Augsburger Allgemeine (Land Nord)
CoronaWert war falsch
Einen Tag nachdem im Augsburger Land die sogenannte 15-Kilometer-Regel in Kraft trat, ist klar: Der statistische Wert war fehlerhaft. Trotzdem gelten die Einschränkungen auch in der kommenden Woche
Fehler in der Corona-Statistik haben dazu geführt, dass der Sieben-Tage-Wert im Landkreis auf 200 stieg. das Ausflugsverbot gilt aber trotzdem weiter.
Landkreis Augsburg Wer am Freitagmorgen die Corona-Zahlen für den Landkreis Augsburg aufgerufen hat, musste feststellen: Über Nacht war der Inzidenzwert von knapp über 200 um ein Viertel auf rund 150 gesunken. Im Laufe des Tages stellte sich heraus: Der hohe Donnerstagswert war auf fragwürdige Art und Weise zustande gekommen. Dennoch gilt das Ausflugsverbot, das er ausgelöst hat, in der kommenden Woche. Das löst nun deutliche Kritik aus.
Die sogenannte 15-KilometerRegel tritt automatisch in Kraft, wenn der Sieben-Tage-Inzidenzwert die 200 übersteigt, und gilt dann für mindestens eine Woche. Auch wenn der Inzidenzwert in dieser Zeit fällt oder es Ungenauigkeiten bei seiner Ermittlung gegeben hat. Genau das war im Landkreis Augsburg offenbar der Fall.
Auf Anfrage teilte das Landratsamt mit, dass die Schwankungen „maßgeblich“mit einer internen Umstellung der Technik in Laboren, die die Tests auswerten, zu tun haben. Seit dem 1. Januar müssen Labore eine Software namens „Deutsches Elektronisches Meldeund Informationssystem für den Infektionsschutz“(DEMIS) benutzen. Das soll die Meldung von positiven Tests beschleunigen.
Erreicht wurde zumindest vorübergehend das Gegenteil: Die Softwareumstellung habe laut Landratsamt Probleme verursacht, die Nachmeldungen zur Folge hatten. Auch in Nürnberg und anderen Städten und Kreisen hatten die Probleme mit DEMIS Verzerrungen bei den Corona-Zahlen zur Folge.
Laut Landratsamt hat es zudem wegen der Feiertage bundesweit „Verschiebungen der Tageswerte“gegeben, also Verzögerungen bei der Übermittlung von Zahlen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) hat das Landratsamt am Dreikönigstag keinen Fall gemeldet. Ebenso zwischen dem 9. und dem 11. Januar. An Silvester und Neujahr gingen zwei Fälle ein, zwischen Heiligabend und dem zweiten Weihnachtstag acht. Dabei sind mehrere Dutzend Fälle an einem normalen Tag keine Seltenheit. Wie eine Sprecherin des RKI mitteilt, spiele auch eine Rolle, dass an den Feiertagen und am Wochenende weniger Menschen zum Arzt gehen und sich testen lassen.
Maßgeblich für die Anordnungen der Behörden zum Infektionsschutz ist die Statistik des Robert-KochInstituts, das die Meldungen der Gesundheitsämter verarbeitet. Dort taucht jeder, der positiv getestet wurde, auf. Ein solcher Test muss an das Gesundheitsamt vor Ort gemeldet werden, welches die Daten an das RKI weiterleitet. Gibt es hierbei Verzögerungen, tauchen schon länger zurückliegende Tests als aktuelle Fälle in der Statistik auf.
Landrat Martin Sailer (CSU) den Vorgang auf Anfrage nicht. Er verwies über einen Sprecher auf das unverändert hohe Infektionsgeschehen im Landkreis.
In der Tat ist der Spielraum des Landkreischefs überschaubar, er muss sich an die Vorschriften halten. „Der Landrat hat hier leider keinen Spielraum“, sagt auch der SPD-Landtagsabgeordneter Harald Güller aus Neusäß. Genau das kritisiert der Oppositionspolitiker: „Man muss vor Ort mehr Spielraum und die Möglichkeit haben, flexibel reagieren zu können.“
Güller hält den Automatismus „200er-Inzidenz, dann 15-km-Regel“für falsch. „Diese Beschränkung macht ohnehin keinen Sinn und ist überzogen“, findet er. „Am Kuhsee darf ich spazieren, in Klosterlechfeld aber nicht – das ist Unsinn.“Mit Sorge sieht Güller, dass durch solche Pannen und unflexible
Beschränkungen die Akzeptanz bei den Bürgern spürbar sinke. „Die Zahlen müssen dringend runter, das ist vollkommen unstrittig, aber man muss je nach Sachlage vor Ort reagieren können“, meint der Abgeordnete und Vorsitzende der SPDKreistagsfraktion.
Der Grüne Landtagsabgeordnete Maximilian Deisenhofer betont, dass Freiheitsbeschränkungen gut begründet sein müssen: „Wenn der 200er-Inzidenz-Wert wegen einer Software-Umstellung vorübergehend erreicht wurde, dann ist es sehr schwer zu verstehen, warum mindestens eine ganze Woche lang strengere Maßnahmen gelten.“Eine Verpflichtung zum Homeoffice würde mehr bringen. „Das Wichtigste ist aber, dass sich die Bevölkerung aus Überzeugung an der Pandemiebekämpfung beteiligt.“
Ob es denkbar wäre, die 15-kmkommentierte
Regel im Landkreis Augsburg zurückzunehmen, mag Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) nicht beurteilen. „Das sind juristische Feinheiten.“Aber sie könne gut verstehen, wenn die Leute verärgert sind. „Wir alle werden mit der Zeit dünnhäutiger“, sagt die Stadtbergerin, aber das dürfe nicht dazu führen, das große Ziel aus den Augen zu verlieren. Da könne es keine Ausnahmen geben, auch wenn
Softwareumstellung sorgt für Probleme
Opposition kritisiert starre Regel
hie und da Fehler passieren. „Das ist schade, aber die Gesundheitsämter leisten großartige Arbeit,“so die Ministerin. Entscheidend sei für sie nicht so sehr die Inzidenz, sondern alles, was dazu beitragen könnte, die Infektionen zu verringern. Und dazu gehöre eben ein Verbot der touristischen Ausflüge.
Ähnlich äußerte sich der FreieWähler-Landtagsabgeordnete Fabian Mehring. Als „ärgerlich“bezeichnete er den Vorgang rund um die Inzidenz, nahm aber die Beteiligten in Schutz. „Alle arbeiten an der Belastungsgrenze.“Zudem änderten die nun besseren Inzidenzzahlen nichts an der insgesamt bedrohlichen Pandemielage. Mehring warb um Verständnis für die Bestimmungen und bezeichnete das Ausflugsverbot als „verschmerzbar“.
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