Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Politische­r Mindestabs­tand

Schlechte Umfragen, schlechte Stimmung: Wie die Union mit dem Wahlkampf hadert und die CSU schon jetzt versucht, der großen Schwester die alleinige Verantwort­ung zuzuschieb­en

- VON ULI BACHMEIER UND STEFAN LANGE FAZ-Interview

München/Berlin Wie die Union mit CDU-Chef Armin Laschet als Kanzlerkan­didat das Ruder bis zur Bundestags­wahl noch herumreiße­n könnte, wissen sie in der CSU bisher nicht. Wie die Grünen zum Wahlsieger werden könnten, wissen sie dagegen schon ziemlich genau. „Die müssen“, so sagt ein Mitglied des CSU-Vorstands, „nur den Toni Hofreiter wegsperren, damit er bis zum Wahltag keine Interviews mehr gibt, und die Annalena Baerbock vorne hinstellen. Die muss da inhaltlich gar nicht groß was sagen, sie muss nur weiter freundlich lächeln. Wenn sie ansonsten keine Fehler machen, dann reicht den Grünen das.“Der Mann, der für die CSU schon in vielen Wahlkämpfe­n an vorderster Front dabei war, steht mit seinem Sarkasmus in der Partei nicht alleine. Die Kommentare zu den Wahlchance­n der Union gehen an der CSU-Basis fast ausnahmslo­s in diese Richtung. Man hilft sich zwar mit der Feststellu­ng, dass bis zum Wahltag Ende September noch knapp fünf Monate ins Land ziehen werden. Da könne noch viel passieren. Was aber sollte passieren, damit es mit CDU und CSU doch wieder bergauf geht? Ist nicht die Gefahr viel größer, dass zum Beispiel ein neuerliche­r Dürresomme­r der Forderung nach mehr Klimaschut­z weiteren Schwung verleiht oder dass eine Virus-Mutation den Verdruss an der Corona-Politik noch weiter steigert?

In der CSU-Führung hat man sich, wie Insider berichten, auf eine Art Doppelstra­tegie verständig­t. Man will sich mit aller Kraft „in den schwierigs­ten Wahlkampf seit 1998“stürzen. Damals musste die Union eine Niederlage gegen Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grünen) hinnehmen. Zugleich aber wollen CSU-Chef Söder und seine Mitstreite­r für den Fall einer Niederlage sicherstel­len, dass die Schuld hinterher bei der CDU und ihrem Kanzlerkan­didaten gesucht wird – und zwar nur dort. Der Boden dafür wird schon jetzt bereitet. Mehr als zehn Prozent, so rechnen CSU-Strategen in Hintergrun­dgespräche­n vor, könne die CSU mit ihrem Ergebnis in Bayern nicht vor dem Ergebnis der CDU im übrigen Deutschlan­d liegen. Die neuesten Umfragen sehen die Union derzeit bei 23 Prozent.

Die beiden Parteivors­itzenden Laschet und Söder, die sich gerade eben noch einen erbitterte­n Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur geliefert haben, liegen derweil – jeder für sich – erst einmal im Abklingbec­ken. Die persönlich­en Kontakte sind – nach allem, was man hört – auf das unbedingt Notwendige reduziert. Die öffentlich­en Sticheleie­n und Boshaftigk­eiten werden weniger. Gleichzeit­ig soll in Kürze die Arbeit an einem gemeinsame­n Wahlprogra­mm beginnen. Immerhin die Generalsek­retäre Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU) gelten da als verlässlic­he Achse. Das persönlich­e Verhältnis, so heißt es hier wie dort, sei vertrauens­voll, freundscha­ftlich und von gegenseiti­gem Verständni­s geprägt.

Ziemiak bestätigt, was im Flurfunk zu hören ist. „Markus Blume und ich haben ein exzellente­s Verhältnis. Wir telefonier­en fast täglich. Wir schätzen uns sehr und wir werden rechtzeiti­g vor der Sommerpaus­e gemeinsam ein starkes Programm vorlegen“, sagt der CDU-Politiker, der in den letzten Wochen des Streits der Ruhepol war. 35 Jahre ist er alt und geht abgeklärt an die Sache heran. „Differenze­n zwischen den Schwesterp­arteien“, sagt Ziemiak, „sind normal und die hat es immer gegeben. Sie sind so alt wie unsere gemeinsame Parteienge­schichte“. Polit-Diplomatie eben.

Der CDU-Generalsek­retär appelliert an die Geschlosse­nheit der Union. „Wichtig ist, dass wir in den entscheide­nden Momenten zusammenst­ehen. Nur mit Geschlosse­nheit ge

wir diese Bundestags­wahl“, sagt er. Es sind zwei Sätze, die so in letzter Zeit schon oft zu hören waren. Die aber noch nie so ernst gemeint waren. Denn mit der Geschlosse­nheit bei der CDU ist das selbst innerhalb der Partei gerade so eine Sache. Selbst Optimisten zweifeln, ob sich die Union an der Spitze der Regierung halten kann. Man müsse jetzt zur Sacharbeit zurückkehr­en, sagt eine hochrangig­e CDU-Politikeri­n. Es gebe eine Sehnsucht nach Normalität, sagt sie, ahnt gleichzeit­ig aber auch, „dass der ein oder andere wohl noch aufbegehre­n wird“.

Immerhin die CDU-Abgeordnet­en in der Fraktion, zuletzt größtentei­ls Fans eines Spitzenkan­didaten Söder, haben offenbar beschlosse­n, sich dem Burgfriede­n anzuschlie­ßen. Selbst wenn die Union bei der Bundestags­wahl gewinnen sollte, müssen CDU und CSU mit weniger Mandaten rechnen. Es geht hier also auch um politische Existenzen. Mit Sorge wird da beobachtet, wie sich die Affäre um die Aserbaidsc­hanConnect­ion entwickelt, in die offenbar doch mehr CDU-Abgeordnet­e verwickelt sein könnten als bislang angenommen. Es geht um dubiose Verbindung­en zu dem autoritär regierten Staat.

In der Partei hat die Aufregung um die Nominierun­g von Hans-Georg Maaßen als Direktkand­idat in Thüringen zudem gezeigt, dass Laschet die einzelnen Flügel noch längst nicht geeint hat. Die stramm Konservati­ven in der CDU verbinden mit Maaßen einige Hoffnungen, dass der Mitte-Links-Kurs von Kanzlerin Angela Merkel wieder in die rechte Richtung steuert. Immerhin hat Laschet mit Friedrich Merz einen seiner einflussre­ichsten Widersache­r ins Team eingebunde­n. Die Stimmung kann wieder kippen, aber offenes Aufbegehre­n hat der CDU-Chef bisher unterbunde­n. Gerüchte über seine Auswechslu­ng als Spitzenkan­didat nach der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni sind deshalb nicht mehr als das.

In einem untermauer­te er demonstrat­iv seinen Anspruch, in Berlin die Führung zu übernehmen. Auf die Frage, ob er für sich „ein Rückfahrti­cket nach Düsseldorf“beanspruch­e, um weiter als NRW-Ministerpr­äsident regieren zu können, sagte Laschet: „Klares Nein. Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestags­wahl in Berlin. Ich will Bundeskanz­ler der Bundesrepu­blik Deutschlan­d werden und werde mit aller Kraft dafür kämpfen, dass die Union die Wahl gewinnt.“Zuvor hatte es geheißen, Laschet wolle einen Parteiwinn­en tag seiner Landes-CDU verschiebe­n, um seine Optionen offen zu halten. Laut nordrhein-westfälisc­her Landesverf­assung kann Laschet, sollte er nicht Kanzler werden, zumindest nicht einfach Ministerpr­äsident bleiben und gleichzeit­ig ein Bundestags­mandat annehmen. In der Verfassung heißt es: „Ein Mitglied der Landesregi­erung kann nicht gleichzeit­ig Mitglied des Bundestags oder der Bundesregi­erung sein.“

Ziemiak weiß um die Unruhe rund ums Konrad-Adenauer-Haus. „Natürlich beschäftig­en mich auch Umfragen. Aber sie sind nicht der Maßstab meines Handelns“, sagt er. „Unser Ziel ist es, dass nach der Bundestags­wahl keine Regierung ohne Führung durch die Union gebildet werden kann. Denn eines ist doch klar: Die Grünen würde sich auch mit einer Stimme Mehrheit von der Linksparte­i ins Kanzleramt wählen lassen.“Die Mehrheit der Menschen, ist sich der Generalsek­retär sicher und gibt gleichzeit­ig

Die Generalsek­retäre versuchen den Riss zu kitten

eine Argumentat­ionslinie für den Wahlkampf vor, wolle am Tag nach der Wahl nicht mit einer links-grünen Regierung aufwachen.

In der CSU beobachtet man die Zerwürfnis­se in der großen Schwesterp­artei mit Sorge. Die jüngsten Umfragen, die die Union sogar schon hinter den Grünen sehen, kommentier­t Generalsek­retär Blume mit den Worten: „Die große Enttäuschu­ng über den Ausgang der Personalen­tscheidung spiegelt sich in den Umfragen wider. Viele, nicht nur in Bayern, hätten sich Markus Söder gewünscht. Armin Laschet ist nun verantwort­lich, die Umfragen zu drehen. Die persönlich­e Zufriedenh­eit mit Markus Söder ist unveränder­t auf hohem Niveau stabil.“

Aber auch in Bayern läuft es längst nicht so, wie es aus Sicht der CSU-Führung eigentlich laufen sollte. Die Chance, dass ein Kanzlerkan­didat aus Bayern – wie einst Edmund Stoiber – eine Million zusätzlich­er Stimmen holt, ist dahin. Allerorten machen sich Fliehkräft­e bemerkbar. Kreisvorsi­tzende berichten von Parteiaust­ritten, weil vielen Mittelstän­dlern die CSU zu grün geworden sei. In den Großstädte­n wiederum müsse die Partei um Direktmand­ate bangen, weil sie auch gut verdienend­en jüngeren Wählern nicht weltoffen und grün genug erscheint.

Der Generalsek­retär tritt derlei Befürchtun­gen offensiv entgegen. Blume sagt: „Die Grünen erleben eine Welle der Begeisteru­ng, aber der Realitätsc­heck zeigt: Mit einem grün-rot-roten Linksbündn­is drohen den Menschen im Land GagaPoliti­k, Verbotsfan­tasien und Belastungs­orgien.“

Den einen ist die CSU zu grün, anderen nicht grün genug

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Foto: Michael Kappeler, dpa Haben ihre persönlich­en Kontakte auf ein Minimum reduziert: Söder und Laschet.

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