jahre hie und da Tribut verlangen, hat ihn doch bis heute die unbändige Lust am Spiel nicht verlassen, wie vor kurzem erst ein Doppelauftritt in Füssen bewies. Dass das so weitergehen möge, wünscht man diesem Ausnahmegitarristen noch lange über seinen heutigen 80. Geburtstag hinaus.