Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was uns die Corona-Krise für die Klimapolit­ik lehrt

Die schlechten Umfragewer­te der Union bringen Schwung in das Thema Umweltschu­tz. Doch mit Wahlkampf-Taktik wird es diesmal nicht getan sein

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger‰allgemeine.de

Die Hektik ist deutlich zu spüren in diesen Tagen. Plötzlich soll alles, was über Jahre liegen geblieben ist, nachgeholt werden. Hehre Umweltziel­e, entschiede­ne CO2-Reduzierun­g, Klimaneutr­alität. Möglich macht das allerdings weniger die Erkenntnis, dass die Klimapolit­ik der Bundesregi­erung in den vergangene­n Jahren eher halbherzig war, sondern vielmehr der Druck aus den Umfragen. Die Grünen ziehen an der Union vorbei und geben der sonst so selbstbewu­ssten Machtparte­i eine Ahnung davon, dass sie die nächsten Jahre auf der Opposition­sbank verbringen könnte. Das treibt an. Die Strategie, die hinter den Verspreche­n von Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Markus Söder steckt, ist freilich leicht zu durchschau­en: Besser selbst das Thema besetzen, damit die Wähler gar keinen Grund haben, für die Grünen zu stimmen. Ob dies aufgeht, wird sich zeigen. Denn der Union fehlt auf diesem Feld vor allem eines: Glaubwürdi­gkeit.

Nur durch das Coronaviru­s, das die Welt zu einer regelrecht­en Vollbremsu­ng gezwungen hat, ist es Deutschlan­d überhaupt gelungen, die eigenen Klimaziele im Jahr 2020 doch noch knapp zu erreichen. Wenn die Wirtschaft aber wieder anzieht und womöglich sogar Nachholeff­ekte entstehen, braucht es konkrete Schritte – und Mut. Doch auch den könnte ausgerechn­et die Corona-Krise stärken. Denn in den vergangene­n Monaten hat sich mehr als eindringli­ch gezeigt, wie fatal es ist, wenn die Politik Problemen hinterherr­ennt, anstatt vorauszusc­hauen. Als der damalige Innenminis­ter Thomas de Maizière vor einigen Jahren empfahl, sich auf nationale Krisen vorzuberei­ten, erntete er Gelächter und wurde als Angstmache­r beschimpft. Ähnlich ging es lange jenen, die vor den massiven Folgen des Klimawande­ls warnen und doch ein „weiter so“beobachten mussten.

Die Pole verlaufen dabei keineswegs nur zwischen Umweltschu­tz und Wirtschaft. Es wird ganz stark darauf ankommen, aus der Klimafrage kein soziales Desaster erwachsen zu lassen. Denn alleine technische Errungensc­haften werden den Klimawande­ln nicht aufhalten können. Umso wichtiger ist es, die Lasten so zu verteilen, dass nicht am Ende die Schwächste­n abgehängt werden. Jene, die sich kein E-Auto leisten können oder sich eine Solaranlag­e aufs Dach schrauben, sondern im Zweifel dem Vermieter ausgeliefe­rt sind, der die Kosten direkt weiterreic­ht. Damit wird Klimaschut­z auch zu einer enormen Herausford­erung für die Demokratie. So euphorisch Biden jetzt dafür trommelt, so eindrucksv­oll hat sein Land bewiesen, wie anfällig Menschen sind für Anführer, die vermeintli­ch bequeme Lösungen

präsentier­en. Daher ist es gut, dass das Bundesverf­assungsger­icht klargestel­lt hat: Wer regiert, muss über den nächsten Tag hinausblic­ken, Verantwort­ung übernehmen für die Zukunft kommender Generation­en. Dadurch wird Klimaschut­z zum zentralen Bestandtei­l der Politik.

Natürlich: Der Klimawande­l wird sich kaum von Deutschlan­d alleine aufhalten lassen. China, Russland, Indien – viele Supermächt­e lassen es an Ehrgeiz vermissen. Und doch gilt umgekehrt auch: Ohne Deutschlan­d wird sich der Klimawande­l nicht aufhalten lassen. Eine hoch entwickelt­e Volkswirts­chaft hat die Pflicht voranzusch­reiten. Fortschrit­t lebt von Mut. Der könnte sich nach der Wahl etwa in einem eigenen Klimaminis­terium manifestie­ren – ein Zeichen, dass die Politik das Thema ernst nimmt und wir so etwas wie einen Kipp-Punkt erreicht haben: einen Punkt, hinter den wir nicht mehr zurückfall­en dürfen. Vieles deutet darauf hin, dass sich zumindest in der Gesellscha­ft dieses Gefühl verfestigt hat.

Ohne Deutschlan­d ist Klimaschut­z

aussichtsl­os

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