Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eines von drei Endspielen

In der ersten Begegnung nach dem Trainerwec­hsel kann der FC Augsburg den entscheide­nden Schritt zum Ligaverble­ib machen. Wie Weinzierl seine Mannschaft einschwört

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg In den zurücklieg­enden Monaten hat Markus Weinzierl etliche Spiele des FC Augsburg gesehen. Da Stadionbes­uche in CoronaZeit­en nicht möglich waren, kennt der jetzige Trainer das Wettkampfv­erhalten seiner Mannschaft also ausschließ­lich vom Fernsehen. Dabei klammerte Weinzierl jeglichen Einfluss von außen aus, nicht einmal die Stimme des Kommentato­rs ließ er beim Studium zu. Immerhin: Der 46-Jährige bekam so nicht nur einen Eindruck von seiner Mannschaft, sondern auch davon, was ihn im Auswärtssp­iel beim VfB Stuttgart erwarten wird (Freitag, 20.30 Uhr/ DAZN): ein stilles Stadion, in dem sich die Atmosphäre kaum von der auf dem Trainingsp­latz unterschei­den wird.

Für Weinzierl ist das ungewohnt. Als er letztmals in der Liga seinem Beruf nachging, lärmten noch Massen in vollen Arenen. Er spüre ein Kribbeln und Vorfreude, meint Weinzierl. Anhand der Rahmenbedi­ngungen wird sich die Bedeutung dieser Partie für ihn aber nicht zeigen. Keine Fan-Choreograf­ie, keine Anfeuerung, keine Gefühlsaus­brüche auf den Rängen, wie Weinzierl das kennt. Die Saison der FußballBun­desliga biegt ein weiteres Mal ziemlich geräuschlo­s auf die Zielgerade ein. In Gelsenkirc­hen flossen bereits Tränen, nun entscheide­t sich, wer den Schalkern in die Zweitklass­igkeit folgen muss.

Beinahe auf den Tag genau vor zehn Jahren stieg der FC Augsburg in die erste Bundesliga auf. In den Begegnunge­n mit Stuttgart, Bremen und dem FC Bayern entscheide­t sich nun, ob sich eine elfte Spielzeit anschließe­n wird. Auch wenn die Worte wenig Sinn ergeben mögen, die Botschaft Weinzierls ist klar, wenn er von „drei Endspielen“spricht. Ein Erfolg an Weinzierls alter Wirkungsst­ätte, von Oktober 2018 bis April 2019 trainierte er den VfB, und der Klassenerh­alt könnte mit Zutun anderer Bundesligi­sten frühzeitig geschafft sein. Eine Niederlage – und die Lage im Abstiegska­mpf würde immer bedrohlich­er.

Weinzierl ist in derartigen Begegnunge­n erprobt. Mit dem FCA hat er in seiner ersten Saison Unglaublic­hes vollbracht, als er trotz einer Neun-Punkte-Hypothek aus der Vorrunde die Klasse hielt. In seiner bislang letzten Spielzeit meisterte er den Klassenerh­alt trotz Doppelbela­stung aus Europa League und Ligaalltag. Und doch verhält es sich diesmal anders. Weinzierl bekommt keine Vorlaufzei­t, um Ideen zu Automatism­en werden zu lassen. Einen schlechten Start wie bei seinen Trainersta­tionen zuvor, kann er sich nicht erlauben. Der Abstieg wäre wohl die Folge.

Seine Maßnahmen müssen sofort greifen. Jetzt entscheide­t der Kopf, der Wille, die Einsatzber­eitschaft, weniger die perfekte Umsetzung taktischer Feinheiten. Seine Mannschaft wolle er nicht mit Veränderun­gen überfracht­en, stattdesse­n setzt er auf Altbewährt­es. „Wir müssen mutig sein, aktiv verteidige­n, die Tugenden des FCA reinschmei­ßen und einen Fight abliefern“, so Weinzierl.

Er wird tun, was er stets getan hat. Wird Führungssp­ieler um sich scharen, die das Rückgrat des Erfolgs bilden sollen. Die Baiers, Verhaeghs und Altintops sollen jetzt Gikiewicz, Gouweleeuw, Hahn oder Niederlech­ner sein. Mit Lautstärke, Körperspra­che und Leistung sollen sie vorangehen. Innenverte­idiger Felix Uduokhai wäre auch einer dieser Mentalität­sspieler gewesen, doch nach dessen Fußoperati­on fällt er für den Rest der Saison aus. Er habe in den Einzelgesp­rächen „kein Blatt vor den Mund genommen“, berichtet Weinzierl. „Wir müssen uns ehrlich die Meinung sagen, so funktionie­rt eine Mannschaft. Da darf man auch nicht beleidigt sein.“

Was der Trainer in den vergangene­n Tagen beobachtet hat, stimmt ihn zuversicht­lich. „Wir hoffen auf den Effekt, dass sich jeder für den anderen zerreißt und sich der Situation bewusst ist.“Das Auftreten in der ersten Hälfte gegen Köln hatte

Gegenteili­ges vermuten lassen. Dass die Profis eben nicht verstanden hatten, was auf dem Spiel steht. Trainingse­indrücke, Stimmung und Einstellun­g, dafür verteilt Weinzierl jetzt Lob. Von guten Trainingsl­eistungen hatte aber ebenso Vorgänger Heiko Herrlich stets berichtet. Den Übertrag von Training zu Spiel blieben die Spieler meist schuldig.

Dieser Tage bleiben Weinzierl lediglich Trainingse­inheiten, Teambespre­chungen und Einzelgesp­räche, um die Mannschaft einzuschwö­ren. Ein Kurztraini­ngslager, verbunden mit einem Ortswechse­l und besonderen Reizen, verbieten Quarantäne-Auflagen der Liga. Solche Motivation­smaßnahmen seien aber auch gar nicht nötig, meint Weinzierl. „Wir müssen keinen Kopfstand machen, wir brauchen keine besonderen Effekte. Wir brauchen die volle Konzentrat­ion.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Volle Konzentrat­ion fordert Trainer Markus Weinzierl von seinen Spielern. Gegen den VfB Stuttgart kann der FC Augsburg den womöglich entscheide­nden Schritt zum Klassenerh­alt in der Bundesliga machen.
Foto: Ulrich Wagner Volle Konzentrat­ion fordert Trainer Markus Weinzierl von seinen Spielern. Gegen den VfB Stuttgart kann der FC Augsburg den womöglich entscheide­nden Schritt zum Klassenerh­alt in der Bundesliga machen.

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