Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das eine magische Wort
Gute Fragen stellen ist ein oft unterschätztes, schwieriges Geschäft. War diese Woche live im Farbfernsehen zu erleben. ARDReporterin Valeska Homburg scheiterte doppelt. Inhaltlich und formal. Wie war die Stimmung in der Kabine des FC Bayern nach der Pokal-Blamage? Keine sehr originelle Frage, da die Antwort darauf erwartbar ist. Dass die überflüssige Erkundigung zudem mit einem fröhlichen Glucksen vorgetragen wurde, steigerte die Auskunftsfreude von Interviewpartner Thomas Müller auch nicht.
Der Vorfall weckt Erinnerungen an einen Kollegen, der einst für seine einmalige, ausgefeilte Fragetechnik bekannt war. Er arbeitete vor vielen, vielen Jahren für ein Boulevardblatt und hatte dabei auch mit dem FC Bayern zu tun.
Im Umgang mit Spielern, Trainern und Funktionäre perfektionierte er über die Jahre hinweg einen minimalistischen RechercheStil. Wenn er einem der Stars gegenübertrat, genügte ihm ein Wort (ein einziges Wort!), um diesen zum Reden zu bringen.
Zugegeben, wir haben uns damals über diesen Kollegen etwas despektierlich amüsiert. Eine Frage, ein Wort – geht doch gar nicht. Rückblickend müssen wir aber sagen: Doch geht. Er hat es richtig gemacht.
Denn was geschieht, wenn der Reporter einem Sportler (oder noch schlimmer: einem Politiker) eine berechtigte, ausgefeilte, wohl formulierte, harte, aber faire, interessante, drängende, konkrete Frage stellt? Etwa 100 Prozent aller Interviewpartner ignorieren den Inhalt dieses Meisterwerks von Frage komplett. Sie sagen dann zwar etwas, oft sogar viel (Politiker!), aber beantworten gar nichts.
Den Frust über die vergebene Liebesmüh beim Ausdenken von Fragen hat sich der Kollege damals mit seiner großartigen Aushorchtechnik erspart. Er hat zudem auch beim Befragten Frustrationen vermieden. Auf allzu offensichtlich Negativem (Stimmung in der Kabine, Zahl der positiven Corona-Fälle etc.) penetrant offensiv und weitschweifig herumreiten, das dämpft doch nur die Auskunftsfreude des Interviewten. Deshalb belässt man es besser bei dem einen, dem einzig notwendigen Frage-Wort.
Zudem verringert die Ein-WortTechnik auch die Gefahr, dass der Befragte aus dem Vortrag der Frage heraus gewisse Tendenzen (Schadenfreude!) heraushören kann.
Wie aber lautet dieses Zauberwort? Mit dem auch Sie sich als geschickter, unnachgiebiger, aber dennoch sensibler Fragesteller profilieren können? Sowohl im Beruf wie im Privatleben.
Nun, der Kollege trat damals vor seinen Gesprächspartner, reckte leicht das Kinn nach vorne, nahm den Kopf ein klein wenig nach hinten, blickte seinem Gegenüber aber immer noch tief in die Augen, und egal, ob dieser eben einen großen Sieg gefeiert hatte oder eine schlimme Niederlage hatte hinnehmen müssen, der Kollege sprach dann das eine, das magische Wort: „Und?“