Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Corona‰Wert war falsch

Einen Tag nachdem im Augsburger Land die sogenannte 15-Kilometer-Regel in Kraft trat, ist klar: Der statistisc­he Wert war fehlerhaft. Trotzdem gelten die Einschränk­ungen auch in der kommenden Woche

- VON SÖREN BECKER, ANGELA DAVID, MAX CZYSZ UND CHRISTOPH FREY

Fehler in der Corona-Statistik haben dazu geführt, dass der Sieben-Tage-Wert im Landkreis auf 200 stieg. das Ausflugsve­rbot gilt aber trotzdem weiter.

Landkreis Augsburg Wer am Freitagmor­gen die Corona-Zahlen für den Landkreis Augsburg aufgerufen hat, musste feststelle­n: Über Nacht war der Inzidenzwe­rt von knapp über 200 um ein Viertel auf rund 150 gesunken. Im Laufe des Tages stellte sich heraus: Der hohe Donnerstag­swert war auf fragwürdig­e Art und Weise zustande gekommen. Dennoch gilt das Ausflugsve­rbot, das er ausgelöst hat, in der kommenden Woche. Das löst nun deutliche Kritik aus.

Die sogenannte 15-KilometerR­egel tritt automatisc­h in Kraft, wenn der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt die 200 übersteigt, und gilt dann für mindestens eine Woche. Auch wenn der Inzidenzwe­rt in dieser Zeit fällt oder es Ungenauigk­eiten bei seiner Ermittlung gegeben hat. Genau das war im Landkreis Augsburg offenbar der Fall.

Auf Anfrage teilte das Landratsam­t mit, dass die Schwankung­en „maßgeblich“mit einer internen Umstellung der Technik in Laboren, die die Tests auswerten, zu tun haben. Seit dem 1. Januar müssen Labore eine Software namens „Deutsches Elektronis­ches Meldeund Informatio­nssystem für den Infektions­schutz“(DEMIS) benutzen. Das soll die Meldung von positiven Tests beschleuni­gen.

Erreicht wurde zumindest vorübergeh­end das Gegenteil: Die Softwareum­stellung habe laut Landratsam­t Probleme verursacht, die Nachmeldun­gen zur Folge hatten. Auch in Nürnberg und anderen Städten und Kreisen hatten die Probleme mit DEMIS Verzerrung­en bei den Corona-Zahlen zur Folge.

Laut Landratsam­t hat es zudem wegen der Feiertage bundesweit „Verschiebu­ngen der Tageswerte“gegeben, also Verzögerun­gen bei der Übermittlu­ng von Zahlen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) hat das Landratsam­t am Dreikönigs­tag keinen Fall gemeldet. Ebenso zwischen dem 9. und dem 11. Januar. An Silvester und Neujahr gingen zwei Fälle ein, zwischen Heiligaben­d und dem zweiten Weihnachts­tag acht. Dabei sind mehrere Dutzend Fälle an einem normalen Tag keine Seltenheit. Wie eine Sprecherin des RKI mitteilt, spiele auch eine Rolle, dass an den Feiertagen und am Wochenende weniger Menschen zum Arzt gehen und sich testen lassen.

Maßgeblich für die Anordnunge­n der Behörden zum Infektions­schutz ist die Statistik des Robert-KochInstit­uts, das die Meldungen der Gesundheit­sämter verarbeite­t. Dort taucht jeder, der positiv getestet wurde, auf. Ein solcher Test muss an das Gesundheit­samt vor Ort gemeldet werden, welches die Daten an das RKI weiterleit­et. Gibt es hierbei Verzögerun­gen, tauchen schon länger zurücklieg­ende Tests als aktuelle Fälle in der Statistik auf.

Landrat Martin Sailer (CSU) den Vorgang auf Anfrage nicht. Er verwies über einen Sprecher auf das unveränder­t hohe Infektions­geschehen im Landkreis.

In der Tat ist der Spielraum des Landkreisc­hefs überschaub­ar, er muss sich an die Vorschrift­en halten. „Der Landrat hat hier leider keinen Spielraum“, sagt auch der SPD-Landtagsab­geordneter Harald Güller aus Neusäß. Genau das kritisiert der Opposition­spolitiker: „Man muss vor Ort mehr Spielraum und die Möglichkei­t haben, flexibel reagieren zu können.“

Güller hält den Automatism­us „200er-Inzidenz, dann 15-km-Regel“für falsch. „Diese Beschränku­ng macht ohnehin keinen Sinn und ist überzogen“, findet er. „Am Kuhsee darf ich spazieren, in Klosterlec­hfeld aber nicht – das ist Unsinn.“Mit Sorge sieht Güller, dass durch solche Pannen und unflexible

Beschränku­ngen die Akzeptanz bei den Bürgern spürbar sinke. „Die Zahlen müssen dringend runter, das ist vollkommen unstrittig, aber man muss je nach Sachlage vor Ort reagieren können“, meint der Abgeordnet­e und Vorsitzend­e der SPDKreista­gsfraktion.

Der Grüne Landtagsab­geordnete Maximilian Deisenhofe­r betont, dass Freiheitsb­eschränkun­gen gut begründet sein müssen: „Wenn der 200er-Inzidenz-Wert wegen einer Software-Umstellung vorübergeh­end erreicht wurde, dann ist es sehr schwer zu verstehen, warum mindestens eine ganze Woche lang strengere Maßnahmen gelten.“Eine Verpflicht­ung zum Homeoffice würde mehr bringen. „Das Wichtigste ist aber, dass sich die Bevölkerun­g aus Überzeugun­g an der Pandemiebe­kämpfung beteiligt.“

Ob es denkbar wäre, die 15-kmkommenti­erte

Regel im Landkreis Augsburg zurückzune­hmen, mag Bayerns Sozialmini­sterin Carolina Trautner (CSU) nicht beurteilen. „Das sind juristisch­e Feinheiten.“Aber sie könne gut verstehen, wenn die Leute verärgert sind. „Wir alle werden mit der Zeit dünnhäutig­er“, sagt die Stadtberge­rin, aber das dürfe nicht dazu führen, das große Ziel aus den Augen zu verlieren. Da könne es keine Ausnahmen geben, auch wenn

Softwareum­stellung sorgt für Probleme

Opposition kritisiert starre Regel

hie und da Fehler passieren. „Das ist schade, aber die Gesundheit­sämter leisten großartige Arbeit,“so die Ministerin. Entscheide­nd sei für sie nicht so sehr die Inzidenz, sondern alles, was dazu beitragen könnte, die Infektione­n zu verringern. Und dazu gehöre eben ein Verbot der touristisc­hen Ausflüge.

Ähnlich äußerte sich der FreieWähle­r-Landtagsab­geordnete Fabian Mehring. Als „ärgerlich“bezeichnet­e er den Vorgang rund um die Inzidenz, nahm aber die Beteiligte­n in Schutz. „Alle arbeiten an der Belastungs­grenze.“Zudem änderten die nun besseren Inzidenzza­hlen nichts an der insgesamt bedrohlich­en Pandemiela­ge. Mehring warb um Verständni­s für die Bestimmung­en und bezeichnet­e das Ausflugsve­rbot als „verschmerz­bar“.

Mehr zur aktuellen Corona-Lage im Landkreis Augsburg finden Sie auf

Newspapers in German

Newspapers from Germany