Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Erfolg frisst die Eintracht auf
Frankfurt verliert sportliche Leitung und könnte kurz vor der Champions League wieder über den FCA stolpern
Eigentlich müsste bei Eintracht Frankfurt vor dem Gastspiel des FC Augsburg am Dienstag (20.30 Uhr/ Sky) die Stimmung hervorragend sein. Die Eintracht spielt ihre beste Saison seit Jahrzehnten, klopft an das Tor zur Champions League. Spieler wie der Ex-FCA-Profi Martin Hinteregger, Stürmer André Silva oder Filip Kostic werden fast in einem Atemzug mit den EintrachtLegenden Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski oder Jay-Jay Okocha, Uwe Bein, Maurizio Gaudino oder Star-Stürmer Anthony Yeboah genannt, die Anfang der 90er Offensiv-Fußball vom Feinsten zeigten.
Doch seit einigen Wochen wird die sportliche Etage der Eintracht gerade in ihren Fundamenten erschüttert, als hätte ein Erdbeben mit der Stärke sieben oder acht unter der Mainmetropole stattgefunden.
Dass Sportdirektor Bruno Hübner, 60, nach zehn Jahren den nervenzehrenden Job abgibt und sich ins Privatleben zurückzieht, war ja schon länger bekannt. Aber dass auch Sportvorstand Fredi Bobic, 49, und Erfolgstrainer Adi Hütter der Eintracht nach dieser Saison den
Rücken kehren, hätten vor kurzem viele für undenkbar gehalten. Angelehnt an eine Textstelle in Georg Büchners Drama „Dantons Tod“, dort heißt es „Ich weiß wohl, — die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder“, frisst der Erfolg nun die Eintracht auf. Der sportliche Baumeister Bobic bat um die vorzeitige Auflösung seines Vertrages, der eigentlich bis 2023 terminiert war, und wird ab der kommenden Saison versuchen, Hertha BSC zum Big City Club zu entwickeln. In Berlin lebt seine Familie, jetzt war für Bobic der richtige Zeitpunkt gekommen, ihr zu folgen. Die Eintracht kassiert zwischen zwei und drei Millionen Euro Ablöse.
Sogar 7,5 Millionen Euro bekommt die Eintracht von LigaKonkurrent Borussia Mönchengladbach für Trainer Adi Hütter überwiesen. Der zog eine Ausstiegsklausel und tauscht den aktuellen sportlichen Erfolg gegen die Perspektiven und den Mythos der Gladbacher ein. Dass der 51-jährige Hütter entgegen einem Treueschwur vom Februar („Ich bleibe“) nun doch die Mainmetropole Richtung niederrheinischer Provinz verlässt, kommt besonders bei den heißblütigen Eintracht-Fans gar nicht gut an.
Jetzt ist Aufsichtsratschef Philip Holzer gefordert. Der ehemalige Investmentbanker muss nun mit seinen Kollegen möglichst schnell die vakanten Posten besetzen. Der 55-jährige gebürtige Münchner gilt als öffentlichkeitsscheuer Stratege, der aber durchaus für neue Wege offensteht. Doch der erste Kandidat für die sportliche Leitung, Ralf
Rangnick, sagte schon einmal ab. Plötzlich ist auch die erstmalige Teilnahme an der Champions League in der Vereinsgeschichte gefährdet. Vier Tage, nachdem Hütter mitteilte, dass er im Sommer nach Mönchengladbach wechselt, holte sich sein Team beim 0:4 gegen ausgerechnet seinen neuen Verein, Gladbach, eine saubere Packung ab.
Lange dürfen die Frankfurter aber nicht ihrem scheidenden Trainer nachweinen. Dortmund ist fünf Spieltage vor Saisonende auf vier Punkte herangekommen. Ausgerechnet in dieser Phase fehlt Martin Hinteregger seit fünf Spielen mit einer Faszienverletzung. Im Spiel gegen den FCA könnte er aber sein Comeback geben. Mit oder ohne Hinteregger – die Eintracht wird versuchen, das Drama aus der ersten Saison unter Hütter zu verhindern. Damals hatte Frankfurt sechs Spieltage vor dem Saisonende als Vierter auch vier Punkte Vorsprung. Dann verloren sie daheim gegen Augsburg, gewannen keines der folgenden Spiele und waren am Ende nur noch Siebter. 1:3 hieß es am 14. April 2019. Zwei Tore erzielte Marco Richter, eines Michael Gregoritsch. Ein gutes Omen?