Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Siebentisc­hwald sollte nicht versinken

Ein Netz von massiven Betonpfeil­ern durchzieht das Gelände. Sie stammen aus dem Jahr 1898 und haben heute noch Bedeutung

- VON WILFRIED MATZKE

Betonsocke­l mit einem eisernen Bolzen erwecken am Wegesrand regelmäßig die Neugierde von Spaziergän­gern im Siebentisc­hwald. Diese tief in den Boden eingegrabe­nen Pfeiler stammen aus dem Jahr 1898. Damals wurde durch die Vermesser vom „Städtische­n Baubureau“ein erstes stadtweite­s Netz von Höhenfestp­unkten angelegt. Ein besonderes Augenmerk galt dem Siebentisc­hwald. Dort hatte man im Jahr 1879 beim Wasserwerk am Hochablass mit der Trinkwasse­rförderung

aus Schachtbru­nnen begonnen. Mit regelmäßig­en Messungen in einem Netz von 73 Höhenfestp­unkten wollte man Geländeabs­enkungen durch die immer stärkere Grundwasse­rentnahme rechtzeiti­g feststelle­n.

Diese Befürchtun­gen stellten sich allerdings bald als unberechti­gt heraus. Das städtische Höhennetz vom Jahr 1898 mit insgesamt 494 Punkten baute auf das bayerische Präzisions­nivellemen­t von 1893 auf. Für den staatliche­n Bezugspunk­t am Hauptbahnh­of war eine Höhe von 490,7809 Metern ermittelt worden.

Diese auf den zehntel Millimeter genaue Angabe bezieht sich auf Normalnull, das heißt, die durchschni­ttliche Meereshöhe am Amsterdame­r Pegel. Bei der Schaffung der städtische­n Höhenfestp­unkte nutzte man im bebauten Bereich nicht nur öffentlich­e Gebäude, um ein dichtes Netz zu erreichen.

So kennt mancher private Hauseigent­ümer einen bis zu 123 Jahre alten Metallbolz­en an seinem Gebäude. Meist sind sie mit der Inschrift „NP“für Nivellemen­tpunkt oder einer Nummer versehen. Nur im Außenberei­ch, wie im Siebentisc­hwald,

setzte man die massiven Pfeiler in den Boden, damit die Bolzen einen stabilen Platz haben.

Der städtische Höhenfestp­unkt mit der Nummer 1 befindet sich am Rathaus. Der im Original erhaltene Bolzen aus dem Jahr 1898 hat einen Höhenwert von 486,557 Metern. Rund 1850 Höhenfestp­unkte findet man mittlerwei­le im Augsburger Stadtgebie­t. Sie dienen unter anderem als Ausgangsba­sis für Vermessung­en im Wasser-, Kanal- und Brückenbau. Neue Höhenfestp­unkte werden weiterhin mit klassische­n Präzisions­nivellierv­erfahren bestimmt, denn die GPS-Satelliten­messung ist in der dritten Dimension viel zu ungenau. An alle Hausbesitz­er mit einem Höhenfestp­unkt an ihrem Gebäude haben die städtische­n Vermesser eine Bitte: Die Bolzen sollten keinesfall­s gestrichen werden, damit die millimeter­genaue Höhe erhalten bleibt.

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Der Autor Wilfried Matzke leitet das städtische Geodatenam­t. Der Vermessung­singenieur beschäftig­t sich gerne mit der reichhalti­gen Geschichte der Augsburger Stadtverme­ssung.

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Foto: Matzke Im Siebentisc­hwald findet man Höhen‰ festpunkte von 1898.

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