Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Berliner Mauer an Selbstabholer zu verkaufen
Ein Teil der originalen Berliner Mauer steht seit ihrem Abriss in Berlin in Diedorf
In den USA und Großbritannien stürzen Demonstranten Denkmäler von Menschen, weil diese Rassisten gewesen sein sollen. Auch in Deutschland wird über Sinn und Zweck mancher Monumente diskutiert. Doch wofür stehen eigentlich die zahlreichen Denkmäler im Augsburger Land? Wir haben uns auf die Suche begeben und sind auf viele interessante Geschichten gestoßen.
Diedorf In der Nähe der Schmuttertalhalle in Diedorf stehen mehrere große graffitiverzierte Betonplatten. Als flüchtiger Betrachter würde man gar nicht auf die Idee kommen, wie geschichtsträchtig sie sind. Und doch ist in der Nähe dieser Platten Schreckliches passiert. Unüberwindbar war die Mauer einmal, dafür sorgten die Überwachung durch Soldaten der Nationalen Volksarmee und die gefürchteten Selbstschussanlagen. Sie zerriss nicht nur eine Stadt, sondern ein Land, Familien. Nicht gegen Rassismus ist sie ein Mahnmal, aber dafür, dass auch in Europa Menschenrechte nicht immer ein unteilbares Gut waren.
In Diedorf findet sich eines der größten erhaltenen Stücke der Berliner Mauer außerhalb der einst geteilten Stadt. Der Großteil des „antifaschistischen Schutzwalles“wurde zu kleinen Kieseln verarbeitet und als Souvenir an Touristen verkauft. Zu verdanken hat Diedorf die Sehenswürdigkeit dem Bauunternehmer Matthias Maresch. Er hatte die Grenzanlage in den Neunzigern gekauft, als er sich beruflich in Berlin aufhielt: „Ich habe das Angebot der Treuhandgesellschaft gesehen und einfach spontan zugeschlagen“, erzählt der Rommelsrieder.
Er hat ein echtes Schnäppchen gemacht: Weniger als 2000 Mark musste er damals bezahlen. „Die waren froh, das Teil loszuwerden“, erinnert er sich. Damals sei der historische Wert der Mauer vielen noch gar nicht so bewusst gewesen. Der Tauschwert habe für ihn sowieso nicht im Mittelpunkt gestanden.
Maresch wurde 1953 im thüringischen Pössneck geboren und verließ die DDR noch vor dem Mauerfall. Er habe sich mit dem Kauf an die friedliche Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und an seine eigene Lebensgeschichte erinnern wollen. Die Frage war nur, wo er das Mauerstück aufbewahren sollte.
„Ich wollte es erst in den Garten stellen, aber meine Frau war dagegen“, erinnert sich Maresch. Schließlich ließ er es von der Diedorfer Tiefbaufirma Otto Schüssler aus Berlin nach Schwaben transportieren. Werner Schüssler transportierte sie auf einem Tieflader nach Diedorf. Ein Aufbewahrungsort war aber nicht in Sicht, so blieb die Mauer fast 20 Jahre in Schüsslers Kiesgrube in Neusäß-Täfertingen. Dort drohte ihr ein profanes Ende: Schüssler wollte sie schon zu Füllmaterial verarbeiten.
Entsorgen wollte Maresch sie aber nicht. Der damalige stellvertretende Landrat Max Strehle half ihm, das unrühmliche Ende des Mauerstücks zu vermeiden: „Ich habe Strehle beim Fußball getroffen, und er wollte da was machen“, erinnert sich Maresch. Der CSU-Mann fand einen Abnehmer im damaligen Diedorfer Bürgermeister Otto Völk. 2009 wurde das Denkmal dann pünktlich zum 20. Jubiläum des Mauerfalls eingeweiht. Immer wieder gab es dort seitdem kleine Gedenkfeiern zur Deutschen Einheit.
Und es gibt Diedorfer, für das Stück Mauer eine ganz besondere Bedeutung hat – denn sie haben einen Teil ihres Lebens auf der anderen Seite der schier unüberwindlichen Grenze verbracht. Eine von ihnen ist Carola McLaren, die im Sommer 1989 über Budapest nach Augsburg kam, wie sie im Interview mit der Augsburger Allgemeinen erzählte. Noch 25 Jahre nach ihrer Flucht sagte sie, wie sehr sie die Zeit damals geprägt hat: „Wenn ich heute Intoleranz oder Bevormundung begegne, werde ich bis heute wütend.“