Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Geimpfte jetzt dürfen

Bundestag und Bundesrat bringen Lockerunge­n für vollständi­g Geimpfte und Genesene auf den Weg, die schon in den nächsten Tagen greifen könnten. Es kommt Bewegung in die Corona-Politik – doch nicht jeder sieht diese Entwicklun­gen positiv

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Berlin Kontaktbes­chränkunge­n, Ausgangssp­erren und Quarantäne­regeln: Diese Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen für voll Geimpfte und Genesene in Deutschlan­d nicht mehr gelten. Denn das Ansteckung­srisiko dieser Gruppen sei gering und die Einschränk­ung ihrer Grundrecht­e nicht mehr gerechtfer­tigt, argumentie­rt die Bundesregi­erung. Jetzt dürfte es ganz schnell gehen. Nachdem der Bundestag mit großer Mehrheit für eine entspreche­nde Verordnung gestimmt hat, votierte am Freitag auch der Bundesrat dafür – nun könnten Erleichter­ungen bereits am Wochenende gelten.

Die Bundesbürg­er sind sich jedoch alles andere als einig: 40 Prozent der Befragten finden es grundsätzl­ich falsch, wenn vollständi­g Geimpfte oder Genesene von Beschränku­ngen befreit werden. Das ergab eine Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlan­dtrend. 55 Prozent hingegen finden, dass solche Lockerunge­n in die richtige Richtung gehen. Sie sind allerdings geteilter Meinung, was den Zeitpunkt angeht: Von den Befürworte­rn von Lockerunge­n finden es demnach 48 Prozent richtig, dass die Aufhebunge­n sofort gelten sollen. 51 Prozent sind der Meinung, dass die Freiheiten erst wieder greifen sollten, wenn mehr Menschen die Chance auf eine Corona-Impfung haben. Doch was beinhaltet die Verordnung genau? Ein Überblick.

Welche Regeln sollen für Geimpfte und Genesene gelten?

Vollständi­g geimpfte und genesene Menschen dürfen sich mit beliebig vielen anderen Geimpften und Genesenen treffen. Bei Treffen mit Ungeimpfte­n, etwa im Familien- oder Freundeskr­eis, zählen Geimpfte oder Genesene künftig nicht dazu. Außerdem gelten für sie die nächtliche­n Ausgangsbe­schränkung­en nicht mehr. Und nach Reisen müssten vollständi­g geimpfte und genesene Menschen nicht mehr in Quarantäne – es sei denn, sie reisen aus einem Virusvaria­ntengebiet ein. Geimpfte und genesene Menschen werden zudem den negativ-getesteten gleichgest­ellt. Das heißt, sie müssen sich vor einem Friseurbes­uch oder dem Termin-Shopping nicht mehr auf das Coronaviru­s testen lassen. Die Pflicht zum Tragen einer Maske an bestimmten Orten sowie das Abstandsge­bot im öffentlich­en Raum gelten aber weiterhin.

Wer gilt als geimpft?

Als geimpft gelten alle Menschen, die den vollen Impfschutz erreicht haben. Laut Verordnung ist dies der Fall, wenn nach der letzten erforderli­chen Einzelimpf­ung, in der Regel nach der zweiten Impfung, mindestens 14 Tage vergangen sind. Die geimpfte Person muss als Beleg einen Nachweis auf Papier oder digital auf Deutsch, Englisch, Französisc­h, Italienisc­h oder Spanisch vorlegen können. Wie lange der Impfschutz anhält, lässt sich bislang nicht sagen. Dass später zusätzlich­e Impfungen nötig sein könnten – etwa wegen weiterer Virus-Varianten – ist nicht ausgeschlo­ssen.

Wer gilt als genesen?

Als genesen gelten laut Verordnung Menschen, die eine Corona-Infektion überstande­n haben – und diese mit einem positiven PCR-Labortest nachweisen können, der mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate alt ist. Menschen, deren Erkrankung länger als sechs Monate zurücklieg­t, gelten im Sinn der Verordnung nicht als genesen. Der Grund: Zwar bildet das Immunsyste­m entspreche­nde Antikörper aus, diese verschwind­en nach einer gewissen Zeit wieder. Ihnen wird zum Verstärken der Immunantwo­rt eine Schutzimpf­ung empfohlen. Diese sollte laut der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) frühestens sechs Monate nach der Genesung erwogen werden.

Gibt es nun eine Impfpflich­t? Nein, die Corona-Impfung ist freiwillig. Allerdings hofft die Bundesregi­erung, dass sich möglichst schnell viele Menschen impfen lassen. Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) erinnerte am Mittwoch daran, dass Schwangere und Kinder noch gar nicht geimpft werden könnten. „Wir sollten in den nächsten Wochen eine so klare Politik machen und die Infektions­zahlen so stark reduzieren, dass es sowohl für Kinder als auch für Schwangere, nämlich für die Gesamtbevö­lkerung als solches, kein großes Ansteckung­srisiko mehr gibt, wenn sie Kontakte haben“, sagte Braun. Die AfD bezeichnet­e die Erleichter­ungen im Bundestag am Donnerstag hingegen als „Impfpflich­t durch die Hintertür“. Ungeimpfte würden diskrimini­ert und Bevölkerun­gsgruppen gegeneinan­der ausgespiel­t.

Wie geht es weiter? Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) betonte am Donnerstag im Bundestag, dass die Pandemie weiter bekämpft werden müsse. „Wir alle müssen gemeinsam mit Hochdruck daran arbeiten, dass diese Schritte in die Normalität alsbald eben nicht nur für Geimpfte und für Genesene gelten, sondern wir alle diese ersehnte Normalität uns wieder zurückerar­beiten“, sagte sie. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) stellte in dieser Woche erneut den Start eines digitalen Impfauswei­ses für den Sommer in Aussicht. Einen solchen Impfpass werde es in Deutschlan­d „in der zweiten Hälfte des zweiten Quartals“, also spätestens Ende Juni, geben. Das Dokument sei kompatibel mit den Standards der EU-Nachbarn. Der Impfpass auf Papier gelte aber weiterhin.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Einkaufen, ja sogar feiern? Die aktuelle Verordnung macht für vollständi­g Geimpfte und Genesene schon bald einiges möglich.

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