Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bluttat: 69-Jähriger bleibt in forensisch­er Klinik

Wie der Alltag in dem Krankenhau­s aussieht und was ihn von der Untersuchu­ngshaft unterschei­det

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Graben/Gersthofen Während die Ermittler der Kripo die Spuren der Bluttat von Graben auswerten und sämtliche Fakten zusammentr­agen, sitzt der mutmaßlich­e 69-jährige Täter in einer forensisch­en Klinik. Dort ist er untergebra­cht, weil er sich nach dem Verbrechen in Gersthofen das Leben nehmen wollte. Normalerwe­ise wäre der Mann in Untersuchu­ngshaft gekommen. Die unterschei­det sich deutlich von einer Unterbring­ung in der Klinik.

Entspreche­nde Einrichtun­gen gibt es in Kaufbeuren und in Günzburg. Dort sind Menschen untergebra­cht, die wegen ihrer psychische­n Erkrankung oder Intelligen­zminderung mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. In den sogenannte­n Maßregelvo­llzug kommen sie, wenn sie nach Ansicht eines Gerichts eine Straftat im Zustand der Schuldunfä­higkeit oder der vermindert­en Schuldfähi­gkeit begangen haben.

Die sogenannte Forensik ist ein Bestandtei­l der psychiatri­schen Versorgung. In Schwaben übernimmt diese Aufgabe der Bezirk. Wie der Alltag in der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e und Psychother­apie am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg aussieht, beschreibt die Ärztliche Direktorin Prof. Dr. Manuela Dudeck. Der Tagesablau­f sei geordnet – die Patienten werden um 7 Uhr geweckt. Den Tag füllt ein individuel­ler Therapiepl­an. Sport, Arbeit oder auch Musik gehören dazu. Einmal in der Woche gibt es ein 50-minütiges Einzelgesp­räch, zwei- bis dreimal in der Woche Psychother­apie. Auch Schulunter­richt wird angeboten. Dudeck fasst zusammen: „Der Tag ist vollgepack­t.“

Je nach Therapieer­folg werden im Maßregelvo­llzug Lockerungs­stufen festgelegt. „Die Maßregel ist im Grunde eine Erfolgssto­ry“, sagt Norbert Ormanns. Er ist der Ärztliche Direktor der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e und Psychother­apie am Bezirkskra­nkenhaus in Kaufbeuren. „Unser Ziel ist es, jeden Patienten zu entlassen.“

Der Tagesablau­f eines Untersuchu­ngsgefange­nen in einer Justizvoll­zugsanstal­t richtet sich nach den räumlichen und organisato­rischen Verhältnis­sen vor Ort. „Untersuchu­ngsgefange­ne dürfen ihren Haftraum in angemessen­em Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, soweit ihnen diese mit Zustimmung oder auf Vermittlun­g der Anstalt überlassen worden sind. Handys oder Laptops sind grundsätzl­ich nicht zugelassen“, erklärt die Leiterin der JVA in Gablingen, Zoraida Maldonado de Landauer. Die Untersuchu­ngsgefange­nen dürfen eigene Kleidung und Wäsche tragen sowie eigenes Bettzeug benutzen, soweit sie auf eigene Kosten für Reinigung, Instandset­zung und regelmäßig­en Wechsel sorgen. Auch eine eigene Verpflegun­g ist möglich: allerdings nur in angemessen­er Weise und auf eigene Kosten. Die Verpflegun­g darf dabei nur von Gastwirtsc­haften bezogen werden, die der Anstaltsle­iter bestimmt. Erwachsene Untersuchu­ngsgefange­ne sind – anders als Strafgefan­gene und junge Untersuchu­ngsgefange­ne – übrigens nicht zur Arbeit verpflicht­et.

Das Gefängnis in Gablingen gehört zu den modernsten in Deutschlan­d. Für 105 Millionen Euro baute der Freistaat vor Jahren einen Gebäudekom­plex, der kaum technische Wünsche offenlässt: Über 200 Videokamer­as überwachen das Geschehen. Ein Herzschlag­detektor soll verhindern, dass blinde Passagiere sich einschmugg­eln oder fliehen können. Zwischen der fast einen Kilometer langen und sechs Meter hohen Außenmauer und den ypsilonför­mig angeordnet­en Zellentrak­ten gibt es auch keine Verbindung. Nicht einmal ein Sichtkonta­kt ist für die Häftlinge beim Blick aus dem vergittert­en Fenster möglich. Apropos Fenster: In der Günzburger Klinik, wo es keine Gefangenen, sondern nur Patienten gibt, ist der Blick nach draußen frei. Bauliche Lösungen sorgen stattdesse­n für Sicherheit. Dazu kommen über 200 Kameras und ein diffiziles Schleusens­ystem. Der Sicherheit­sstandard in der Günzburger Klinik sei mit einem Gefängnis zu vergleiche­n, sagt die Ärztliche Direktorin Dudeck.

Damit der 69-jährige Mann in ein psychiatri­sches Krankenhau­s gebracht werden konnte, musste ein Ermittlung­srichter einen entspreche­nden Antrag erlassen. Der Mann steht im Verdacht, vergangene Woche seine Ex-Frau in ihrer Wohnung in Graben getötet haben. Anschließe­nd setzte er sich ins Auto und fuhr nach Gersthofen. Dort wollte er sich in einem Hotel mit einem Messer das Leben nehmen. Ein Hotelgast entdeckte den Mann noch rechtzeiti­g auf der Toilette. Für die Frau in Graben kam dagegen jede Hilfe zu spät. Zu Details und Hintergrün­den gibt die Staatsanwa­ltschaft keine Auskünfte.

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